Vereinsverbot von „Besseres Hannover“
Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26.09.2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wollen dem Rechtsextremismus in Niedersachsen das Handwerk legen. Ich habe deshalb gestern den Verein „Besseres Hannover“ verboten. Diese Gruppierung steht für eine rechtsextreme Hassideologie.
Sie hat in den letzten Jahren immer wieder mit Aktionen und Publikationen aufgestachelt und Unfrieden geschürt. Flüchtlinge, Zuwanderer und politisch Andersdenkende wurden verhöhnt, bedroht oder gar angegriffen.
Davon waren auch unsere Kolleginnen, Frau Abgeordnete Leuschner und Frau Ministerin Özkan, wiederholt betroffen.
Verehrte Kolleginnen, Sie haben sich dadurch nicht einschüchtern lassen und damit allen gezeigt, wo das eigentlich bessere Hannover steht.
Dafür möchte ich Ihnen und allen anderen Bürgerinnen und Bürgern, die von den Aktionen des Vereines betroffen waren, danken.
Und ich bin sicher, dass sich das ganze Haus diesem Dank in demokratischer Solidarität anschließt.
Mit dem Verbot von „Besseres Hannover“ haben wir eine gefährliche und sehr aktive Gruppierung des Rechtsextremismus untersagt. Dieser Spuk hat jetzt ein Ende. Der so genannte „Abschiebär“ darf nicht mehr in der Öffentlichkeit verwendet werden.
Auch die an Schulen verteilte Zeitschrift „Bock“ darf nicht mehr erscheinen. Verstöße gegen diese Verbotsmaßnahmen sind Straftaten und können mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden.
Bei dem Verbot von rechtsextremistischen Gruppierungen gilt: Sorgfalt vor Schnelligkeit! Die Aktivitäten von „Besseres Hannover“ standen immer im Fokus der Sicherheitsbehörden. Bisher konnten wir die Gruppierung nicht verbieten, weil die Fakten nicht ausreichten.
Jetzt aber liegen erweiterte polizeiliche Erkenntnisse vor, sowohl im Strafrecht (§ 129 StGB-Bildung einer kriminellen Vereinigung), als auch nach Vereinsgesetz.
Die Vereinsstruktur – Führungsebene, Autorenebene und Aktivisten – kann beweissicher nachgewiesen werden. Die neue Faktenlage rechtfertigt ein Verbot von „Besseres Hannover“.
Mit dem Vereinsverbot ist uns ein erfolgreicher Schlag gegen die neonazistische Szene in Niedersachsen gelungen. Dies war nur durch eine enge und effektive Zusammenarbeit von Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft möglich.
Dafür möchte ich mich bei den genannten Behörden ausdrücklich bedanken!
Ihre erfolgreiche sicherheitspolitische Arbeit zeigt: Die Bürgerinnen und Bürger können ihnen vertrauen! Gestern wurden Objekte und Fahrzeuge an insgesamt 27 Orten in Niedersachsen durchsucht.
Beschlagnahmt wurden neben Computern, Handys und Speichermedien auch zwei scharfe Handfeuerwaffen, eine Machete, eine Hakenkreuzfahne und jede Menge Propagandamaterial. Darunter auch NPD-Plakate.
Zurzeit laufen 24 Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Vereins, dem wir 40 Personen zurechnen. „Besseres Hannover“ handelte nicht nur den Strafgesetzen zuwider.
Der Verein richtete sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.
„Besseres Hannover“ bekennt sich klar zum Nationalsozialismus, versucht die Fundamente unseres demokratischen Rechtsstaates zu unterhöhlen und vertritt eine mit dem Grundgesetz unvereinbare Rassenlehre.
Zudem verfügen etliche Mitglieder, insbesondere die Führungsebene, über vielfältige Beziehungen in die Neonazi-Szene. Sie haben an rechtsextremen Versammlungen und Aktionen im gesamten Bundesgebiet teilgenommen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Taten des NSU und der Verbindungen dieser Gruppe zu dem niedersächsischen Rechtsextremisten Holger G., haben die Verfassungsschutzbehörde sowie das Landeskriminalamt auf meine Veranlassung hin eine umfangreiche Aktenrecherche zu dieser Person und weiteren Personen im Zusammenhang mit dem NSU durchgeführt.
