Prostitution: Wohin mit den Love-Mobilen in Niedersachsen?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 29.08.2013; Fragestunde Nr. 3
Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten
Elke Twesten (GRÜNE) und Dr. Thela Wernstedt (SPD).
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Der Anblick ist weder neu noch ungewöhnlich: Sogenannte Love-Mobile gehören mittlerweile an fast jedem Parkplatz in Autobahnnähe zum Straßenbild. Für viele sind sie Stein des Anstoßes und werden „mit Sorge“ um den Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes betrachtet.
Probleme gibt es allerdings in den seltensten Fällen. Prostituierte und ihre Kunden sind in der Regel polizeilich unauffällig (Süddeutsche Zeitung vom 17. Juli 2013 „Lust auf vier Rädern“). Jüngsten regionalen Zeitungsberichten zufolge (Kreiszeitung-Buxtehuder Wochenblatt vom 10. Juli 2013 „Love Mobile: CDU will Verbot“) sind sie jedoch insbesondere im Bereich der Polizeidirektion Lüneburg ein Problem.
Es ist unstrittig, dass Kriminalität im Umfeld von Prostitution mit all ihren menschenrechtswidrigen Ausformungen wie Zwangsprostitution, Menschenhandel und sexuellem Missbrauch Minderjähriger mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden muss.
Weil laut CDU-Pressemitteilung vom 8. Juli 2013 die Anzahl der Love-Mobile wächst und sich die Probleme verschärfen, wurde jüngst auch die Forderung nach einer Sperrgebietsverordnung im Gebiet der Polizeidirektion Lüneburg laut.
Presseverlautbarungen der CDU zufolge sollen die Bedingungen für die Prostituierten verbessert und die Frauen vor Übergriffen und Gewalt geschützt werden. Fachverbände wie die Beratungsstelle für Prostituierte Phoenix aus Hannover sehen jedoch einen Widerspruch darin, die Frauen in immer entlegenere Gebiete zu verweisen und sie gleichzeitig schützen zu wollen.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Hat die Anzahl der sogenannten Love-Mobile seit 2004 niedersachsenweit und insbesondere im Bereich der Polizeidirektion Lüneburg zugenommen?
2. Wie viele kriminelle Übergriffe auf Love-Mobile hat es seit 2004 in Nord- und in Südniedersachsen gegeben?
3. Welche konkreten Beschwerden liegen in Bezug auf die Ausübung dieses legalen Gewerbes außerhalb und innerhalb von Sperrgebieten vor?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
In dem Niedersächsischen Vorgangsbearbeitungssystem (VBS NIVADIS) erfolgt landesweit keine strukturierte Erfassung von Fahrzeugen, aus der sich Rückschlüsse über die Nutzung zur Prostitutionsausübung ziehen lassen.
Auch in anderen Fahrzeugen als Wohnmobilen oder Wohnwagen (bspw. PKW’s), die regelmäßig mit der Bezeichnung „Love-Mobile“ gemeint sind, erfolgt die Prostitutionsausübung. Darüber hinaus gibt es weder spezielle Meldedienste noch besondere Modalitäten für eine gezielte Fallerfassung zu diesem Phänomenbereich im VBS NIVADIS. Verlässliche Recherchemöglichkeiten zum Ausmaß und der Art der Kriminalität, die mit der Prostitutionsausübung in entsprechenden Fahrzeugen in Zusammenhang stehen könnten, liegen nicht vor.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Differenzierte Aussagen zur Entwicklung der Anzahl von in Niedersachsen genutzten „Love-Mobilen“ seit dem Jahr 2004 können aufgrund der vorangestellten Ausführungen nicht getroffen werden.
Zu 2.:
Unter Verweis auf die Vorbemerkungen können keine verlässlichen Aussagen zur Anzahl von Straftaten getroffen werden, die im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung in „Love-Mobilen“ stehen.
Nach Auswertung der Stellungnahme der Polizeibehörden sind einzelne Straftaten bekannt geworden, die sich in dem Zeitraum seit dem Jahr 2004 unmittelbar gegen Prostituierte richteten, die eindeutig sog. „Love-Mobilen“ zugerechnet werden können.
Neben einem versuchten Tötungsdelikt aus dem Jahr 2012 ist es in diesem Jahr zu drei versuchten Vergewaltigungen bzw. sexueller Nötigung und einem schweren Raub gekommen. Aus dem Jahr 2011 sind darüber hinaus zwei Fälle des schweren Raubes bekannt. In zwei Fällen wurden Verfahren wegen des Verdachts des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung eingeleitet.
Zu 3.:
Konkrete Beschwerden, die sich auf die Ausübung des Gewerbes in „Love-Mobilen“ beziehen, sind aus den Bereichen der Polizeidirektionen Göttingen, Hannover, Oldenburg und Osnabrück nicht bekannt. Aus dem Bereich der Polizeidirektion Braunschweig ist aus den letzten Jahren lediglich eine aktuelle Beschwerde dokumentiert, aus dem Bereich der Polizeidirektion Lüneburg liegen seit 2004 lediglich vereinzelte Beschwerden vor. Die Beschwerden richten sich allgemein gegen die in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren sogenannten „Love-Mobile“ und die damit verbundene Sorge um das Wohl von Kindern und Jugendlichen. Mit den Beschwerden ist die Forderung an die Polizeidirektion Lüneburg verknüpft, eine Sperrgebietsverordnung zu erlassen. Eine Prüfung zum Erlass einer Sperrgebietsverordnung wird in der Polizeidirektion Lüneburg derzeit vorgenommen.