Region Wolfsburg und Helmstedt
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13.12.2013; Fragestunde Nr. 74
Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns, Frank Oesterhelweg und Bernd-Carsten Hiebing (CDU).
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Der Landkreis Helmstedt ist auf die Stadt Wolfsburg zugegangen, um die Möglichkeit einer Fusion mit einem starken Partner zu nutzen und die Entschuldungshilfe durch den von der früheren CDU/FDP-Landesregierung geschaffenen Zukunftsvertrag in Anspruch zu nehmen. Wie am 8. November 2013 in einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurde, lehnt die Landesregierung die bisherigen Pläne ab und wird die Bildung einer Region „Wolfsburg-Helmstedt“ nicht unterstützen. Begründet wird dies mit der notwendigen Berücksichtigung der Entwicklungsperspektiven der Stadt Braunschweig. Wiederum möchte die Stadt Königslutter durch Wolfsburg eingemeindet werden, wie der Bürgermeister von Königslutter, Alexander Hoppe, laut Wolfsburger Nachrichten vom 17. April 2013 im Februar 2013 erklärt haben soll.
Am 20. November 2013 hat der Innenminister die Fusion von Osterode und Göttingen gelobt. Bei einer Veranstaltung in Osnabrück wies er darauf hin, dass Fusionen im Ideal „von unten“ kommen sollen.
Die genauen Umstände, die zu der Ablehnung einer Region „Wolfsburg-Helmstedt“ geführt haben, sind in der Öffentlichkeit gegenwärtig nicht bekannt.
Die Wolfsburger Nachrichten berichten jedoch in ihrer Ausgabe vom 15. November 2013, dass sich die Fraktionen im Wolfsburger Stadtrat einig seien, dass Politik und Verwaltung der Nachbarstadt Braunschweig deren Interessen professionell vertreten hätten.
Der Fraktionschef der Grünen im Wolfsburger Stadtrat sagt laut diesem Artikel: „Wolfsburg muss größer werden.“
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklungsperspektiven der Stadt Wolfsburg nachdem die Bildung einer Region mit dem Landkreis Helmstedt gescheitert ist?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage des Fraktionschefs der Grünen im Wolfsburger Stadtrat?
3. Wie wird die Landesregierung mit der von der Stadt Königslutter gewünschten Eingemeindung durch die Stadt Wolfsburg umgehen?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg und der Landrat des Landkreises Helmstedt wandten sich erstmals im Herbst 2012 mit dem gemeinsamen Vorschlag an die Öffentlichkeit, die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Helmstedt durch Eingemeindung aller Städte, Samtgemeinden und Gemeinden des Landkreises Helmstedt in die kreisfreie Stadt Wolfsburg zu fusionieren. Der Vorschlag findet bis heute bei den betroffenen Gemeinden, in der regionalen Presseberichterstattung und in der Öffentlichkeit Unterstützung. Im Mittelpunkt der diesbezüglichen Diskussionen stehen die Verbesserung des Entwicklungspotenzials der Stadt Wolfsburg sowie die äußerst prekäre finanzwirtschaftliche Lage des Landkreises Helmstedt und einiger seiner Gemeinden.
Allerdings wurden vor Ort auch Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Fusion geäußert. Deshalb gaben beide Kommunen bei den Professoren Lothar Hagebölling und Veith Mehde die Anfertigung eines Gutachten „zu den rechtlichen Aspekten einer Fusion des Landkreises Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg zu einer kreisfreien Stadt Wolfsburg auf freiwilliger Basis und den einer solchen Fusion nahe kommenden Lösungen“ in Auftrag. Die Ergebnisse des Gutachtens wurden am 06. Februar 2013 in Wolfsburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Gutachter halten die beschriebene Eingemeindungslösung für eher nicht verfassungskonform. Dagegen komme – bei Zurückstellung anderer verfassungsrechtlicher Bedenken – die Bildung eines Gemeindeverbandes aus der Stadt Wolfsburg und den Städten, Samtgemeinden und Gemeinden des Landkreises Helmstedt in Betracht. Die verbandsangehörige Stadt Wolfsburg könnte und sollte in dem Gemeindeverband einen Sonderstatus, vergleichbar dem der Landeshauptstadt Hannover in der Region Hannover, bekommen. Eine zusätzlich zur Gemeindeverbandsbildung angestrebte Vergrößerung der Stadt Wolfsburg durch Eingemeindung einer oder mehrerer Nachbargemeinden würde allerdings nach Meinung der Gutachter die auch gegen eine Gemeindeverbandsbildung bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken vergrößern.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2013 zeigten die Stadt Wolfsburg und der Landkreis Helmstedt dem Innenministerium die beabsichtigte Aufnahme von Verhandlungen über einen Zusammenschluss beider Gebietskörperschaften an. Die entsprechenden Vertretungsbeschlüsse wurden im März 2013 gefasst. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 zeigten darüber hinaus die Stadt Wolfsburg und die Stadt Königslutter am Elm dem Innenministerium an, Verhandlungen auch speziell über einen Zusammenschluss ihrer Gebietskörperschaften aufnehmen zu wollen.
