NPD-Verbotsverfahren
Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.11.2012; TOP 54 zum Antrag der Fraktion der SPD
Sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt wohl Niemanden hier im Saal, der ernsthaft bezweifelt, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.
Die erneute Diskussion über ein NPD-Verbotsverfahren unter der Überschrift des Entschließungsantrages der Fraktion der SPD „NPD-Verbotsverfahren einleiten!“, führen wir jedoch zu einem Zeitpunkt, in dem für ein mögliches Verbotsverfahren bereits wichtige Vorarbeiten geleistet wurden und werden.
Wir befinden uns sozusagen in der Endphase eines äußerst sorgfältigen Prüfungsprozesses! Und ich sage ganz deutlich: Ein – nochmaliges – Scheitern wäre verheerend.
Wie Sie alle wissen, hat die ständige Konferenz der Innenminister- und -senatoren der Länder (IMK) am 22. März dieses Jahres beschlossen, die Erfolgsausichten eines neuerlichen NPD-Verbotsverfahren zu prüfen.
Daraufhin hat das Bundesamt für Verfassungsschutz auf der Grundlage der Rückmeldungen der Länder und der Sicherheitsbehörden des Bundes eine umfangreiche und nach einem konkreten verfassungsrechtlichen Prüfungsschema aufgebaute Materialsammlung erstellt.
Aktuell bewertet die Bund-Länder-Arbeitsgruppe entsprechend der Beschlusslage der IMK die sich aus dieser Materialsammlung abzuleitenden Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens.
Hierbei wird auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte berücksichtigt.
Der abschließende Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird bis Ende November erstellt, so dass für die Innenministerkonferenz am 5. Dezember 2012 und für die einen Tag später stattfindende MPK eine zuverlässige und belastbare Entscheidungsgrundlage vorliegen wird.
Solange diese nach strengen juristischen Kriterien bewertete Grundlage noch aussteht, sollten nicht bereits vorschnell politische Entscheidungen getroffen und Ergebnisse verkündet werden.
Denn über eines müssten sich im Grunde doch alle einig sein, die sich intern oder öffentlich über das Thema NPD-Verbot äußern:
Ein erneuter Antrag beim Bundesverfassungsgericht darf nach dem Scheitern des ersten Versuchs im Jahr 2003 nur dann gestellt werden, wenn wir nach gründlicher Prüfung der Materialsammlung zu dem Ergebnis kommen, dass tatsächlich gute Chancen für ein erfolgreiches Verbotsverfahren bestehen.
Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, dass die NPD in Karlsruhe erneut triumphiert!
Niemand von uns will, dass sie bestätigt und aufgewertet wird und sich weiterhin als legale Anlaufstelle für alle Rechtsextremisten anbietet.
Es wäre eine herbe Niederlage im Kampf gegen den Rechtsextremismus, wenn die NPD gleichermaßen mit einem „Persil-Schein“ des Bundesverfassungsgerichts in künftige Wahlkämpfe gehen könnte.
Gerade weil es keine absolute Sicherheit für ein erfolgreiches Verbotsverfahren geben kann, bedarf es der äußersten Sorgfalt, der intensiven Prüfung und der Abwägung sämtlicher Risiken bevor der entscheidende Schritt in ein neues NPD-Verbotsverfahren gegangen wird.
Genau deshalb haben die Ministerpräsidenten bereits am 15. Dezember 2011 einmütig beschlossen, erst nach sorgfältiger Prüfung eine endgültige Entscheidung über die Einleitung eines Verbotsverfahrens zu treffen und hierbei dem Grundsatz „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ zu folgen.
Es ist gut, dass die Beschlussempfehlung des Ausschusses dies noch einmal herausstellt!
Wer über die hohen Hürden springen will, die für ein Parteiverbot durch unsere Verfassung, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gesetzt sind, der muss sich daher sehr sicher sein, diese Hürden auch zu meistern.
[Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition]
Dass Sie nunmehr – anders als noch im Ausschuss – offensichtlich auch zu der Erkenntnis gelangt sind, dass hier Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen muss, freut mich.
So jedenfalls interpretiere ich die Ziffer 2 Ihres gemeinsamen Änderungsvorschlages.
Umso mehr hätte es mich gefreut, wenn Sie sich bereits bei der Beratung im Innenausschuss dem Änderungsvorschlag von CDU und FDP angeschlossen hätten.
Eine gemeinsame Beschlussempfehlung des Ausschusses wäre ein starkes Signal gewesen.