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Zulassung der Mehrstaatigkeit und Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht

Rede des Niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius in der Sitzung des Bundesrates am 07.06.2013 TOP 97


Sehr geehrte Damen und Herren,

das Land Niedersachsen unterstützt den Gesetzesantrag von Baden-Württemberg zur Abschaffung der so genannten Optionsregelung. Der Bundesrat und der Bundestag haben sich mit dem Thema Mehrstaatigkeit und Optionsverfahren im Staatsangehörigkeitsrecht in der Vergangenheit bereits mehrfach beschäftigt. Gute Lösungen für die Betroffenen sind jedoch regelmäßig an CDU und FDP gescheitert, zuletzt am Mittwoch im Bundestag in namentlicher Abstimmung.

Die Probleme müssen aber gelöst werden, da die Situation für die Betroffenen unzumutbar ist. Denn die bisherige Gesetzeslage hat dazu geführt, dass junge Menschen mit der Vollendung ihres 23. Lebensjahres die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, weil sie nicht oder nicht rechtzeitig ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben haben. Und ihre Zahl wird weiter steigen.

Aber woher kommt gerade heute der Handlungsdruck? Welche Menschen sind betroffen? Die Problematik geht zurück auf die Gesetzesänderung im Jahre 2000. Damals haben wir die heute Betroffenen eingebürgert, als sie noch keine 10 Jahre alt waren. Dabei haben wir hingenommen, dass sie mehreren Staaten angehören. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres sollten sie sich dann entscheiden, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit behalten möchten. Anschließend mussten sie bis zum 23. Lebensjahr nachweisen, dass sie ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben haben. Wenn sie dies nicht getan haben oder tun konnten und auch keine Genehmigung hatten, beide Staatsangehörigkeiten beibehalten zu dürfen, haben sie automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren.

Diese jungen Menschen sind hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, sind in der Ausbildung oder im Studium. Der einzige Grund, der dazu führt, dass sie mit 23 Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, ist der im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht verankerte Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Dieser Grundsatz muss jedoch modifiziert werden, um die unzumutbare Situation für diese jungen Menschen zu beenden. Ich habe mich immer schon gefragt, wieso dieser Grundsatz gerade in der Frage des Optionsverfahrens so hoch gehalten wird, schließlich zeigt allein schon die Praxis, dass er immer mehr an Bedeutung verloren hat. Aber auch das Staatsangehörigkeitsrecht sieht bereits heute bei der Einbürgerung von Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union und der Schweiz die Hinnahme von Mehrstaatigkeit vor. Darüber hinaus wird bei der Einbürgerung von Staatsangehörigen bestimmter Staaten, die eine Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit rechtlich oder tatsächlich nicht zulassen, Mehrstaatigkeit in Kauf genommen.

Auch wenn für den Betroffenen im Einzelfall eine Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit unzumutbar ist, wird darauf verzichtet und sie werden unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert. Letztendlich erfolgt heute bereits in etwa der Hälfte der Fälle eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Darüber hinaus gibt es noch andere Konstellationen, bei denen das derzeitige Recht Mehrstaatigkeit zulässt. So zum Beispiel bei Kindern aus gemischt nationalen Partnerschaften, bei denen die ausländische und die deutsche Staatsangehörigkeit von dem jeweiligen Elternteil durch Abstammung erworben wird. Diese Kinder müssen sich auch später nicht für die eine oder andere Staatsangehörigkeit entscheiden – im Gegensatz zu den Kindern ausländischer Eltern, die im Rahmen der Optionsregelung neben der ausländischen zwar auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, die dann aber mit Erreichen der Volljährigkeit aufgefordert werden, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden.

Mit dieser Ungleichbehandlung soll jetzt durch die generelle Zulassung von Mehrstaatigkeit und der damit einhergehenden Abschaffung des Optionsverfahrens Schluss sein. Wir wollen erreichen, dass Ausländer, die sich gern in Deutschland einbürgern lassen wollen, nicht mehr verpflichtet werden, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben. Junge Erwachsene, die hier als Kinder eingebürgert wurden oder die seit 2000 als hier geborene Kinder ausländischer Eltern neben der ausländischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, sollen sich nicht mehr zwischen der Staatsangehörigkeit des Landes, in dem sie aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, dessen Sprache sie sprechen, wo sie Freunde haben und zu Hause sind und der Staatsangehörigkeit ihrer Familie, Eltern und Großeltern entscheiden müssen. Deutsche, die eine andere Staatsangehörigkeit erwerben möchten, sollen mit dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht mehr automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.

Ziel der Gesetzesänderung ist, niemanden mehr zu zwingen, sich zwischen der Staatsangehörigkeit des Landes, in dem man lebt und seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat und der Staatsangehörigkeit des Landes, aus dem die Familie stammt und in dem die kulturellen Wurzel liegen, entscheiden zu müssen.

Die Integrationder dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebenden Zuwanderer ist für die Zukunft unseres Landes von größter Bedeutung. Kein Staat kann es sich auf Dauer leisten, dass ein zahlenmäßig bedeutender Teil seiner Bürger über Generationen hinweg außerhalb der staatlichen Gemeinschaft steht. Durch die Hinnahme von Mehrstaatigkeit wollen wir langjährig rechtmäßig hier lebende Ausländerinnen und Ausländer motivieren, über die Einbürgerung die Chance der vollen gesellschaftlichen und politischen Teilhabe zu nutzen.

Denn häufig wird von den Betroffenen als Grund, keinen Einbürgerungsantrag zu stellen, die Pflicht zur Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit genannt.

Wir wollen jungen Menschen, die jetzt noch optionspflichtig sind, dauerhaft die deutsche Staatsangehörigkeit belassen, auch wenn sie die daneben bestehende ausländische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben möchten. Und wir wollen für die jungen Erwachsenen, die als die ersten Optionspflichtigen mit Vollendung des 23. Lebensjahres unter Umständen die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, einen Wiedereinbürgerungsanspruch schaffen. Sie sollen nicht schlechter gestellt werden gegenüber den Optionspflichtigen, die künftig von der Neuregelung im Staatsangehörigkeitsrecht profitieren werden.

Vielen Dank.

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erstellt am:
07.06.2013

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