Neonaziübergriffe am 10./11. August 2012 in Hannover und Barsinghausen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.09.2012; Fragestunde Nr. 41
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann (LINKE)
Die Abgeordnete hatte gefragt:
In den Abendstunden des 10. August 2012 wurden laut Medienberichten in der Innenstadt von Hannover Teilnehmer eines antifaschistischen Informationsstandes von Neonazis tätlich angegriffen. In den nachfolgenden Nachtstunden wurden dann demnach in Barsinghausen Besucher eines Jugendklubs abermals von Neonazis attackiert. Bei beiden Attacken wurde ein Messer als Tatwaffe eingesetzt. Zudem wurde von der Polizei ein Teleskopschlagstock beschlagnahmt. Die Angreifer werden der Neonazigruppierung „Besseres Hannover“ zugeordnet.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie stellen sich aus Sicht der Landesregierung die beschriebenen Ereignisse am 10./11. August 2012 in Hannover und Barsinghausen dar?
2. Bestätigt die Landesregierung Informationen, wonach die Neonazis der Neonazigruppierung „Besseres Hannover“ zuzuordnen sind, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?
3. In welcher Form wird die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass der Schutz des bereits mehrfach von Neonazis angegriffenen Jugendklubs in Barsinghausen künftig gesichert ist?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Polizei Niedersachsen verfolgt Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit einem rechtsextremistischen Hintergrund entschieden und nachhaltig.
Hierbei kommen neben den allgemeinen Vorschriften auch die Vorgaben der im Januar 2012 herausgegebenen landesweit gültigen Gesamtkonzeption gegen Rechtsextremismus des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport in vollem Umfang zum Tragen.
Im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion (PD) Hannover werden permanent Maßnahmen zur Aufklärung der rechten Szene, Gefährderansprachen sowie gezielte Ansprachen von Mitläufern und Sympathisanten durchgeführt. Im öffentlichen Raum angetroffene Szeneangehörige werden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten konsequent Überprüfungsmaßnahmen unterzogen. Mit benachbarten Behörden und Dienststellen erfolgt ein ständiger Informationsaustausch, ggf. werden gemeinsame Maßnahmen abgesprochen und koordiniert durchgeführt. Örtliche politische Gremien werden im Hinblick auf die Prävention und Bekämpfung von rechtsextremistischen Aktivitäten beraten.
Das konsequente Vorgehen der Polizei gegen den Rechtsextremismus in Hannover wird auch in dem zielgerichteten Schlag gegen die Gruppierung „Besseres Hannover“ deutlich. Wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB wurden am 25.09.2012 zahlreiche Durchsuchungsmaßnahmen bei Mitgliedern der Gruppierung vollstreckt. Zeitgleich wurde „Besseres Hannover“ durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport mit einem Vereinsverbot belegt.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1.:
Am 10.08.2012 kam es gegen 21 Uhr am Opernplatz in Hannover zu einer versuchten und einer vollendeten gefährlichen Körperverletzung sowie einer Bedrohung. Zwischen drei Personen, die mit dem Abbau eines angemeldeten Informationsstandes zum Thema „Rechten die Räume nehmen“ beschäftigt waren, und einer fünf- bis sechsköpfigen Gruppe von Personen, darunter zwei polizeilich bekannte Rechtsextremisten aus Barsinghausen, kam es zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen.
Nach dem derzeitigen Stand der polizeilichen Ermittlungen soll dabei einer der Rechtsextremisten die Personen am Informationsstand mit einem Messer bedroht und sein Begleiter eine Flasche geworfen haben. Die Flasche habe den Kopf eines Opfers nur wenige Zentimeter verfehlt. Durch eine Person aus der Gruppe am Informationsstand wurde Pfefferspray eingesetzt, wodurch drei Personen verletzt wurden. Anschließend kam es gegen 00:30 Uhr in Barsinghausen im Bereich um den unabhängigen Jugendraum (UJR) Falkenkeller zwischen linksorientierten Teilnehmern einer dortigen Feier und einer Gruppe rechtsorientierter Personen zunächst zu verbalen und anschließend zu körperlichen Auseinandersetzungen. Auch hier waren die beiden o.g. Rechtsextremisten erneut beteiligt.
Im weiteren Verlauf verletzte einer der Rechtsextremisten ein 18-jähriges Opfer, welches seinerseits Pfefferspray eingesetzt haben soll, durch einen Schnitt mit einem Klappmesser am Rücken. Durch einen Teilnehmer der Feier im Falkenkeller wurde eine Straftat gegen das Waffengesetz begangen, da er einen Teleskopschlagstock mitführte.
Es wurden Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Verstoß gegen das Waffengesetz eingeleitet.
Nahezu sämtliche Verfahrensbeteiligte blieben den schriftlichen Vorladungen zur Vernehmung fern bzw. machten vor der Polizei keine Angaben zum Sachverhalt.
Die Ermittlungsverfahren wurden der Staatsanwaltschaft Hannover zur weiteren Entscheidung übersandt.
Zu Frage 2.:
Die rechtsorientierte Gruppe aus Barsinghausen richtet ihre Aktivitäten schwerpunktmäßig auf den örtlichen Bereich und sucht die gezielte Konfrontation mit der dortigen linksorientierten Szene.
Nach polizeilichen Erkenntnissen gehören diese Personen nicht der Gruppierung „Besseres Hannover“ an, wenngleich vereinzelte persönliche Kontakte zu deren Mitgliedern nicht auszuschließen sind.
Zu Frage 3.:
Bei dem unabhängigen Jugendraum (UJR) „Falkenkeller“ der Stadt Barsinghausen handelt es sich laut Selbstdarstellung im Internet (vgl. www.falkenkeller-barsinghausen.de) um „ein(en) offene(n) und selbstverwaltete(n) Jugendtreff, der seit über 15 Jahren von den Jugendlichen in Selbstverwaltung als linke Alternative zu städtischen Jugendzentren und kommerziellen Kneipen geführt wird und der allen interessierten Jugendlichen offen steht“.
Im Bereich des UJR „Falkenkeller“ kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Vorkommnissen, die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich machten. Hierbei handelte es sich zum einen um Sachverhalte mit strafrechtlich relevantem Hintergrund (insbesondere Körperverletzungsdelikte, Sachbeschädigungen), zum anderen um Einsatzanlässe wie Streitigkeiten und Ruhestörungen.
Zur Verhinderung weiterer Auseinandersetzungen fanden bereits frühzeitig Gespräche über ein Präventionskonzept zwischen dem Polizeikommissariat (PK) Barsinghausen, dem Staatsschutzkommissariat der PD Hannover und Vertretern der Stadtverwaltung Barsinghausen statt.
Das PK Barsinghausen hat aus Anlass der Ereignisse die Streifentätigkeiten im Bereich des „Falkenkellers“ deutlich intensiviert. Durch offene und regelmäßige Präsenz soll u.a. das Sicherheitsgefühl der Nutzer des Jugendraums aber auch der Anwohner dieses Bereiches gestärkt werden. In diese Streifentätigkeiten wurden zielgerichtet auch örtliche Treffpunkte einbezogen, an denen sich Personen, die bekanntermaßen Auseinandersetzungen mit Besuchern des Falkenkellers suchen, aufhalten.
Die Einsatzmaßnahmen werden je nach Lagebewertung durch Kräfte des polizeilichen Staatsschutzes unterstützt.