Wichtiges Anliegen des Landkreises Helmstedt und seiner Samtgemeinden und Gemeinden im Zusammenhang mit einem Zusammenschluss von Landkreis Helmstedt und Stadt Wolfsburg ist es, eine Entschuldungshilfe nach dem Zukunftsvertrag zu erlangen. Mit diesem Ziel stellten der Landkreis selbst sowie alle Städte, Samtgemeinden und Einheitsgemeinden im Landkreis Helmstedt fristwahrend, d.h. rechtzeitig vor dem 31. März 2013, entsprechende Anträge an das Land. Dabei handelt es sich in einem Fall um eine beabsichtigte Eigenentschuldung und im Übrigen um beabsichtigte Zusammenschlüsse von Samtgemeinden, Einheitsgemeinden oder Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden.
Seit Mai dieses Jahres werden intensive politische und fachliche Gespräche zwischen dem Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg, dem Landrat des Landkreises Helmstedt und Vertretern der Landesregierung geführt. Die Landesregierung begrüßt und unterstützt das Zusammenschlussvorhaben von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt und ist bereit, bei der Klärung weiterer Fragen und der bestmöglichen Ausgestaltung eines solchen Vorhabens mitzuwirken. Aufgrund der bisher geführten Gespräche sind sich alle Beteiligten darin einig, dass eine Fusion von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt insgesamt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch Eingemeindungen sondern „nur“ durch Gemeindeverbandsbildung nach dem Beispiel der Region Hannover erfolgen kann. Dieses Modell beinhaltet jedoch die Übertragung wesentlicher Aufgaben, die heute von der Stadt Wolfsburg wahrgenommen werden, auf den Gemeindeverband.
Alternativ zu diesem Modell könnten einzelne Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg zweckmäßig sein und in Betracht kommen. Durch solche Eingemeindungen würden sehr viel weiter gehende Fragen aufgeworfen. In diesem Fall müssten die gesamten Strukturen im Raum Braunschweig/Wolfsburg betrachtet werden. Insoweit hat das Land in den Gesprächen auf seine Verantwortung in dieser Frage hingewiesen. Diese Gesamtverantwortung erfordert es, bei dem jetzt für das Zusammenschlussvorhaben Wolfsburg/Helmstedt erreichten Erörterungsstand andere Kommunen und kommunale Akteure im Raum Braunschweig in die konkrete Ausgestaltung der anzustrebenden Lösung einzubeziehen. Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg und der Landrat des Landkreises Helmstedt haben darauf hin das Land gebeten, in den weiteren Abstimmungsgesprächen eine moderierende Rolle zu übernehmen und diese zeitnah zu beginnen.
Anders als der Presseberichterstattung im Raum Braunschweig zu entnehmen war, gehen demzufolge die Gespräche über den bestmöglichen Zuschnitt der kommunalen Grenzen im Raum Wolfsburg/Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg und dem Landkreis Helmstedt weiter und treten „lediglich“ in ein neues Stadium ein.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.
Ziel jeder möglichen Gebietsänderung der Stadt Wolfsburg kann und muss eine Verbesserung der Entwicklungsperspektiven auch der Stadt Wolfsburg selbst sein. Die Gespräche über eine solche Gebietsänderung sind im Übrigen nicht zu Ende und schon gar nicht gescheitert (s. Vorbemerkung).
Zu 2.
Allein die abstrakte „Größe“ einer Stadt ist kein ausschlaggebendes Kriterium für kommunale Zusammenschlüsse oder Eingemeindungen. Es kommt darauf an, ob und inwieweit eine mögliche Gebietsänderung die Aufgabenerfüllung einer Kommune effektiver und effizienter werden lässt sowie ihr Entwicklungspotenzial erhöht, ohne dass andere gewichtige Belange dem entgegenstünden.
Zu 3.
Mögliche Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg sind Teil der fortdauernden Gespräche über den bestmöglichen Zuschnitt der kommunalen Grenzen im Raum Wolfsburg-Helmstedt (s. Vorbemerkung).