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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zur Medizinischen Versorgung von Flüchtlingen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24. Oktober 2014; Fragestunde Nr. 11 Innenminister Boris Pistorius beantwortet die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Heidemarie Mundlos, Frank Oesterhelweg und Reinhold Hilbers (CDU)


Die Abgeordneten hatten gefragt:

Die Braunschweiger Zeitung berichtete am 10. Oktober 2014 unter der Überschrift „Die Angst vor Ebola wächst“, dass ein kranker Mann aus Eritrea, der mit hohem Fieber in einem Flüchtlingshaus in Cremlingen lag, mehrere Stunden auf seine Behandlung warten musste. Sowohl die Rettungssanitäter als auch der später hinzugekommene Amtsarzt hätten sich geweigert, das Haus zu betreten, weil sie eine Ansteckung mit Ebola befürchteten. Erst nach drei Stunden konnten nach Hinzuziehung eines Dolmetschers die Krankenvorgeschichte überprüft und ein begründeter Ebola-Verdacht ausgeschlossen werden. Daraufhin sei der Mann schließlich mit dem Krankenwagen nach Wolfenbüttel in die Klinik gebracht worden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um Mitarbeiter, Mitbewohner und Nachbarn in Flüchtlingshäusern und in Landesaufnahmestellen vor Ansteckung mit Ebola zu schützen, bei Verdachtsfällen schnellstmöglich präventive Vorkehrungen zu treffen und insbesondere bei Aufnahme von erkrankten Flüchtlingen bei Nacht oder am Wochenende sicherzustellen, dass umgehend eine Feststellung der vorliegenden Erkrankung und eine ärztliche Versorgung ohne unzumutbare Zeitverzögerung erfolgten und bei Bedarf die Kontaktpersonen umfassend und schnell ermittelt werden können?

2. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass bei Zugängen bei Nacht oder am Wochenende die sprachliche Verständigung u. a. zur schnellen Ermittlung einer Krankenvorgeschichte gewährleistet ist?

3. Wie viele Quarantänestationen- bzw. Notfallbetten können bei Bedarf wo zum Einsatz kommen, um sowohl Flüchtlinge als auch Mitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften, in Landesaufnahmeeinrichtungen, das medizinische Personal und die ansässige Bevölkerung optimal medizinisch zu versorgen bzw. vor weiteren Ansteckungen zu schützen?

Der Ebolafieber-Ausbruch in Westafrika, der Ende Dezember 2013 in Guinea begonnen hat, hat sich seither auch nach Liberia, Sierra Leone, Nigeria (Lagos und Port Harcourt) und Senegal (eine aus Guinea eingereiste Person) verbreitet. Es handelt sich um den bisher größten Ebolafieber-Ausbruch, bei dem auch erstmals Fälle in größeren Städten und in Städten mit Flughafen aufgetreten sind. Zudem sind zum ersten Mal drei Länder betroffen, in denen Erkrankungen in vielen oder fast allen Provinzen auftreten. Für Anfang Dezember rechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit mit 5 000 bis 10 000 neuen Ebola-Fällen pro Woche.

Im Zusammenhang mit dem Ausbruch in Westafrika sind auch Erkrankte in Ländern außerhalb Afrikas festgestellt worden. Es handelt sich um einen Liberianer, der am 20. September 2014 in die USA, nach Dallas, gereist ist. Das hat das amerikanische „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) mitgeteilt. Der Erkrankte hat erst vier Tage nach seiner Einreise in Dallas Symptome entwickelt. Im Zusammenhang mit der Behandlung dieses Erkrankungsfalles sind nun zwei Pflegekräfte ebenfalls an Ebola erkrankt. Wie es zu diesen Ansteckungen kam, ist Gegenstand laufender Untersuchungen. Auch in Spanien ist unter dem Medizinpersonal eine Person an Ebolafieber erkrankt, die zuvor einen Ebolafieberpatienten gepflegt hat, der sich in Westafrika angesteckt hatte und nach Spanien zurückgebracht worden war.

Deutschland ist auf die Behandlung von Personen, die an Ebolafieber erkrankt sind, umfassend vorbereitet. Es gibt ein Netzwerk von Sonderisolierstationen, die sowohl von der medizinischen Expertise als auch von den technischen Voraussetzungen für die Behandlung solcher Erkrankungen ausgelegt sind. Das dortige Personal ist für diese Situation speziell ausgebildet und trainiert regelmäßig die Versorgung von Patientinnen und Patienten unter Isolationsbedingungen. Bislang wurden drei Patienten in Hamburg, Frankfurt und Leipzig behandelt, die zuvor als Helfer in Westafrika im Einsatz waren. Der Patient in Hamburg konnte gesund entlassen werden, der Patient aus Leipzig ist leider seiner Krankheit erlegen.

