Wie beurteilt die Landesregierung den Anstieg der Asylbewerberzahlen aus der Russischen Föderation?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 29.08.2013; Fragestunde Nr. 18
Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ansgar Focke (CDU).
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Die Statistik der Asylerstanträge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge weist für den Monat Juni 2013 insgesamt 8.408 Anträge auf. Dies ist eine Steigerung von 74 % im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Hauptherkunftsland der Asylbewerber ist seit Kurzem die Russische Föderation. Die Zahl der Asylbewerber aus der Russischen Föderation hat sich innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. Stammten im März 2013 noch 1.004 Flüchtlinge von dort, waren es im April 2013 2.055 Personen und im Mai 2013 bereits 2.502 Personen, die in Deutschland Asyl beantragten. Die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe aus Syrien kam im Mai 2013 auf lediglich 728 Anträge.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 6. August 2013, dass die Flüchtlinge zu 90 % aus der autonomen Republik Tschetschenien stammten. Die Online-Ausgabe des Spiegels zitiert am 17. Juli 2013 Gerüchte in Tschetschenien, wonach Deutschland jedem tschetschenischen Flüchtling 4.000 Euro und etwas Land gebe.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat am 8. August 2013 eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der er erklärt, die Flucht tschetschenischer Flüchtlinge nach Deutschland sei zum einen in der Situation in Tschetschenien begründet, zum anderen in der Behandlung dieser Flüchtlinge durch andere osteuropäische Staaten, insbesondere Polen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie beurteilt die Landesregierung den aktuellen Anstieg der Asylbewerberzahlen, insbesondere aus der Russischen Föderation, und die Gerüchte um Prämien in Deutschland?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die Gründe der Asylbewerber aus der Russischen Föderation zur Flucht nach Deutschland?
3. Trifft die Landesregierung besondere Maßnahmen zur Integration und Teilhabe der aus der Russischen Föderation stammenden Flüchtlinge?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Asylzugänge sind im Vergleich zu den Vorjahren angestiegen. Nach Angaben des für die Durchführung der Asylverfahren und die Asylverfahrensstatistik gesetzlich zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden von Januar bis einschließlich Juli 2013 in Deutschland 52.754 Asylerstanträge gestellt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 27.760 Asylerstanträge. Diese Zugangszahlen liegen deutlich unter den Zugangszahlen Mitte der 90er-Jahre, so z.B. aus 1995 mit insgesamt 438.191 Erst- und Folgeanträgen.
Es trifft zu, dass die Russische Förderation mittlerweile in Deutschland und somit auch in Niedersachsen vor Syrien das mit Abstand zugangsstärkste Herkunftsland ist. Waren in Niedersachsen im Jahr 2012 insgesamt 235 Erstanträge von Asylsuchenden aus der Russischen Förderation zu verzeichnen, so liegt die Zahl bis Ende Juli 2013 bei 1.178 Erstanträgen.
Die Durchführung von Asylverfahren und die Entscheidung über Asylanträge obliegen ausschließlich dem Bund, hier dem BAMF. Der Landesregierung liegen daher keine gesicherten Feststellungen darüber vor, aus welchen Teilrepubliken die aus der Russischen Förderation nach Deutschland einreisenden Asylsuchenden stammen und aus welchen Motiven heraus sie nach Deutschland eingereist sind.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Darstellung, dass es sich bei den Asylsuchenden hauptsächlich um tschetschenische Volkszugehörige handelt, die in dem Glauben nach Deutschland einreisen, es werden Begrüßungsgelder in beträchtlicher Höhe gezahlt und ihnen Land zur Verfügung gestellt, basiert im Wesentlichen auf Veröffentlichungen in den Medien, die von der Niedersächsischen Landesregierung nicht bestätigt und demzufolge auch nicht beurteilt werden können.
Zu 2.:
Wie vorstehend ausgeführt, liegen keine belegten Erkenntnisse über die Gründe vor, welche die Asylbewerberinnen und -bewerber aus der Russischen Föderation zur Flucht nach Deutschland bewegen. Insofern enthält sich die Niedersächsische Landesregierung auch einer Bewertung der Feststellungen des Niedersächsischen Flüchtlingsrates, nach denen die Flucht tschetschenischer Flüchtlinge zum einen in der Situation in Tschetschenien, zum anderen in der Behandlung dieser Flüchtlinge durch andere osteuropäische Staaten, insbesondere Polen, begründet sein sollen.
Zu 3.:
Flüchtlingen aus der Russischen Förderation wird, wie allen anderen Asylsuchenden, unabhängig von ihrer Bleibeperspektive während ihres Aufenthaltes in den Aufnahmeeinrichtungen der Landesbehörde Niedersachsen die Teilnahme an dem Kursangebot "Wegweiser für Deutschland" angeboten. Der Kurs soll der sprachlichen und kulturellen Erstorientierung dienen und den aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern den Einstieg in Deutschland erleichtern. Besondere Programme für den Personenkreis der Flüchtlinge aus der Russischen Förderation gibt es nicht.