Rede des niedersächsischen Ministers für Inneres und Sport, Boris Pistorius, im Deutschen Bundestag am 25.04.2013 zum NPD-Verbotsverfahren
Sehr geehrter Herr Präsident (bzw. sehr geehrte Präsidentin), meine sehr geehrten Damen und Herren,
es stimmt: Die NPD hat in den letzten Jahren Mitglieder verloren. Es trifft zu: Die NPD befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten. Sie hat ihre Vorstandsmitarbeiter entlassen. Diese Entwicklung ist erfreulich. Aber ist ein NPD-Verbot deshalb überflüssig?
Sollen wir darauf hoffen, dass sich das Problem NPD von alleine erledigt? Sollen wir bis dahin die Hände einfach in den Schoß legen? Wäre dies ein Zeichen demokratischer Souveränität?
Mit Blick auf die Opfer der NPD-Propaganda kann die Antwort nur heißen: Nein.
Menschen mit Migrationshintergrund oder Angehörige anderer Religionsgemeinschaften, insbesondere Juden und Muslime, Wohnungslose und Menschen mit Behinderungen werden von der NPD systematisch diffamiert. Diesen Menschen muss es wie Hohn erscheinen, dass die widerwärtige Propaganda der NPD zu einem großen Teil mit staatlichen Mitteln finanziert wird. Im Jahre 2011 finanzierte sich die NPD zu 42 % aus der staatlichen Parteienfinanzierung.
Die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Einleitung eines Verbotsverfahrens zusammengestellte Materialsammlung belegt. Die NPD ist eine neonazistische, antisemitische und rassistische Partei.
Es ist schwer zu ertragen, wenn der Bundesvorsitzende der FDP von der NPD als einer „Dummheit“ spricht, die man nicht verbieten könne. Und noch schwerer ist es nachzuvollziehen, dass sich die Bundesregierung dieser Meinung anschließt.
Als Innenminister eines Flächenlandes, das sehr kritisch und sehr aufmerksam rechtsextremen Tendenzen begegnet, sage ich: Erstens verharmlost es die NPD, wenn man sie einfach nur als „Dummheit“ bezeichnet. Und Zweitens muss man gegen Dummheit angehen: Mit Aufklärung, Sensibilisierung, mit Aussteigerprogrammen und: ja, eben auch mit einem Parteiverbot!
Es stimmt: Dummheit kann man nicht verbieten. Wohl aber diese Partei. Wenn die Klügeren immer nur nachgeben, gewinnen am Ende die Dummen.
Die Demokraten im Bund und in den Ländern müssen geschlossen zusammenstehen! Wir dürfen nicht zulassen, dass die Rechten auch nur einen Quadratmeter Boden in den Köpfen der Menschen dazugewinnen.
Es steht außer Frage, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist. Und für mich steht auch außer Frage: Wir können und werden das Bundesverfassungsgericht davon überzeugen, dass die NPD in aggressiv-kämpferischer Weise unsere freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen will.
Diese Hürde ist hoch, aber wir sollten sie nicht höher setzen als sie ist. Das Bundesverfassungsgericht hat das in seinen bisherigen Verbotsentscheidungen deutlich gemacht.
Wir brauchen für den Nachweis keine plakativen Aufrufe der NPD zur Gewalt oder lange Straftatenregister ihrer Funktionäre. Ein planvolles politisches Vorgehen wird ausreichend deutlich aus einer Vielzahl von Materialien, aus dem Parteiprogramm, Reden und aus Aktionen der NPD zur Verbreitung des verfassungswidrigen Gedankenguts
Die NPD bekennt sich wie die Nationalsozialisten zum Ziel der so genannten Volksgemeinschaft. Wer aus ihrer Sicht darin keinen Platz haben soll, lässt sich für alle öffentlich zugänglich auf ihrer Internetseite nachlesen.
Es fällt mir schwer solche Sätze vorzulesen an diesem Ort. Aber diese ungeschminkte Programmatik kann und sollte uns motivieren, wirklich alles gegen die NPD zu tun, was in unserer Macht steht.
„Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers (des BRD-Passes) ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert, die für die Ausprägung körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen und Völkern verantwortlich sind.“
Die NPD strebt offen und ungeniert eine rassisch homogene Gesellschaft an. Diese Strategie schließt die Zusammenarbeit mit gewalttätigen Neonazis ausdrücklich ein.
Ein Verbot der NPD ist nicht gleichbedeutend mit einem Sieg über den Rechtsextremismus. Diese Illusion hat niemand. Aber ein Verbot der NPD würde den Rechtsextremismus dort, wo die NPD nach wie vor stark ist wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen, strukturell ins Mark treffen.
Vor allem aber sendet die Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens ein starkes moralisches Signal aus: Wir Demokraten im Bund und den Ländern nehmen nicht länger hin, dass Steuergelder in Wahlkämpfe und Kampagnen gegen das Menschenbild des Grundgesetzes fließen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, ich fordere Sie auf, ja ich bitte Sie herzlich: Schließen Sie sich dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion an, schließen Sie sich dem Verbotsantrag der Länder an.
Wir schulden es insbesondere den Opfern rechtsextremistischer Gewalt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die wir gegen rechtsextreme Gruppierungen haben.