Transportrouten MOX-Transporte
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.12.2012; Fragestunde Nr. 17
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Ina Korter (GRÜNE)
Die Abgeordneten hatten gefragt:
In der parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Ina Korter „Heimlich, still und leise? - Atomtransport nach Nordenham und Umschlag im Privathafen Midgard“ (Drs. 16/5152) hatte die Fragestellerin auch nach Transportrouten und den gesetzlichen Vorschriften für den Transport radioaktiver Güter gefragt. In der Antwort der Landesregierung hieß es, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sei für die Erteilung der Beförderungsgenehmigung gemäß § 4 des Atomgesetzes (AtG) zuständig. Eine Genehmigung sei zu erteilen, wenn die Voraussetzungen aus § 4 Abs. 2 AtG (keine Bedenken zur Zuverlässigkeit des Antragstellers oder Beförderers, nur Personen mit notwendiger Sachkenntnis, Beachtung der Rechtsvorschriften für den jeweiligen Verkehrsträger und nach dem Stand von Wissenschaft und Technik getroffene Vorsorge gegen Schäden, erforderliche Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzpflichten, Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen Dritter, kein Entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen gegenüber der Wahl der Art, der Zeit und des Weges der Beförderung, bei Beförderung bestrahlter Brennelemente zu zentralen Zwischenlagern, keine andere Möglichkeit der standortnahen Zwischenlagerung) vorlägen. „Um das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen § 4 Abs. 2 Nr. 5 und 6 AtG zu prüfen, beteiligt das BfS die Innenministerien der Länder, die aus polizeilicher Sicht zu Fragen der Sicherung der Transporte vor Sabotage, Angriffen oder sonstigen Störungen Stellung nehmen“, heißt es weiter in der Antwort der Landesregierung.
Die Wesermarschpresse (Kreiszeitung Wesermarsch und NWZ) berichtete am 19. November 2012, dass der zweite MOX-Brennelementtransport von Sellafield nach Grohnde über den Midgard-Hafen Nordenham wegen einer Sitzblockade und der damit einhergehenden vorübergehenden Sperrung der Neptunstraße beim RoRo-Anleger in Nordenham umgeleitet wurde. „Der Gesamteinsatzleiter, Polizeivizepräsident Dieter Buskohl, hatte die Idee gehabt und Premium Aerotec um die Erlaubnis zur Durchfahrt gebeten“, schreibt die NWZ am 19. November 2012 auf Seite 31. Auf dem Premium Aerotec-Gelände sind auch am Wochenende mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig; in der Woche im Dreischichtbetrieb mehr als 2 000 Menschen. Die MOX-Transporte wurden direkt an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorbeigeführt, nach bisherigen Informationen ohne dass diese darüber informiert waren. Zudem wurde der Transport durch den Ortsteil Einswarden geführt.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wer hat die Transportroute über das Premium-Aerotec-Gelände in Nordenham und durch den Ortsteil Nordenham-Einswarden hindurch wann genehmigt?
2. Falls ursprünglich der Abtransport der MOX-Brennelemente vom RoRo-Anleger über die Neptunstraße geplant war, auf welcher Rechtsgrundlage wurde kurzfristig die Route geändert, und auf welchem Weg wurde dies wem mitgeteilt?
3. In welcher Weise wurde die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Premium Aerotec sowie die der Wohnbevölkerung des Ortsteils Nordenham-Einswarden bei der Genehmigung der Strecke in die Risikobewertung als dem Transport entgegenstehendes öffentliches Interesse einbezogen, und wurden die Betriebsräte von Premium Aerotec sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Transport in ihrer unmittelbaren Nähe über das Betriebsgelände, auf dem sie sich berufsbedingt aufhalten mussten, informiert?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Nuclear Cargo und Service GmbH hat mit Datum vom 14.06.2012 einen Antrag auf Erteilung einer Beförderungsgenehmigung nach § 4 Atomgesetz für den Transport von unbestrahlten Mischoxidbrennelementen (MOX) für Druckwasserreaktoren aus Sellafield (Großbritannien) zum Kernkraftwerk Grohnde gestellt. Diese Genehmigung wurde am 27.07.2012 durch das Bundesamt für Strahlenschutz erteilt. Für die Umsetzung der erforderlichen Transportvorhaben wurde der Polizeidirektion Oldenburg mit Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 20.07.2012 die polizeiliche Gesamteinsatzleitung in Niedersachsen übertragen.
