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erstellt am:
18.06.2021
zuletzt aktualisiert am:
21.06.2021
Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, hat ein positives Fazit nach der heute in Rust (Baden-Württemberg) zu Ende gegangenen Frühjahrskonferenz der Innenministerin und Innenminister und -senatoren gezogen. Insbesondere die Entwicklungen innerhalb vieler innenpolitischer Themenfelder durch die Corona-Pandemie stand im Mittelpunkt der Gespräche im diesjährigen Vorsitzland.
Pistorius: „Das Prinzip der Einstimmigkeit bei der Innenministerkonferenz kann auch dazu führen, dass wir uns in einigen Themen nicht einigen. So ist die Haltung der CDU- und CSU-geführten Innenressorts hinsichtlich zukünftiger Abschiebungen von Schwerverbrechern und Gefährdern nach Syrien für mich weiterhin rätselhaft, da diese schlichtweg nicht möglich sind. Darum sollte man den Menschen auch nicht vormachen, dass es entsprechende Möglichkeiten gäbe, denn die gibt es nicht. Sehr positiv dagegen bewerte ich unseren gemeinsamen Beschluss zur Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission mit dem klaren Auftrag, ein gemeinsames Bund-Länder-Kompetenzzentrum entstehen zu lassen. Insgesamt verliefen die Gespräche wie fast immer im Rahmen der IMK in einer auf Konsens zielenden Stimmung und in einem weitestgehend harmonischen Miteinander.“
Um folgende Themen ging es bei der IMK:
Bevölkerungsschutz nach Corona – gemeinsames Kompetenzzentrum von Bund und Ländern:
Einstimmig haben sich die Innenressorts dafür ausgesprochen, kurzfristig ein gemeinsames Kompetenzzentrum für Bevölkerungsschutz einzurichten. Der Niedersächsischen Innenminister Pistorius sagt dazu: „Corona hat uns allen gezeigt, dass wir jetzt einen harmonischen Dreiklang aus gesellschaftlicher Stabilität, Gefahrenprävention und Handlungsfähigkeit im Notfall brauchen. Im Mittelpunkt unserer Gespräche stand die Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission mit dem klaren Auftrag, dass im Anschluss daran ein gemeinsames Bund-Länder-Kompetenzzentrum entstehen kann. Dort sollen wissenschaftliche Expertise und die Kompetenz der Praxis eng vernetzt, Kommunen frühzeitig beteiligt und auch die nichtbehördlichen Akteure sowie die allgemeinen und fachlichen Kompetenzen im Bevölkerungsschutz in eine arbeitsfähige Struktur eingebunden werden. Ein solches Zentrum für Krisenmanagement und Krisenprävention sollte möglichst schon im kommenden Jahr verwirklicht werden. Wenn uns das gemeinsam gelingt, wäre es ein echter Durchbruch zur Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland. Wir müssen die richtigen Lehren aus der aktuellen Krise ziehen. Die Innenminister aus Bund und Ländern sind sich einig, dass Katastrophen grundsätzlich in den Katastrophenschutzministerien behandelt werden sollten, also den Innenministerien. Die leistungsfähigen Systeme für den Katastrophenschutz in den Ländern und Kommunen bilden dafür eine solide Basis.“
Gemeinsamer Beschluss zu linksextremistischen Ausschreitungen in Berlin:
Vor dem Hintergrund der Ausschreitungen in der Rigaer Straße in Berlin am Mittwoch dieser Woche haben alle Innenressorts auf Vorschlag der SPD-geführten Ressorts eindeutig Stellung bezogen. Pistorius: „Die Bilder aus Berlin bestürzen uns zutiefst. Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr werden massiv angegangen, schwerste Verletzungen werden billigend in Kauf genommen. Das ist völlig inakzeptabel und hat mit Protest nicht mehr zu tun, das ist rohe Gewalt gegen unsere Polizei und Feuerwehr. Wir wünschen den Verletzten baldige Genesung und rufen die Gewalttäter eindringlich dazu auf, ihren Protest auf friedliche Weise vorzubringen. Grenzüberschreitungen werden nicht geduldet und mit aller Entschlossenheit beantwortet.“
Abschiebungen nach Syrien:
Wie schon bei der Herbstkonferenz in Berlin ging es um den Umgang mit Personen syrischer Staatsangehörigkeit, die möglichst nach Syrien abgeschoben werden sollten. Minister Pistorius: „Nachdem die CDU und CSU-Länder schon im vergangenen Herbst nicht plausibel darstellen konnten, wie sie Abschiebungen ins Bürgerkriegsland Syrien organisieren wollen, konnte uns in Rust auch Bundesinnenminister Seehofer keine Zahlen der seitdem erfolgten Abschiebungen vorzulegen. Das hat mich nicht gewundert, denn es gibt faktisch schlichtweg keine Möglichkeit, Abschiebungen dahin durchzuführen. Es bestehen keine diplomatischen Beziehungen, weder zur Regierung noch zu Behörden, über die wir Abschiebungen anbahnen müssten. Es gibt keine deutsche Vertretung vor Ort, über die man das abwickeln könnte. Auch den forschen Vorschlag der B-Länder, bei der Problematik der Abschiebungen nach Syrien plötzlich dem Auswärtigen Amt den schwarzen Peter der Abschiebungsdurchführung zuzuschieben, haben wir eine klare Absage erteilt. Hier steht das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer in der Pflicht. Es muss erklären, wie Abschiebungen angebahnt und organisiert werden könnten. Im Moment gibt es dafür aber schlichtweg keine Möglichkeit. Das muss dann auch klar so benannt werden.“
