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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Kinderpornographie

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 7. April 2017; Fragestunde Nr. 49

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Editha Lorberg und Thomas Adasch (CDU) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Der NDR berichtet auf seiner Internetseite am 19. März 2017, dass Polizeibeamte in Niedersachsen, die wegen Kinderpornographie ermitteln, über eine hohe Belastung klagten. So müssten diese nach eigenen Angaben häufig mehr als 3.000 Bilder pro Stunde sichten. Dies soll sich aus einer Studie des Innenministeriums ergeben, die dem NDR vorliege. So erklärten laut NDR 86 Prozent der befragten Beamten, sie wüssten nicht, wie sie die Datenmengen auf Dauer bewältigen sollten. 87 Prozent der rund 100 befragten Beamten seien zudem der Ansicht, dass die Strafen für Besitz und Verbreitung von kinderpornographischem Material in keinem angemessen Verhältnis zur Schwere der Tat stünden. Das Justizministerium soll nach Information von NDR Niedersachsen gegenwärtig prüfen, ob die Datenauswertung an geeignete Fremdfirmen übergeben werden könne.

Die Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen bestätigte in einer Pressemitteilung vom 20. März 2017, dass für die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen die Prüfung von Kinderpornographievorwürfen äußerst belastend sei.

Vorbemerkung der Landesregierung

Für die Verbreitung von Kinderpornographie sieht § 184b Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in Fällen, in denen der Täter banden- oder gewerbsmäßig handelt, nach Abs. 2 dieser Norm von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und für das Unternehmen der reinen Besitzverschaffung gemäß § 184b Abs. 3 StGB eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Die Strafzumessung im Einzelfall obliegt den unabhängigen Richterinnen und Richtern, die dabei eine Fülle von Einzelfallbesonderheiten zu berücksichtigen haben. Für 2016 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik Niedersachsen (PKS) insgesamt 5.226 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst. Dabei ist hinsichtlich der Verbreitung pornographischer Schriften ein Absinken der Fallzahlen von 1.403 auf 1.160 festzustellen, dass sind 243 Fälle weniger bzw. ein Rückgang von mehr als 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dem Internet kommt in diesem Zusammenhang weiterhin eine besondere Rolle zu. Von den 5.226 bekanntgewordenen Fällen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden 1.423 mit Internetbezug erfasst. Darin enthalten sind auch Beleidigungen auf sexueller Grundlage sowie konkrete sexuelle Nötigungen.

Dabei werden Fotos und Videos mit pornographischem Inhalt oftmals nicht mehr nur über internetbasierte Nachrichtendienste oder soziale Netzwerke verbreitet, sondern auch weiterhin mit grundsätzlich aufwachsender Tendenz unter der Nutzung von sogenannte „Darkforen“.

Der in diesen Foren stattfindende Tausch von Materialien mit kinderpornographischem Inhalt ist einer der Gründe, warum die Bekämpfung der „Darknet“ Onlinemarktplätze auch in Zukunft einen Schwerpunkt der Arbeit im Zusammenwirken zwischen dem Bund und den Ländern darstellt.

