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Abschiebepraxis in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 06.06.2008; Fragestunde


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rakow (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordnete hatte gefragt:

In einer Mitteilung vom 27. März 2008 berichtet der Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V. von einer Abschiebung durch die Zentrale Ausländerbehörde in Braunschweig. Der bhutanesische Flüchtling Anup R., für den keine nepalesischen Papiere vorlagen, wurde demnach mit deutschen Passersatzpapieren, ausgestellt vom Landkreis Gifhorn, in Begleitung zweier Mitarbeiter der ZAAB Braunschweig zur Identitätsfeststellung nach Nepal gebracht.

Nach drei Tagen in nepalesischer Haft unter nach Auffassung von Menschenrechtsexperten unwürdigen Bedingungen wurde Anup R. wieder nach Deutschland zurückgeschickt, da die nepalesische Einwanderungsbehörde festgestellt hatte, dass Anup R. nicht die nepalesische Staatsbürgerschaft besitzt.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wer hat dieses Verfahren veranlasst, wie viele ähnlich gelagerte Fälle gab es bisher bzw. sind geplant?
  2. Wie hoch sind die Kosten für diese Aktion, und aus welchem Budget werden sie bezahlt?
  3. Wie ist ein derartig hoher Aufwand zur Durchsetzung von Einzelabschiebungen zu rechtfertigen?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Verschleierung der Identität, das Vorenthalten von Personaldokumenten gegenüber den Ausländerbehörden und die Mitwirkungsverweigerung bei der Passersatzpapierbeschaffung durch ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer ist das häufigste Hindernis bei der Aufenthaltsbeendigung von Personen, deren Ausreisepflicht nach einem negativen Asylverfahren und in einem anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig festgestellt ist und die sich weigern, ihrer Verpflichtung zur Ausreise freiwillig nachzukommen. Die Ausländerbehörden müssen in einem mühsamen, sehr arbeits- und zeitaufwändigen Verfahren die Identität und tatsächliche Herkunft der Ausländer ermitteln.

Zur Identitätsklärung werden von den Ausländerbehörden die von den Ausländerinnen und Ausländern angegeben Personaldaten an die Auslandsvertretung des behaupteten Herkunftsstaates zur Ausstellung von Heimreisedokumenten übermittelt. Ist die Identität nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, werden Botschaftsvorführungen oder Anhörungen durch Experten inländischer Behörden des Herkunftsstaates, die ausschließlich zur Identitätsklärung nach Deutschland einreisen, notwendig. Da ohne Identitätsnachweise und Rückübernahmeerklärung des Herkunftsstaates eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung nicht möglich ist, ergeben sich somit häufig jahrelange Aufenthaltszeiten, in denen die Ausländer geduldet werden müssen.

Im Fall des vermutlich aus Nepal stammenden Anup R. wurden in den vergangenen Jahren mehrere derartiger Verfahren zur Identitätsklärung durchgeführt. Der Ausländer reiste erstmals am 07.05.1996 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde am 21.08.1996 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) abgelehnt.

Mit den vom Ausländer angegeben Personendaten und seinen Angaben zur behaupteten bhutanesischen Herkunft wurde im Jahr 1997 über die deutsche Botschaft in Neu Delhi – Bhutan unterhält in Deutschland keine ständige Vertretung - an die bhutanesischen Behörden ein Antrag zur Prüfung der Identität und Ausstellung eines Heimreisedokuments gerichtet. Die deutsche Botschaft in Neu Delhi hat mit Schreiben vom 06.11.1997 das Überprüfungsergebnis der bhutanesischen Behörden mitgeteilt. Danach handelt es sich bei Anup R. nicht um einen bhutanesischen Staatsangehörigen.

Die Tatsache, dass der Ausländer fließend nepalesisch spricht und seine am 19.02.2001 unter-zeichnete Erklärung, er sei nepalesischer Staatsangehöriger, waren wesentliche Anhaltspunkte für eine vermutete nepalesische Herkunft.

Die nepalesische Botschaft in Berlin erlaubt keine Botschaftsvorführungen zur Feststellung der Identität und stellt auch keine Heimreisedokumente aus. Rückführungen nach Nepal stehen stets unter dem Vorbehalt der Identitätsprüfung durch nepalesische Behörden nach der Ankunft in Nepal. Dazu werden die Personendaten und die hier bekannten Hinweise auf die nepalesische Herkunft rechtzeitig vor dem Rückführungstermin über die deutsche Botschaft in Kathmandu den nepalesischen Behörden übermittelt. Soweit von den nepalesischen Behörden keine Einwände geltend gemacht werden, kann nach den bisherigen Erfahrungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die zur Rückführung angemeldeten Personen auch nach Nepal einreisen dürfen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Rückführung ist von der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Braunschweig (ZAAB BS) veranlasst worden. Die ZAAB BS hat in den vergangenen 3 Jahren 7 Rückführungsflüge mit insgesamt 39 ausreisepflichtigen Nepalesen nach Nepal organisiert. 38 Personen wurden von den nepalesischen Behörden als nepalesische Staatsangehörige identifiziert und durften nach Nepal einreisen. 1 Person (Anup R.) wurde zurückgewiesen. Alle Rückführungen nach Nepal wurden mit Linienflügen durchgeführt.

Zu 2.:

Bisher sind für den Versuch der Rückführung des Anup R. nach Nepal am 11.03.2008 Kosten in Höhe von 2.639,70 € entstanden. Davon 1.813,88 € anteilige Kosten für die Vorführung vor Ort bei den nepalesischen Behörden und 825,82 € für ein Flugticket. Die Kosten für den Rückflug am 15.03.2008 nach Frankfurt/Main sind von der Fluggesellschaft bisher noch nicht in Rechnung gestellt worden.

Zu 3.:

Die entstandenen Kosten, einschließlich der noch zu erwartenden Rechnung für das Rückflugticket bewegen sich im Rahmen dessen, was üblicherweise für Vorführungskosten, Passersatzpapiergebühren und Flugkosten für Einzelabschiebungen mit Linienflügen aufgewändet werden muss. Auf Grund der Verweigerungshaltung der ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländer und ihrer fehlenden Bereitschaft, freiwillig und mit finanzieller Rückkehrhilfe in ihre Heimat zurückzukehren, sind derartige Aufwändungen bei der vom Gesetzgeber auferlegten Pflicht zur Durchsetzung der Ausreisepflicht unvermeidbar. Die Alternative, nur noch diejenigen ausreisepflichtigen Ausländer abzuschieben, die an der Beschaffung von Rückführungsdokumenten pflichtgemäß mitwirken, während diejenigen, die ihre Abschiebung dadurch verhindern, dass sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Identitätsaufklärung nicht nachkommen, in Deutschland bleiben dürften, kommt nicht in Betracht.

Artikel-Informationen

erstellt am:
06.06.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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