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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu türkischen Geheimdiensttätigkeiten

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 7. April 2017; Fragestunde Nr. 6

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns und Rainer Fredermann (CDU) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Imame des türkischen Religionsverbandes DITIB sollen auch in Deutschland auf Aufforderung der türkischen Religionsbehörde Diyanet Listen und Dossiers zu sogenannten Gülen-Anhängern erstellt haben. Hierzu gibt es in mehreren Städten in Deutschland Ermittlungen. Auch im Raum Osnabrück soll eine Liste mit 31 Namen erstellt worden sein.

Nach Deutschland geflüchtete Mitglieder der Gülen-Bewegung berichten, dass ihre Angehörigen in der Türkei unter Druck gesetzt würden und hierbei auch die gegenwärtige genaue Wohnadresse der Geflüchteten in Deutschland genannt werde. Weiterhin soll es gegenwärtig in türkischer Sprache Schilder an den Eingängen der DITIB-Moscheen in Niedersachsen geben, wonach Landesverrätern der Zutritt verboten sei. Mit „Landesverrätern“ sollen hierbei Mitglieder der Gülen-Bewegung gemeint sein.

Der Ministerpräsident offenbarte in einem Schreiben an den niedersächsischen DITIB-Landesverband, dass ein Imam der Braunschweiger DITIB-Moschee zum Verrat von Gülen-Anhängern aufgefordert haben sollen. Nunmehr wurde bekannt, dass der türkische Geheimdienst MIT dem Bundesnachrichtendienst eine Liste mit mehr als 300 Personen und mehr als 200 Vereinen, die der Gülen-Bewegung zuzurechnen seien, übergeben habe. Laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung vom 28. März 2017 seien hiervon in Niedersachsen zehn bis fünfzehn Personen und Einrichtungen betroffen. Innenminister Pistorius warnte diese Personen, in die Türkei einzureisen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Polizei und Verfassungsschutz in Niedersachsen liegen konkrete Hinweise darüber vor, dass in Deutschland lebende türkischstämmige Personen wegen einer tatsächlichen oder möglicherweise auch durch türkische Behörden unterstellten Verbindung zur sogenannten Gü-lenbewegung offenkundig Ziel von Ausforschungsbemühungen des türkischen Geheimdienstes MIT geworden sind. Die Anhänger der nach dem Prediger Fethullah Gülen genannten Bewegung werden von der türkischen Regierung für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich gemacht.

Der Niedersächsische Verfassungsschutz hatte Anfang März 2017 vom Bundesamt für Verfassungsschutz eine Liste mit über 300 Einzelpersonen und über 200 Organisationen, Einrichtungen, Vereinen und Firmen erhalten, die offenbar im Fokus von Ausforschungshandlungen des türkischen Geheimdienstes stehen.

Auffällig an dieser Liste ist, dass teilweise sehr umfangreiche persönliche Daten (sogar Lichtbilder aus Personaldokumenten oder möglicherweise aus Überwachungskameras, Wohnanschriften, Identitätsnummern der türkischen Republik, Telekommunikationsdaten) über Einzelpersonen aufgeführt sind. Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden befürchten, dass die betroffenen Personen bei möglichen Türkeireisen mit erheblichen Nachteilen zu rechnen haben. In den Fällen, in denen die betroffenen Personen von den niedersächsischen Sicherheitsbehörden ermittelt werden konnten, werden Sensibilisierungsgespräche vorgenommen. Diese Gespräche dienen auch dazu festzustellen, ob der türkische Geheimdienst die in der Liste enthaltenen Daten in Deutschland erhoben hat.

Darüber hinaus wird auf die Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 27 (LT-Drs. 17/7350) sowie die Beantwortung der Kleinen Anfrage (LT-Drs. 17/7374) verwiesen.

1. Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang werden türkische Oppositionelle und Mitglieder der Gülen-Bewegung in Niedersachsen durch staatliche türkische Stellen oder Anhänger des türkischen Präsidenten überwacht?

Über den in den Vorbemerkungen genannten Hinweis hinaus sind durch die genannte Liste erstmals konkrete Hinweise auf Ausspähungsaktivitäten des türkischen Geheimdienstes bekannt geworden. Die nunmehr durch den Niedersächsischen Verfassungsschutz sowie das Landeskriminalamt Niedersachsen aufgenommenen Ermittlungen, die sich auch auf die Fragestellung erstrecken, sind noch nicht abgeschlossen.

Das Ergebnis der Ermittlungen kann zu gegebener Zeit im Rahmen einer Unterrichtung im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes oder im Ausschuss für Inneres und Sport vorgetragen werden. Auf der in den Vorbemerkungen genannten Liste befinden sich, nach bisheriger Bewertung und gemeinsamer Überprüfung durch Verfassungsschutz und Landeskriminalamt, elf Einzelpersonen, eine Firma, ein Verein sowie eine Schule aus Niedersachsen.

2. Was tut die Landesregierung, um die Überwachung türkischer Oppositioneller in Niedersachsen zu beenden? Führt sie hierzu Gespräche mit den DITIB-Moscheen?

Die Niedersächsische Landesregierung hat bisher keine substantiellen Anhaltspunkte über den in den Vorbemerkungen genannten Hinweis hinaus auf Ausspähungshandlungen in den niedersächsischen DITIB-Moscheen erhalten. Sollten die Sensibilisierungsgespräche einen entsprechenden Anfangsverdacht ergeben, wären weitere Aufklärungsmaßnahmen durch die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes und/oder grundsätzliche und anlassbezogene Durchführungen von individuell gebotenen gefahrenabwehrrechtlichen bzw. strafprozessualen Maßnahmen durch die Polizeibehörden zu prüfen.

3. Welche konkrete Hilfe bietet die Landesregierung außer Warnungen Personen an, die hier in Niedersachsen von türkischen Stellen oder Anhängern des türkischen Präsidenten überwacht, bespitzelt und/oder bedroht werden?

Zwischen Verfassungsschutz und Landeskriminalamt erfolgt hinsichtlich der Erkenntnisse der Sensibilisierungsgespräche ein enger Austausch. Solange keine akute Gefährdungs-/Bedrohungssituation festgestellt wird, dient grundsätzlich der Verfassungsschutz, für die angesprochenen „Gefährdeten“ der sogenannte Gülen-Liste, als Ansprechpartner.

In Fällen mit akutem Handlungsbedarf bzw. in Gefährdungssituationen erfolgt eine Übernahme des gefahrenabwehrrechtlichen Sachverhaltes durch die Polizeibehörden. Diese Maßnahmen werden vor dem Hintergrund des Einzelfalles getroffen und müssen auf diesen konkret zugeschnitten sein.

Presseinformation

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erstellt am:
07.04.2017

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