In der Beförderungsgenehmigung ist unter anderem die vorgesehene Transportstrecke in ihren wesentlichen Punkten dargestellt. Das in Rede stehende Teilstück dieser Strecke ist dort nicht weiter präzisiert.
In der Anlage zur Beförderungsgenehmigung sind unter den Nebenbestimmungen Hinweise zur Abweichung von der Transportstrecke enthalten. Hiernach sind bei aktuellen Erkenntnissen Änderungen der Beförderungsstrecke, Datum und Uhrzeit mit dem Einverständnis oder aufgrund von Anordnungen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde oder der Polizei zulässig.
Die Änderung der vorgesehenen Transportstrecke eines Nukleartransportes ist bereits im Zuge der parlamentarischen Befassung in der 92. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages am 9. Dezember 2010 (LT-Drs. 16/3095, Stenografischer Bericht, TOP 22: Mündliche Anfragen, Anlage 24) erörtert worden. Insoweit verweise ich auf die dortigen Ausführungen.
Zur Sicherstellung des polizeilichen Arbeitsschutzes wurden die Transport-LKW vor der Abreise in Sellafield auf Anordnung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz unter Aufsicht eines Sachverständigen der TÜV Nord EnSys GmbH auf Grundlage eines vorgegebenen Messprogramms auf ihre Dosisleistung vermessen. Die festgestellte maximale Ortsdosisleistung an allen Transport-LKW unterschritt deutlich die Dokumentationsgrenze von 25 Microsievert pro Stunde.
Die Messprotokolle lagen der Gesamteinsatzleitung vor.
Darüber hinaus wurde der Transport von unbestrahlten MOX-Brennelementen aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield zum Kernkraftwerk in Grohnde in der 147. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.09.2012 (LT-Drs. 16/5175, Stenografischer Bericht, TOP 39: Mündliche Anfrage Nr. 1) sowie in der 152. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 25.10.2012 ausführlich erörtert.
Zu der vorliegenden Anfrage hat mir die Polizeidirektion Oldenburg berichtet. Dieser Bericht ist Grundlage meiner nachstehenden Ausführungen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1 und 2:
Vor dem Hintergrund einer Blockade der ursprünglich geplanten Transportstrecke durch sogenannte Aktivisten ordnete der Gesamteinsatzleiter der Polizei noch während der Entladung der LKW aus dem Transportschiff die Verlegung der Fahrtstrecke an.
Die geplante Transportstrecke sollte ursprünglich über die Neptunstraße auf die Bundesstraße 212 führen. Zur Beibehaltung dieser Streckenführung wäre zunächst eine Räumung der oben genannten Blockade erforderlich gewesen, da die Aktivisten auch nach der dritten Räumungsverfügung durch die Polizei nicht bereit gewesen waren, den Straßenbereich freiwillig zu verlassen.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wurde deshalb eine Streckenänderung durch die Gesamteinsatzleitung der Polizei geprüft. Nach telefonischer Kontaktaufnahme und einer Erörterung der Sachlage gestattete die Firma Premium Aerotec die Fahrt über das dortige Firmengelände.
Die Entscheidung zur Streckenänderung erfolgte unter Beteiligung von Vertretern des atom- und gefahrenabwehrrechtlich zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Oldenburg.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
Zu Frage 3:
Die gefahrgutrechtlichen Vorschriften wurden vor der Abfahrt vom Anleger in Nordenham durch Vertreter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Oldenburg gemeinsam mit der Polizei überprüft. Beanstandungen wurden im Zuge dieser Kontrolle nicht festgestellt. Vor diesem Hintergrund sowie auf der Grundlage der Ergebnisse aus der durchgeführten Strahlenmessung ergaben sich für den gesamten Streckenverlauf sowie mögliche Ausweichrouten keine Sicherheitsbedenken.
Eine Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder des Betriebsrates der Firma Premium Aerotec war deshalb aus polizeilicher Sicht nicht erforderlich.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.