Insgesamt misst die Niedersächsische Landesregierung der Bekämpfung der Kinderpornographie eine hohe Bedeutung bei. Damit die Opfer, Kinder und Jugendliche, möglichst schnell vor weiteren Tathandlungen geschützt werden, unternimmt auch die Polizei Niedersachsen weiterhin große Anstrengungen, um Kinder- und Jugendpornografie von vornherein zu bekämpfen und möglichst lückenlos aufzuklären. So wurden in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Bekämpfung der Kinderpornographie umgesetzt. Dazu gehört beispielsweise die Erstellung einer Richtlinie durch das Landeskriminalamt Niedersachsen im Jahr 2012 für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren und den Umgang mit kinderpornographischen Bild- und Videodateien. Von dort wurde darüber hinaus für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren im Bereich Besitz/Verbreiten kinderpornographischer Schriften für den landesweiten Einsatz ein eigenes, kontinuierlich weiterentwickeltes Softwareprodukt bereitgestellt, welches technisch die Sichtung der großen Anzahl der Bilder und Videos ermöglicht und darüber hinaus noch verschiedene Filterfunktionen für eine möglichst auf den jeweiligen Bedarf der Ermittlungsbeamtinnen bzw. Ermittlungsbeamten zugeschnittene Sachbearbeitung bietet. Zusätzlich wurde im Landeskriminalamt Niedersachsen bereits im Jahr 2012 eine eigene landesweite sogenannte „Hashwerte-Datenbank“ eingerichtet. Diese ermöglicht es Hashwerte aus abgeschlossenen Ermittlungsverfahren für weitere Verfahren zu nutzen, so dass Bilder und Videos, die bereits einmal gesichtet wurden, nicht nochmals bewertet werden müssen. Trotzdem stellen die mit der Auswertung verbundenen Ermittlungstätigkeiten, insbesondere vor dem Hintergrund der aufwachsenden Datenmengen sowie aufgrund des zu sichtenden Materials, weiterhin eine besondere Belastungssituation für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter dar. Auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bedeutung der Bekämpfung des Phänomenbereichs Kinderpornographie und der damit verbundenen, seit Jahren vorhandenen internen Schwerpunktsetzung wurde durch die Polizei Niedersachsen eine Studie zu Belastungen und Entlastungsmöglichkeiten für alle an der Bearbeitung von Kinderpornographie beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beauftragt, durchgeführt und inzwischen abgeschlossen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in der Polizei breit diskutiert und auf dieser Grundlage weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgesetzt bzw. initiiert. So wurden beispielsweise Fortbildungsangebote überprüft und aktuell noch bedarfsgerechter ausgestaltet. Ferner wurde auf polizeilicher Bund-Länder Ebene die sogenannte „Hashwerte-Datenbank Pornografische Schriften“ in den Wirkbetrieb genommen, sodass nunmehr aufwachsend, erfasste und relevante Bilder und Videos in einer bundesweiten Datenbank als Hashwerte gespeichert werden, an die auch Datenbanken anderer Bundesländer angeschlossen sind. Auch diese bundesweite Datenbank ist durch niedersächsische Dienststellen abrufbar. An der Entstehung der Datenbank des Bundeskriminalamts hat das Landeskriminalamt Niedersachsen im Rahmen einer Bund-Länder Projektgruppe sowie bei der Pilotierung mitgewirkt. Daneben wurde der Bereich der niedersächsischen Datenverarbeitungsgruppen im Jahr 2016 einer Prüfung durch das Landespolizeipräsidium unterzogen.

Auf dieser Grundlage erfolgte im Rahmen einer Richtlinie des Landeskriminalamts Niedersachsen die Implementierung entsprechender Standards zur Hard- und Softwareausstattung sowie zur Optimierung und Standardisierung von Workflows im Rahmen der Datenaufbereitung, die auch für die Aufbereitung von sichergestellten Datenträgern im Bereich der Bekämpfung der Kinderpornographie relevant sind. In der Gesamtschau ist zu erwarten, dass die dargelegten Maßnahmen zu einer Entlastung der betroffenen Mitarbeiter bei der Auswertetätigkeit beitragen. Der konkrete Personaleinsatz im Geschäftsbereich der niedersächsischen Polizei in einzelnen Arbeitsbereichen des polizeilichen Aufgabenspektrums wird grundsätzlich auf örtlicher Ebene gemessen an den jeweils individuell zu bewältigenden Arbeitsaufkommen festgelegt. Es obliegt insofern den Polizeibehörden, gegebenenfalls auch den nachgeordneten Polizeiinspektionen, durch personalbewirtschaftende Maßnahmen zu gewährleisten, dass Arbeitsmengen, gegebenfalls auch temporäre Arbeitsspitzen sachgerecht zu bewältigen sind. Vorgaben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport gibt es insoweit nicht.