Danach ist bekannt, dass der Beschuldigte Holger G. seit seinem Umzug im Jahr 1997 nach Niedersachsen Kontakte zur rechtsextremistischen Szene in und um Hannover hatte. Dazu gehörten auch Kontakte zu Marc-Oliver M. und Denny S., beide Protagonisten der nunmehr verbotenen Vereinigung „Besseres Hannover“. Im Zusammenhang mit den Aktivitäten von „Besseres Hannover“ ist Holger G. jedoch nicht in Erscheinung getreten.
Wir müssen jetzt abwarten, was die Durchsuchungsmaßnahmen an neuen Erkenntnissen bringen werden.
Von „Besseres Hannover“ ging ein erhebliches Radikalisierungspotenzial aus.
Die Gruppierung hat immer wieder gezielt versucht, mit raffinierten und neuartigen Rattenfänger-Methoden junge Menschen an sich zu ziehen. Ob es sich um spektakuläre Auftritte wie nächtliche Fackelmärsche, das Angebot einer Schülerhilfe, die Zeitschrift „Bock“ oder um Internet-Auftritte handelte: All diese Aktionen und Plattformen sollten junge Menschen gegen die Demokratie aufstacheln, zum Mitmachen verleiten und sie mit einem gefährlichen Gedankengut indoktrinieren.
Darüber hinaus wollte „Besseres Hannover“ die anstehende Landtagswahl durch eine genau geplante Boykott-Kampagne erheblich stören. Aus all diesen Gründen war ein konsequentes Durchgreifen gegen diese Gruppierung unerlässlich. Und wir werden den Verfolgungsdruck auf die rechtsextreme Szene in Niedersachsen mit Nachdruck aufrechterhalten.
Dazu gehört insbesondere
- die Nutzung aller rechtsstaatlichen Mittel, um Aufmärsche, Demonstrationen und Konzerte zu verhindern;
- sowie eine umfassende Beobachtung der Szene mit nachrichtendienstlichen und polizeilichen Mitteln.
Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass strikte Verbots- und andere repressive Maßnahmen allein nicht ausreichen, um Extremisten das Handwerk zu legen.
Der Kampf gegen den Rechtsextremismus beginnt in den Köpfen und Haltungen. Deshalb wird die Landesregierung in ihren intensiven Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen nicht nachlassen.
Ich danke insbesondere den Schulen, ihren Lehrkräften sowie vielen Schülerinnen und Schülern, die sich gegen Rechtsextremismus und für unsere Demokratie engagieren. Hinzu kommen zahlreiche außerschulische Bildungseinrichtungen.
Mein Dank gilt auch so wichtigen Einrichtungen wie dem Landespräventionsrat und den vielen lokalen Präventionsräten in ganz Niedersachsen.
Ich nenne auch die Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG), die Landesstelle Jugendschutz, die AussteigerhilfeRechts und das Aussteigerprogramm Neustart sowie die Präventionsarbeit der Polizei und des Verfassungsschutzes.
Hinzu kommen zahlreiche lokale Initiativen und Einzelpersonen, die sich in eindrucksvoller und demokratischer Weise gegen Rechtsextremismus einsetzen.
Sie alle leisten eine wertvolle Arbeit, und ich bitte Sie, daran auch in Zukunft festzuhalten.
Es geht darum, wachsam zu sein. Es geht darum, dass wir Rechtsextremisten, aber auch religiösen und linksextremen Fanatikern mit unserer Entschlossenheit in gleicher Weise entgegentreten. Der Kampf gegen Extremismus in all seinen Facetten darf niemanden gleichgültig lassen und ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung!
Wenn uns das gemeinsam gelingt, haben Extremisten auch zukünftig keine Chance.
Dann bleibt Niedersachsen das, was es jetzt ist: ein lebenswertes, weltoffenes und sicheres Land!