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Beantwortung der Mündl. Anfrage der Grünen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 1. März 2018; Fragestunde Nr. 14

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) wie folgt:

Vorbemerkung des Abgeordneten

Seit dem Jahr 2015 haben Behörden als eine zentrale Maßnahme im Antiterrorkampf die Möglichkeit, einen Ersatzpersonalausweis für Gefährder auszustellen und den deutschen Personalausweis zu entziehen, um eine Ausreise zu verhindern.

Auf die Frage, wie viele sogenannte Gefährder aufgefordert wurden, ihren Personalausweis abzugeben und gegen den Ersatzpersonalausweis für Gefährder einzutauschen, und wie viele der Aufforderung nachgekommen sind, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag (Drucksache 19/387) zu „Präventions- und Deradikalisierungsstrategien mit Blick auf die Rückkehr aus dem sogenannten Islamischen Staat“: „Von den 298 Personen, zu denen nach Kenntnis der Bundesregierung eine Ausreiseuntersagung erlassen worden ist, sind aktuell 138 Personen als Gefährder eingestuft. Von den 110 Personen, die nach einer Ausreiseuntersagung nicht ausgereist sind, sind 32 Personen als Gefährder eingestuft.“ Zur weiteren Begründung verwies die Bundesregierung auf die Zuständigkeit der Länder bei Reisepass- und Personalausweisangelegenheiten. Allerdings verfügen offensichtlich auch die Bundesländer nicht über eine entsprechende Statistik, das jedenfalls erklärte nach Informationen der WELT AM SONNTAG das Innenministerium von Sachsen-Anhalt, das seit 2018 den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernommen hat.

Vorbemerkung der Landesregierung

Rechtsgrundlage für den Entzug des Personalausweises ist § 6a Personalausweisgesetz (PAuswG). Danach kann ein Personalausweis entzogen werden, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass die Ausweisinhaberin oder der Ausweisinhaber

  • einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Strafgesetzbuch oder einer terroristischen Vereinigung nach § 129a in Verbindung mit § 129b Absatz 1 Satz 1 Strafgesetzbuch mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland angehört oder diese unterstützt oder

  • rechtswidrig Gewalt gegen Leib oder Leben als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwendet oder eine solche Gewaltanwendung unterstützt oder vorsätzlich hervorruft oder

  • eine in § 89a des Strafgesetzbuchs beschriebene Handlung vornehmen wird.

    Am 30. Juni 2015 ist das Gesetz zur Änderung des PAuswG, zur Einführung eines Ersatz—Personalausweises und zur Änderung des Passgesetzes in Kraft getreten (BGBl. I 2015, S. 970). Ziel des Gesetzes ist die effektive Verhinderung der Ausreise bestimmter deutscher Staatsangehöriger, in der Regel vor dem Hintergrund der Terrorismusbekämpfung. Die Einstufung als so genannte Gefährder im Bereich der politisch motivierten Kriminalität ist weder eine notwendige noch hinreichende Voraussetzung für den Entzug des Personalausweises und die hieran anknüpfende Ausstellung eines Ersatzpersonalausweises gem. § 6a PAuswG.

    Passbeschränkende oder personalausweisbeschränkende Maßnahmen können dazu beitragen, die Ausreise von Personen zu verhindern, die sich im Ausland terroristischen Vereinigungen anschließen oder sich dort an bewaffneten Kämpfen beteiligen könnten.

    Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus stellt ein globales Phänomen dar und hat zu einer Veränderung der Sicherheitslage in vielen Teilen der Welt geführt. Aus vermeintlich religiösen oder ideologischen Gründen wurden in Deutschland, Europa und dem außereuropäischem Ausland Menschen angegriffen, verletzt oder getötet. Im Zuge des Konfliktes in Syrien und dem Irak ist es in Europa zu einer dynamischen Radikalisierung junger Menschen gekommen, die sich dem so genannten Islamischen Staat angeschlossen haben. Daneben ist die Zahl der Salafisten und Gefährder in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen.

    Vor diesem Hintergrund kommen der Anordnung einer Ausreiseuntersagung und der Entziehung eines Passes oder Personalausweises im Rahmen der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus eine maßgebliche Bedeutung zu.