Auf der Grundlage eines Länderabkommens steht Niedersachsen das Behandlungszentrum für lebensbedrohliche hochkontagiöse Infektionskrankheiten in der Bernhard-Nocht-Klinik für Tropenmedizin (BZHI) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf für die Absonderung und weitere Behandlung kranker oder krankheitsverdächtiger Personen zur Verfügung. Im Fall einer Nutzung des BZHI gewährleistet die Feuerwehr Hamburg gegen Kostenerstattung die Infektionstransporte durch den Einsatz von Infektionsrettungswagen einschließlich des rettungsdienstlichen und medizinischen Personals. Mit dem Abkommen erfüllt das Land die sich aus § 30 Absatz 6 Infektionsschutzgesetz ergebende Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel zur sogenannten Absonderung von an Ebolafieber Erkrankten und Krankheitsverdächtigen zur Verfügung stehen.

In Niedersachsen sind die Landkreise und kreisfreien Städte für das seuchenhygienische Management vor Ort zuständig und sollten sofort über einen begründeten Verdachtsfall informiert werden. Die kommunalen Gesundheitsämter werden durch die 24-stündige Rufbereitschaft des Zentrums für Gesundheits- und Infektionsschutz (ZGI) am Niedersächsischen Landesgesundheitsamt unterstützt. Falls in Niedersachsen ein begründeter Verdachtsfall auftreten sollte, wird entsprechend dem Infektionsalarmplan des Landes vorgegangen. Dieser Plan gewährleistet im Akutfall ein rasches, koordiniertes und fachlich fundiertes Reagieren der Gesundheitsbehörden unter Beachtung der jeweiligen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Er enthält fachliche Empfehlungen für das Management von Krankheitsfällen, insbesondere für das sog. Containment (Eindämmung). Containment bezeichnet die Maßnahmen mit dem Ziel, die Ausbreitung einer Infektion zu verhindern, u. a. durch Erkennen von Infektionen und primären Übertragungen sowie Maßnahmen, um Infektionsketten und Ausbrüche zu unterbinden, insbesondere durch konsequente Rückverfolgung, Absonderung und Behandlung von Kontaktpersonen.

Das Ebola-Virus wird von Mensch zu Mensch durch engen und direkten Körperkontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten übertragen. Das höchste Infektionsrisiko besteht durch Blut, Stuhl und Erbrochenem. Die Ansteckungsgefahr, die von Erkrankten für andere Personen ausgeht, steigt mit der Schwere der Erkrankung.

Wenngleich in einem solchen Fall das Virus leicht übertragbar ist, daher als hochkontagiös bezeichnet wird und bei der Behandlung von Ebola-Erkrankten hochwirksame Schutzmaßnahmen eingehalten werden müssen, sind für die Krankheitskontrolle zwei Eigenschaften wesentlich:

1. Das Virus wird erst bei Auftreten von Krankheitssymptomen übertragen, diese treten im Mittel nach etwa acht bis zehn Tagen und maximal 21 Tagen nach Ansteckung auf und

2. das Virus wird nicht über die Luft übertragen. Bei einem Abstand von mehr als einem Meter von einer erkrankten Person ist eine Übertragung der Ebola-Viren sehr unwahrscheinlich.

Somit kann die Ausbreitung verhindert werden, wenn ein Erkrankungsfall frühzeitig erkannt und isoliert wird und wie oben beschrieben ein Containment durchgeführt wird. Im Gegensatz zu früheren Ebola-Ausbrüchen wurde dieses Management im aktuellen Ausbruch in Westafrika aus unterschiedlichen Gründen nicht durchgeführt. Der Umgang mit schwer Erkrankten und Toten ist entscheidend für die Ausbreitung.

Für Deutschland hat das Robert Koch-Institut für Ärztinnen und Ärzte eine Hilfestellung herausgegeben, die Kriterien vorgibt, wann es sich bei einer erkrankten Person um einen „begründeten Verdachtsfall“ handelt. Da die definitive Abklärung, ob es sich um einen „begründeten Verdachtsfall“ handelt, auch unter optimalen Bedingungen mehrere Stunden dauern kann, sind alle Institutionen der medizinischen Versorgung aufgerufen, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, um betroffene Personen in der Abklärungsphase vorübergehend angemessen versorgen zu können. Entscheidend für die Einteilung ist bei Vorliegen von Symptomen (wie Fieber) die Vorgeschichte und ob es in den letzten 21 Tagen überhaupt ungeschützten Kontakt zu an Ebola Erkrankten oder Verstorbenen gegeben hat.

