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Sitzung des Nds. Landtages am 28. Februar 2018; TOP 17 c) Dringliche Anfrage

- ES GILT DAS GESPROCHENE WORT! -


Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage der Fraktion der AfD wie folgt:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

die Dringliche Anfrage der AfD-Fraktion vermittelt den Eindruck, dass das Recht auf Familienzusammenführung nur Flüchtlingen zustehe und dass ein Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen aus Syrien bislang insgesamt ausgesetzt war und erst ab August diesen Jahres möglich sein wird.

Daher möchte ich diese Gelegenheit nutzen, kurz auf die Rechtslage einzugehen und einige Fakten aufzuklären:

Grundsätzlich haben Deutsche sowie Ausländerinnen und Ausländer, die einen Aufenthaltstitel besitzen und sich nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, einen Anspruch auf Nachzug ihrer Kernfamilie. Hierzu gehören der jeweilige Ehepartner und minderjährige Kinder.

Der Familiennachzug setzt grundsätzlich voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert und ausreichender Wohnraum vorhanden ist. Dies gilt allerdings nur eingeschränkt beim Nachzug zu Deutschen und zu anerkannten Flüchtlingen. Beim Nachzug von Ehegatten wird zudem grundsätzlich ein Nachweis deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise verlangt.

Die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sind im Einzelnen im deutschen Aufenthaltsrecht geregelt. Deutschland ist bei der Gestaltung der Familiennachzugsregelungen allerdings nicht frei, wie manche glauben, sondern hat neben der verfassungsrechtlichen Vorgabe des besonderen staatlichen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Grundgesetz) auch die EU-Familiennachzugsrichtlinie zu berücksichtigen. Soweit Ausländerinnen und Ausländer einen besonderen Schutzstatus besitzen – bspw. als anerkannter Flüchtling –, schränken internationale Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention oder EU-Recht wie die Qualifikationsrichtlinie den Spielraum des nationalen Gesetzgebers weiter ein.

Bei anerkannten Flüchtlingen handelt es sich entweder um Asylberechtigte im Sinne des Grundgesetzes, um nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge oder um sog. subsidiär Schutzberechtigte im Sinne der EU-Qualifikationsrichtlinie.

Angehörige dieser Flüchtlingsgruppen haben – ihrem Schutzstatus entsprechend – einen de facto voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Familiennachzug.

Dies gilt übrigens auch für Flüchtlinge aus Syrien, soweit sie als Asylberechtigte oder Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anerkannt worden sind.

Allein der Familiennachzug zur Gruppe subsidiär Schutzberechtigter wurde von der damaligen Großen Koalition in Berlin im Rahmen des „Asylpakets II“ für zwei Jahre bis zum 16. März 2018 per Gesetz ausgesetzt. Nach Ablauf der zwei Jahre sollte die alte Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten, so die Absprache.

Entsprechend der zwischen CDU, CSU und SPD auf Bundesebene erzielten Sondierungsergebnisse hat der Deutsche Bundestag am 1. Februar 2018 ein Gesetz verabschiedet, mit dem der Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten über den 16. März 2018 hinaus bis zum 31. Juli 2018 ausgesetzt wird.

Ab dem 1. August 2018 wird der Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung entfallen. Ab demselben Zeitpunkt kann der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Kontingents von 1.000 Personen/Monat zugelassen werden. Näheres soll dann durch ein Gesetz geregelt werden.

Es wird daher Aufgabe der eine künftige Bundesregierung tragenden Parteien sein, sich über ein Gesetz und/oder entsprechendes untergesetzliches Recht zu verständigen, das das weitere Verfahren und vor allem die Auswahlkriterien beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen der Kontingentierung regelt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage wie folgt:

  1. Wie viele Personen sind im Zuge des Familiennachzugs in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils nach Niedersachsen eingereist?

    Das Ausländerzentralregister enthält keine Angaben über die Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel in bestimmten Zeiträumen, sondern bildet nur den zu einem bestimmten Stichtag vorhandenen Bestand ab. Im Bereich der Familienzusammenführung wird – entsprechend der Systematik des Aufenthaltsgesetzes – nur danach differenziert, ob es sich um Familienangehörige deutscher oder ausländischer Staatsangehöriger handelt. Bei der letztgenannten

    Gruppe wird ebenso nicht danach differenziert, welchen Status die oder der Stammberechtigte besitzt. Die Zahlen beziehen sich insoweit auf den Nachzug zu allen Gruppen von Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürgern.

    Das Bundesministerium des Innern hat die Länder inzwischen gebeten, die Fälle des

    Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen ab Februar 2018 übergangsweise durch die Ausländerbehörden vor Ort händisch statistisch erfassen zu lassen.

    - Am 31. Dezember 2015 hielten sich in Niedersachsen insgesamt 50.658 Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten mit einem zu familiären Zwecken erteilten Aufenthaltstitel auf. Hiervon waren 26.200 Personen im Besitz eines Titels zum Familiennachzug zu deutschen Angehörigen und 24.458 Personen im Besitz eines Titels zum Familiennachzug zu ausländischen Angehörigen.

    - Am 31. Dezember 2016 hielten sich in Niedersachsen insgesamt 54.935 Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten mit einem zu familiären Zwecken erteilten Aufenthaltstitel auf. Das sind rund 4.000 mehr als im Jahr zuvor. Hiervon waren 26.435 Personen im Besitz eines Titels zum Familiennachzug zu deutschen Angehörigen und 28.500 Personen im Besitz eines Titels zum Familiennachzug zu ausländischen Angehörigen.

    - Am 31. Dezember 2017 hielten sich in Niedersachsen insgesamt 60.397 Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten mit einem zu familiären Zwecken erteilten Aufenthaltstitel auf. Hiervon waren 26.522 Personen im Besitz eines Titels zum Familiennachzug zu deutschen Angehörigen und 33.875 Personen im Besitz eines Titels zum Familiennachzug zu ausländischen Angehörigen.

  2. Von welcher Personenanzahl geht die Landesregierung bei der Einreise nach Niedersachsen im Rahmen des Familiennachzugs für die Jahre 2018 und 2019 aus?

    Dem Land Niedersachsen liegen keine Erkenntnisse über die Zahl derer vor, die voraussichtlich die Erteilung von Aufenthaltstiteln zur Familienzusammenführung beantragen und anschließend nach Niedersachsen einreisen werden.

    Auch die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage erklärt, dass ihr eine Prognose des Nachzugspotenzials von Flüchtlingen nicht möglich ist, da es keine nachhaltig belegbaren Zahlen gibt, wie viele Familienangehörige der Kernfamilie zu einer in Deutschland anerkannten Person mit Schutzstatus künftig nachziehen werden.

  3. Wie hoch schätzt die Landesregierung voraussichtlich die Kosten, die aufgrund des Familiennachzugs auf das Land Niedersachsen in den Jahren 2018 und 2019 zukommen, auch mit Blick darauf, dass der Familiennachzug subsidiär Geschützter ab 1. August 2018 wieder aufgenommen wird?

Da dem Land keine Erkenntnisse über die Zahl derer vorliegen, die voraussichtlich die Erteilung von Aufenthaltstiteln zur Familienzusammenführung beantragen und anschließend nach Niedersachsen einreisen werden, kann auch die Frage nach den Kosten naturgemäß nicht beantwortet werden.

Presseinformation

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erstellt am:
28.02.2018

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