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Beantwortung der Mündl. Anfragen der FDP zur Kennzeichnungspflicht der Polizei in Niedersachsen


Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22. Januar 2015; Fragestunde Nr. 3 (Teil 1)

und Nr. 7 (Teil 2)

Innenminister Boris Pistorius beantwortet die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode, Dr. Marco Genthe, Horst Kortlang und Gabriela König (FDP)

Die Abgeordneten hatten gefragt:

In der Koalitionsvereinbarung der Landesregierung wurde vereinbart, eine individualisierte Kennzeichnung der Polizei bei geschlossenen Einsätzen anzustreben und dafür Gespräche mit den Gewerkschaften und Personalvertretungen aufzunehmen.

Wir fragen die Landesregierung:

(Teil 1)

1. Wie viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurden seit 2008 gegen niedersächsische Polizeibeamtinnen und -beamte nach Maßnahmen im Rahmen von geschlossenen Einsätzen geführt?

2. In wie vielen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seit 2008 waren dabei niedersächsische Polizeibeamtinnen und -beamte nicht identifizierbar?

3. Wie beurteilt die Landesregierung diese Zahlen?

(Teil 2)

4. Wie bewertet die Landesregierung den aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn resultierenden Schutz der Privatsphäre der Polizeibeamtinnen und -beamten vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die jederzeitige Identifizierung des Polizeibeamten dem Gegenüber die Ermittlung der Privatanschrift der betroffenen Beamtin oder des Beamten erleichtert mit der Folge, dass Repressalien nicht nur gegen ihn selbst, sondern auch gegen Angehörige oder sein Eigentum erfolgen können?

5. Wie haben sich die Personal- und Berufsvertretungen der Polizei in Niedersachsen zu der Thematik geäußert?

6. Würde die Landesregierung auch ohne Einigung mit den Gewerkschaften und Personalvertretungen eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht einführen?

Innenminister Boris Pistorius beantwortet namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

(Teil 1)

Das Thema „individualisierte, anonymisierte Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Poli-zeibeamten bei geschlossenen Einsätzen“ wird zurzeit intensiv diskutiert.

Im Innenministerium findet vor dem Hintergrund unterschiedlicher Standpunkte und Bewer-tungen zu diesem Thema eine gründliche Prüfung statt, um alle relevanten Aspekte im Vor-feld abwägen zu können.

Hierzu wurde im September letzten Jahres bei den Polizeibehörden eine Abfrage dazu durchgeführt. Erhoben wurden Vorfälle mit disziplinar- oder strafrechtlich relevantem Verhalten bei geschlossenen Einsätzen, die angezeigt wurden, aber nicht verfolgt werden konnten, weil die Polizeibeamtin oder der Polizeibeamte als Verursacher/in nicht identifizierbar war. Unter dem Begriff „geschlossene Einsätze“ waren Einsätze der geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei inklusive der Aufrufeinheiten der „Landeseinsatzorganisation Leine“ gefasst.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung auf der Grundlage der Berichterstattung wie folgt:

Zu 1:

Übersichten über strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen niedersächsische Polizeibeam-tinnen und Polizeibeamte nach Maßnahmen im Rahmen von geschlossen Einsätzen werden bei den Polizeibehörden nicht geführt. Die abgefragte Information müsste jeweils im Einzel-nen aufwändig durch Akteneinsicht erhoben werden. Der hierfür erforderliche Arbeitsaufwand war in der Kürze der für die Bearbeitung einer Mündlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar.

Justizielle Statistiken zu Ermittlungsverfahren gegen niedersächsische Polizeibeamtinnen und -beamte nach Maßnahmen im Rahmen von geschlossenen Einsätzen liegen nicht vor.

Die Staatsanwaltschaften erfassen seit dem 1. Januar 2009 lediglich dort bearbeitete Ermitt-lungsverfahren gegen Polizeibedienstete in Ausübung des Dienstes hinsichtlich bestimmter Deliktsgruppen (wie z. B. Gewaltausübung oder Missbrauch des Amtes).

Danach ergeben sich für die Jahre 2009 bis 2013 folgende Zahlen:

Gesamt 2009 2010 2011 2012 2013

Neuzugänge 164 181 344 377 433

erledigte Verfahren, davon n.e.* 166 294 348 421

- Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO n.e.* 135 255 330 374

*n.e. - nicht erhoben

Statistische Angaben zu den in der Anfrage bezeichneten geschlossenen Einsätzen sind darin jedoch ebenfalls nicht enthalten.