1. Wie viele sogenannte Gefährder wurden nach Kenntnis der Landesregierung seit Einführung des Ersatzpersonalausweises für Gefährder in Niedersachsen dazu aufgefordert, ihren Personalausweis abzugeben und gegen ein Ersatzdokument auszutauschen, und wie viele sind der Aufforderung nachgekommen (bitte aufgliedern nach Jahren)?

Die Anzahl der Gefährder, denen der Personalausweis entzogen wurde und denen ein Ersatzpersonalausweis ausgestellt wurde ist der nachfolgenden Aufstellung zu entnehmen:

2015: 1

2016: 6

2017: 4

2018: 0

In acht Fällen kamen die betroffenen Personen der entsprechenden Anordnung nach, in zwei weiteren Fällen konnte die Anordnung durch weitere Maßnahmen durchgesetzt werden. In allen Fällen erfolgte einhergehend die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises, dessen Annahme nach vorliegenden Erkenntnissen in drei Fällen verweigert wurde.

2. In wie vielen Fällen ist neben der Aufforderung, den Personalausweis abzugeben, auch eine Anordnung nach § 8 PassG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 10 PassG ergangen, und in wie vielen Fällen wurde betroffenen Personen die Ausreise in das Ausland untersagt (bitte aufschlüsseln)?

In jedem der zu Frage 1 aufgeführten Fälle ist eine Anordnung auf der Grundlage des § 8 Passgesetz (PassG) ergangen. Gleiches gilt für eine entsprechende behördliche Ausreiseuntersagung seitens der zuständigen Pass- und Personalausweisbehörden, die nach § 6a Abs. 2 Satz 1 PAuswG Voraussetzung für die Entziehung des Personalausweises ist. Ausreiseuntersagungen anlässlich eines konkreten Ausreiseversuchs nach § 10 PassG obliegen den für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden, dahingehende Erkenntnisse liegen hier derzeit nicht vor.

3. Aus welchen Gründen hält die Landesregierung dieses Instrument des Antiterrorkampfes für notwendig, sinnvoll und angemessen, auch angesichts der bei Einführung des Instrumentes kritisierten stigmatisierenden Wirkung bei den Betroffenen?

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete auf seiner 7.272. Sitzung die Resolution 2.178, in der er bekräftigte, dass alle Staaten gehalten sind, Bewegungen von Terroristen oder terroristischen Gruppen zu verhindern, indem sie auch wirksame Grenzkontrollen durchführen und die Ausstellung von Identitäts- und Reisedokumenten kontrollieren.

Unter Hinweis auf die Vorbemerkung können passbeschränkende Maßnahmen zur Verhinderung von Ausreisen zur Teilnahme am bewaffneten Kampf in Kriegs- und Krisengebiete beitragen sowie der Unterstützung von terroristischen Organisationen entgegenwirken. Die Ausreiseuntersagung sowie Ausweisbeschränkungen sind geeignet, Personen wirksam an deren Ausreise zu hindern, beispielweise durch Zurückweisung bei Grenz- oder Personenkontrollen an Flughäfen. Faktisch kann verhindert werden, dass sich entsprechende Personen an bewaffneten Konflikten in Kriegs- bzw. Krisengebieten beteiligen, wo sie u. a. einschlägige Straftaten begehen und Menschenleben bedrohen bzw. zerstören oder in diesem Kontext Kampferfahrung sammeln.

Die Kenntlichmachung der Beschränkung der räumlichen Gültigkeit auf dem Personalausweisdokument muss – um effektiv zu sein – in einer unmittelbar kontrollfähigen Art und Weise geschehen.

Die Ausgestaltung des Ersatz-Personalausweises und der darin eingebrachte Vermerk, dass dieser Ersatz-Personalausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt, ermöglichen den für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Personenverkehrs zuständigen Behörden auch aller Schengenstaaten im Rahmen der Sichtkontrolle des Ersatz-Personalausweises, die Ausreisebeschränkung festzustellen und entsprechende Maßnahmen – mangels gültigen Grenzübertrittsdokumentes – nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts zu treffen.

Sämtliche zur Teilhabe am Rechtsverkehr notwendigen personenbezogenen Daten auf dem Ersatz-Personalausweis werden so dargestellt, dass sie nicht auf derselben Seite wie der Ausreisesperrvermerk stehen. Die Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen wurde damit so gering wie möglich gehalten.

Presseinformation

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erstellt am:
01.03.2018

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