Mehr Unterstützung für afghanische Ortskräfte und ihre Familien:
Auch die Frage der Aufnahme afghanischer Ortskräfte nach dem Abzug der Bundeswehr und deutscher Polizeimissionen aus Afghanistan wurde an der deutsch-französischen Grenze diskutiert. Pistorius: „Nach dem Abzug der Bundeswehr und der Polizei müssen wir uns mit angemessenen humanitären Maßnahmen um diejenigen Menschen kümmern, die unsere Hilfsmission vor Ort unterstützt haben. Vieles, was bereits getan wird, begrüßen wir, aber wir können noch wesentlich mehr tun. Afghanen, die die Bundeswehr oder unsere Polizeimissionen unterstützt haben, stehen besonders im Fadenkreuz der Taliban. Bei der IMK haben wir deshalb beschlossen, dass im Rahmen des sogenannten Ortskräfteverfahrens ehemalige afghanischen Ortskräfte aus dem deutschen Polizeiprojekt genauso wie die der Bundeswehr behandelt werden und unseren besonderen Schutz erhalten. Dabei soll für sämtliche ledigen Kinder dieser Familien gelten, dass sie ihre Eltern nach Deutschland begleiten dürfen, und nicht nur die minderjährigen Kinder. Wer würde denn bei der Ausreise mit der Familie seine 19-jährige Tochter alleine in Afghanistan zurücklassen? Zudem haben wir uns dafür ausgesprochen, die Visa-Verfahren für diese Personen zu verschlanken, und zwar dadurch, den schutzbedürftigen Ortskräften ein Visum direkt bei Ankunft in Deutschland auszustellen, ein „Visa on arrival“. Das entlastet unsere Botschaft vor Ort und ermöglicht eine schnelle und unkomplizierte Ausreise für die betroffenen Menschen. Auch haben wir die Bundesregierung darum gebeten, die Kosten für die Ausreisen zu übernehmen. Denn wir können von diesen Menschen, die wirtschaftlich dazu kaum in der Lage sein dürften, nicht verlangen, auch noch die Flugkosten oder einen wesentlichen Teil davon, für ihre Familie zu übernehmen.“
Mitglieder des Bundesrates im Frontex-Kontrollgremium:
Die Innenressorts der Länder haben in Rust auch über die europäische Grenzschutzagentur Frontex und deren effektivere Kontrolle gesprochen. Pistorius: „Die Stärkung und Weiterentwicklung von Frontex ist seit Jahren überfällig und muss pragmatisch und entschlossen weitergeführt werden. Wir wissen nicht, wie sich die Zuwanderungsbewegungen Richtung Europa entwickeln werden, aber klar ist: Wir brauchen in einem Europa ohne Binnengrenzen eine echte und funktionierende europäische Grenzschutzbehörde. Die jüngsten Vorwürfe gegen Frontex und die mangelnde Transparenz zeigen aber auch: Die bestehenden Kontrollmechanismen sind nicht ausreichend für die sukzessive gewachsenen Kompetenzen der Behörde. Wir brauchen – ähnlich wie es bei der europäischen Polizeibehörde Europol bereits gute Praxis ist – eine starke und robuste parlamentarische Kontrolle für Frontex. Darum fordern wir in unserem geeinten Beschluss, dass zukünftig nicht nur Abgeordnete des Europaparlaments, sondern ebenso Vertreter des Bundesrates in diesem bereits bestehenden Gremium sitzen. Schließlich sind die entsandten Polizistinnen und Polizisten der Länder ein substantieller Teil des deutschen Beitrags zu Frontex.“
Identifizierungsmöglichkeiten bei Straftaten in sozialen Netzwerken:
Ein Thema bei der Frühjahrskonferenz waren auch Identifizierungsmöglichkeiten anonymer Hetzer in sozialen Netzwerken. Hier haben die Innenminister auf Vorschlag Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns beschlossen, an weiteren Maßnahmen zu arbeiten. Pistorius sagt: „Leider gibt es auch 2021 noch keine verlässlichen Werkzeuge, um Verfasser strafbewährter Hetze verlässlich ermitteln zu können. Wir wollen entsprechend des Beschlusses gemeinsam daran arbeiten, das zu ändern. Das NetzDG umfasst nicht alle Bereiche und nicht alle gängigen Plattformen. Auch die Identifizierung von einzelnen Nutzern ist nach wie vor schwierig. Wir befürworten darum eine Identifizierungspflicht, aber – um das noch einmal klarzustellen - keine Klarnamen-Pflicht. Eine weitere Möglichkeit, die auch ohne die Identifizierungspflicht greifen würden, wären sogenannte „Login-Fallen“. Dabei arbeiten Betreiber sozialer Netzwerke gemeinsam mit der Polizei eng zusammen, um entsprechend Hetzer und deren IP Adresse zu ermitteln, sobald sie sich erneut einloggen. In den entsprechenden Gremien der IMK werden dazu jetzt mögliche weitere Schritte diskutiert.“
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erstellt am:
18.06.2021
zuletzt aktualisiert am:
21.06.2021