1. Wie lang ist die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Kinderpornographiefällen in Niedersachsen?

Im Geschäftsbereich der Polizei setzt sich die Bearbeitungsdauer in der Regel aus mehreren Ermittlungsschritten zusammen. So beginnt die Bearbeitungsdauer in der Regel mit dem Anlegen der Strafanzeige. Dann folgen polizeiliche Maßnahmen zur Feststellung und Verifizierung eines Beschuldigten und des Opfers. Anschließend werden grundsätzlich weitere strafprozessuale Maßnahmen durch die Polizei bei der Staatsanwaltschaft angeregt. Sofern dieser Anregung gefolgt und zum Beispiel ein Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Gericht erwirkt wird, wird dieser seitens der Polizei vollstreckt. Daran anknüpfend werden die sichergestellten Gegenstände durch die Polizei aufbereitet, gesichtet und bewertet. Sodann folgen grundsätzlich weitere polizeiliche Maßnahmen wie beispielsweise Vernehmungen oder auch erkennungsdienstliche Behandlungen. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wird das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Dort wird gegebenenfalls über weitere Maßnahmen entschieden. Darauf basierend können insbesondere eine Einstellung des Verfahrens, eine Vorbereitung der Hauptverhandlung, Akteneinsicht des Anwaltes oder nicht nur im Einzelfall auch weitere Ermittlungen der Polizei folgen. Dabei wird die gesamte Bearbeitungsdauer in Fällen der Kinderpornographie nicht erfasst. Insgesamt unterliegen sowohl das erfasste Mengengerüst sowie die jeweiligen Bearbeitungsdauern Schwankungen, da vielfach auch aufgrund internationaler Ermittlungskomplexe entsprechende Umfangsverfahren mit niedersächsischer Relevanz generiert und in der Folge bearbeitet werden. Eine entsprechende Auswertung kann nur durch eine Einzelauswertung aller Vorgänge ermittelt werden und wäre mit einem in der Bearbeitungszeit für eine Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung nicht zur Verfügung stehenden Zeit und nicht angemessenen Arbeitsaufwand verbunden, der ohne Zurückstellung der eigentlichen Aufgaben der Polizei nicht möglich ist.

Aus dem staatsanwaltschaftlichen Erfassungssystem ergibt sich für im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. März 2017 neu eingetragene Verfahren ein Mittelwert von 48,77 Tagen. Eine Aussagekraft kommt diesem Mittelwert allerdings nicht zu, da nicht nur die unerledigten Verfahren nicht enthalten sind, sondern darüber hinaus beispielsweise die Dauer der vorangehenden polizeilichen Ermittlungen nur dann einfließt, wenn die Staatsanwaltschaft etwa aufgrund des Erfordernisses bestimmter Ermittlungshandlungen in diesem Stadium bereits beteiligt wurde. Insoweit wird auf den vorangehenden Absatz verwiesen.

Zudem enthält der Mittelwert Verfahren gegen unbekannte Täter sowie Verfahren, die an andere Staatsanwaltschaften, insbesondere die Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornographischer oder sonst jugendgefährdender Schriften in Hannover abgegeben worden sind.

2. Was tut die Landesregierung, um die Ermittlungen in Kinderpornographiefällen beispielsweise durch die Anwendung von Bildanalysesoftware zu erleichtern und zu beschleunigen?

Siehe Vorbemerkungen.

3. Wann werden die zu Kinderpornographieermittlungen eingesetzten Beamtinnen und Beamten personell und/oder durch eine externe Vergabe von Aufträgen entlastet?

Das Niedersächsische Justizministerium und das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport prüfen derzeit, ob im Rahmen einer Pilotierung entsprechende Fremdvergaben im Bereich der Aufbereitung bzw. der Auswertung von Datenträgern in Strafverfahren mit Bezug zur Kinderpornographie - und falls ja, unter welchen Bedingungen - machbar und sinnvoll sein könnten. Dazu haben bereits im vergangenen Jahr sowie letztmalig im Februar 2017 gemeinsame Besprechungen beider Ressorts unter Beteiligung des jeweilig nachgeordneten Geschäftsbereichs stattgefunden. In die Betrachtung wurden auch bereits gewonnene Erkenntnisse anderer Bundesländer einbezogen

Im Übrigen, siehe Vorbemerkungen.

Presseinformation

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erstellt am:
07.04.2017

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