Das Robert Koch-Institut und das Landesgesundheitsamt stellen sowohl für die Bevölkerung als auch für das medizinische Personal regelmäßig aktualisierte Informationen zur Verfügung. Unter anderem wird auch im Niedersächsischen Ärzteblatt und im Mitteilungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung über das aktuelle Geschehen informiert.

Wenngleich Einzelfälle aus betroffenen Gebieten und auch vereinzelte Ansteckungen nicht ausgeschlossen werden können, ist mit einer massiven Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung in Deutschland nicht zu rechnen. So sind im oben genannten Ausbruchsgeschehen in Nigeria seit Mitte September 2014 nach konsequentem Fallmanagement keine Fälle mehr beobachtet worden, so dass die WHO am 20. Oktober 2014 den Ausbruch in Nigeria für beendet erklären konnte. Entscheidend ist das infektionshygienische Management beim Umgang mit Erkrankten und Verstorbenen. Nach Ansicht der WHO ist dies der Schlüssel zum Erfolg auch für Westafrika.

Das Risiko, dass Reisende die Krankheit nach Deutschland oder Europa mitbringen, ist gering. Es ist bisher nicht beobachtet worden, dass Ebolafieber-Erkrankungen durch Flüchtlinge nach Europa getragen worden sind, obwohl der derzeitige Ausbruch in Westafrika schon seit Anfang 2014 fortschreitet.

Die bereits gegründete „Strategiegruppe Ebola“ hat Vorsorgemaßnahmen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes getroffen. Um Beschäftigte und Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu schützen, wird ressortübergreifend zusammengearbeitet. Der bereits von den Infektionsschutzexperten des MS und des NLGA entwickelte Maßnahmenkatalog hat zum Ziel, Erkrankte frühzeitig zu entdecken und zu separieren. Hierzu wurden unter anderem in den drei Erstaufnahmeeinrichtungen Räume zur Separierung von potentiellen Verdachtsfällen eingerichtet. Die Vorsorgemaßnahmen der Strategiegruppe beinhalten auch Lösungen zur Überwindung von Sprachbarrieren. Für das Management ist entscheidend, das richtige Maß zu finden, das neben dem Sicherheitsbedürfnis auch der tatsächlichen Risikoeinschätzung und der praktischen Umsetzbarkeit von Maßnahmen angemessen Rechnung trägt.

Im Übrigen geben nach Informationen der Landesregierung die Schilderungen in dem zitierten Bericht der Braunschweiger Zeitung vom 10. Oktober 2014 den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse nicht zutreffend wieder. Nach Auskunft des Landkreises Wolfenbüttel musste der Patient weder stundenlang auf eine Behandlung warten noch weigerten sich das Rettungsdienstpersonal oder der hinzugezogene Amtsarzt des Landkreises Wolfenbüttel, das Haus zu betreten. Die Landesregierung geht nach den vorliegenden Informationen von einer angemessenen Reaktion der beteiligten Stellen aus. Der Erstverdacht auf eine Infektion mit Ebola konnte letztlich zeitnah ausgeräumt werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2.:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 3:

Die Behandlung von Personen, die an Ebolafieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Quarantänestationen oder Notfallbetten in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes ist nicht vorgesehen. In Deutschland erfolgt die Behandlung an den Kompetenz- und Behandlungszentren, die auf den Umgang mit hochkontagiösen, lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten wie Ebola spezialisiert sind. Insoweit wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Können kranke oder krankheitsverdächtige Personen nicht in das Behandlungszentrum für lebensbedrohliche hochkontagiöse Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf aufgenommen werden, so sind Absonderungsmaßnahmen entsprechend den vom Robert Koch-Institut erstellten Grundsätzen über die Pflege und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit hochkontagiösen Erkrankungen im regulären Krankenhaus durchzuführen. In diesem Fall wird eine besondere Isolierpflege und -behandlung erforderlich.

Im Übrigen soll durch die in den Vorbemerkungen dargestellten Empfehlungen für das Management von Krankheitsfällen sichergestellt werden, dass eine Weiterverbreitung der Krankheit wirksam verhindert werden kann. Ergibt sich bei einem Vorverdachtsfall im Zuge von weiteren Ermittlungen ein begründeter Krankheitsverdacht oder wird die Erkrankung an Ebolafieber durch weitergehende Untersuchungen (z. B. klinische Befunde, Laborergebnisse) bestätigt, so greifen die in der Vorbemerkung beschriebenen, nach dem Infektionsschutzgesetz sowie dem Infektionsalarmplan des Landes Niedersachsen vorgesehenen Meldewege und Infektionsschutzmaßnahmen, die insbesondere eine Absonderung der Patientin oder des Patienten auf einer Sonderisolierstation sowie die Beobachtung und ggf. Isolierung der Kontaktpersonen umfassen.

Presseinformation

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erstellt am:
24.10.2014

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