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Visafreiheit für türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24.07.2014; TOP 31 Rede von Innenminister Boris Pistorius zum Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen


Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte zunächst besonders einen Punkt hervorheben, der in dem Entschließungsantrag erwähnt wird. Die damalige EWG und die Türkei haben bereits im Jahr 1963, also vor über 50 Jahren, ein Assoziierungsabkommen geschlossen. Es eröffnet der Türkei unter anderem die Möglichkeit eines späteren Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum.

Dazu ist es zwar bis heute nicht gekommen. Es wurde aber zumindest im Laufe der Jahre damit begonnen, die Freizügigkeit schrittweise herzustellen. Die hierfür maßgeblichen Regeln wurden in verschiedenen Abkommen und Beschlüssen festgelegt. Dazu gehört auch eine sogenannte Stillhalteklausel. Sie verbietet die Einführung aufenthaltsrechtlicher Verschlechterungen für türkische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien.

Das nur vorweg, weil es in der öffentlichen Debatte über einen EU-Beitritt der Türkei regelmäßig vergessen wird.

Die Themen Visapolitik und Visafreiheit, jedenfalls was die Türkei angeht, sind gerade im Kontext des europäisch-türkischen Assoziationsrechts zu sehen.

So hat sich der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach mit der Frage befasst, ob die 1980 in Deutschland eingeführte Visapflicht gegen die bereits seit Anfang der 70er Jahre bestehende Stillhalteklausel verstößt. Er hat dazu differenzierte Antworten gefunden. Ganz aktuell hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Sprachtests beim Ehegattennachzug, die 2007 eingeführt wurden, gegen eben dieses Verschlechterungsverbot verstoßen.

Deutschland hat keine eigene Regelungskompetenz im Visarecht. Es obliegt vielmehr der EU, diesen Bereich auszugestalten, soweit es wie im Entschließungsantrag um maximal dreimonatige Kurzaufenthalte geht.

Deutschland kann aber seinen Einfluss auf der EU-Ebene geltend machen. Ich würde das sehr begrüßen.

Es gibt von der türkischen Seite schließlich immer wieder Kritik an der Visumpraxis der deutschen Vertretungen in der Türkei. Diese sind – wie Sie wissen – dem Auswärtigen Amt unterstellt. So sollen etwa Visa trotz Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nicht erteilt werden, weil die Rückkehrbereitschaft angezweifelt werde.

Außerdem empfinden die Betroffenen die Unannehmlichkeiten, die mit der Visumpflicht an sich verbunden sind, auch deshalb als ungerecht, weil die Türkei deutschen Staatsgehörigen die visumfreie Einreise ermöglicht.

Ich glaube, dass unsere Praxis hier falsche Signale sendet. Die EU, Deutschland und auch wir in Niedersachsen profitieren von den partnerschaftlichen Beziehungen, die wir mit der Türkei pflegen. Das wird in dem Entschließungsantrag bereits zutreffend dargestellt.

Ich begrüße es deshalb, dass sich bei diesem Thema schon heute etwas auf europäischer Ebene bewegt. Unabhängig von den Beitrittsverhandlungen hat die EU nämlich Ende letzten Jahres mit der Türkei ein Rückübernahmeabkommen unterzeichnet und im Gegenzug den Dialog über eine Visa-Liberalisierung eröffnet. Die Verhandlungen haben das Ziel, die Visapflicht abzuschaffen. Die EU-Kommission hat dazu einen Fahrplan erstellt, der alle Anforderungen auflistet, die von der Türkei vor einer Visa-Liberalisierung erfüllt werden sollen.

Wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, müssen noch das Europäische Parlament und der Europäische Rat dieser Liberalisierung zustimmen.

Die Landesregierung unterstützt diesen Prozess. Wir halten aber auch Maßnahmen auf europäischer Ebene unterhalb einer Abschaffung der Visapflicht für erforderlich. Ich freue mich daher über den vorliegenden Antrag.

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erstellt am:
24.07.2014

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