Zu 2:

Die in den Vorbemerkungen erwähnte Behördenabfrage ergab folgendes Bild:

Die Polizeidirektion Lüneburg teilte mit, dass im Rahmen der Castor-Einsätze 2008, 2010 und 2011 gegen Polizeibeamte insgesamt 16 Strafanzeigen gefertigt wurden, ohne dass hier die Beschuldigten ermittelt werden konnten:

2008: 1 Verfahren

2010: 7 Verfahren

2011: 8 Verfahren

Die überwiegende Mehrzahl der Anzeigeerstatter konnte die jeweils beschuldigten Polizeibe-amtinnen und -beamten keinem Bundesland zuordnen. Vier der Verfahren richteten sich ge-gen niedersächsische Beamtinnen oder Beamte. Die Verfahren wurden gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, d. h. es lag kein hinreichender Tatverdacht vor.

Bei der Polizeidirektion Osnabrück war für das Jahr 2009 einem Mitarbeiter eine Strafanzeige gegen einen Polizeibeamten nach einer NPD-Demonstration erinnerlich.

Die übrigen Polizeibehörden meldeten Fehlanzeige, entsprechende Vorgänge konnten nicht ermittelt werden.

Zu 3:

Die Anzahl von insgesamt 17 Strafverfahren in drei Kalenderjahren ist in Relation zu der Häufigkeit der Einsätze, den Anlässen und der Vielzahl der in geschlossenen Einheiten eingesetzten Beamtinnen und Beamten in zum Teil konfliktbelasteten Einsatzsituationen zu betrachten.

Obwohl unter diesen Aspekten die Anzahl vergleichsweise äußerst gering ist, liegt es sowohl im Interesse der Landesregierung als auch der Polizei Niedersachsen selbst, die den Strafanzeigen zugrunde liegenden Sachverhalte vollständig aufzuklären, sowohl im Hinblick auf den Strafanspruch des Staates als auch im Hinblick auf eine Entlastung von zu Unrecht beschuldigten Beamtinnen und Beamten.

(Teil 2)

Das Thema „individualisierte, anonymisierte Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei geschlossenen Einsätzen“ wird zurzeit intensiv diskutiert.

Im Innenministerium findet vor dem Hintergrund unterschiedlicher Standpunkte und Bewertungen zu diesem Thema eine gründliche Prüfung statt, um alle relevanten Aspekte vor einer Entscheidung abwägen zu können.

Zum Beispiel gab es im vergangenen Jahr ein Gespräch mit Vertretern der Gewerkschaften, Berufsvertretungen und der Personalvertretung, bei dem sich die Beschäftigtenvertreter einhellig gegen die Einführung einer individualisierten anonymisierten Kennzeichnung aussprachen. Die im Gespräch erhaltenen Informationen und Eindrücke werden eine wichtige Grundlage für die abschließende Entscheidung sein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 4.:

Die Beamtinnen und Beamten haben gegenüber ihrem Dienstherrn einen Anspruch auf Fürsorge und Schutz. Dieser Anspruch resultiert aus dem zwischen Beamtinnen bzw. Beamten und Dienstherrn bestehenden Dienst- und Treueverhältnis und ist in § 45 Beamtenstatusgesetz geregelt. Der niedersächsischen Landesregierung sind Fürsorge und Schutz der Beamtinnen und Beamten der Polizei ein besonderes Anliegen.

Der Annahme der Fragenden, dass eine individualisierte Kennzeichnung eine „jederzeitige Identifizierung des Polizeibeamten“ ermögliche, ist nicht korrekt. Eine Anonymisierung schlösse eine Identifizierung der Beschäftigten durch Dritte explizit aus und würde so den Schutz der Privatsphäre der Betroffenen sicherstellen.

Die Fürsorgepflicht stünde einer Einführung der anonymisierten Kennzeichnungspflicht somit nicht entgegen: ihr wäre durch die Anonymisierung in besonderem Maße entsprochen. Im Einzelfall könnte eine anonymisierte Kennzeichnung sogar aus Fürsorgegründen sinnvoll sein, um ungerechtfertigte Vorwürfe wirksam zu entkräften und einzelne Beamtinnen und Beamte nicht einem Generalverdacht auszusetzen.

Zu 5.:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 6.:

Die Frage kann erst nach Abschluss des Entscheidungsprozesses beantw
Presseinformation

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erstellt am:
22.01.2015

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