Lagebild „Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2024“ – OK-Bekämpfung weiterhin auf konstant hohem Niveau, hohe Quote bei abgeschöpftem Vermögen
Wahlmann: „Durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz ist ein Rückgang des Verfahrensbestandes zu verzeichnen. Zugleich treiben wir die Zerschlagung der kriminellen Strukturen weiter voran – durch die erhebliche personelle Stärkung der Justiz und die Schaffung einer neuen landesweiten Zentralstelle Cybercrime im Jahr 2026“
Behrens: „Zahlen und Fallbeispiele belegen: Unsere Ermittlerinnen und Ermittler leisten herausragende Arbeit – oft im Verborgenen, aber mit spürbaren Erfolgen für die Sicherheit in unserem Land“
Die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, und die Niedersächsische Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, haben am heutigen Montag (3.11.2025) gemeinsam das Lagebild der Justiz und der Polizei „Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2024“ vorgestellt.
Wesentliche Inhalte des Lagebildes
Die Polizei Niedersachsen führte im Jahr 2024 insgesamt 65 Ermittlungsverfahren. Zuzüglich 17 weiterer Ermittlungskomplexe (1x BKA, 14x Zoll, 2x Bundespolizei) wurden im Auftrag niedersächsischer Staatsanwaltschaften insgesamt 82 OK-Verfahren bearbeitet.
Hierbei ging es zum größten Teil um den internationalen Rauschgifthandel und -schmuggel (36 Verfahren). Insgesamt wurde in den 82 OK-Verfahren gegen 712 Tatverdächtige aus 50 verschiedenen Staaten ermittelt. Tatverdächtige deutscher Nationalität stellen dabei mit 45% den größten Anteil, gefolgt von albanischen Staatsangehörigen mit 10% und türkischen Staatsangehörigen mit 7%.
Der hochgerechnete Gesamtschaden der OK lag im Jahr 2024 mit 18.26 Mio. Euro deutlich unter dem Schadensniveau der Vorjahre. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen jedoch die errechneten Gewinne der OK einen Anstieg um 12 Mio. Euro. Die durch die Sicherheitsbehörden abgeschöpfte Summe in Höhe von ca. 7.5 Mio. Euro erreicht seit 2020 den Höchstwert mit einer Abschöpfungsquote von 27,6 %. Dies markiert einen Erfolg der polizeilichen und justiziellen Bekämpfungskonzepte. Es gelingt den Strafverfolgungsbehörden immer besser, den kriminellen Netzwerken ihre illegalen Gewinne zu entziehen. Ermittlungen offenbaren regelmäßig, dass kriminelle Gewinne in einen luxuriösen Lebensstil investiert werden. Im besonderen Fokus stehen daher auch Finanz-/Vermögensermittlungen mit einem Schwerpunkt im Bereich der Kryptowährungen. Hier hat Niedersachsen im Jahr 2024 in die Beschaffung entsprechender Analysesoftware investiert.
Hierzu erklärt Dr. Wahlmann: „Auf unserer Agenda steht die weitere Verbesserung der Vermögensabschöpfung. Die Entziehung der Gelder der Organisierten Kriminalität ist in zweierlei Hinsicht entscheidend. Zum einen wird den kriminellen Gruppierungen damit ihre Existenzgrundlage genommen. Zum anderen verhindern wir, dass inkriminierte Gelder die legalen Wirtschaftskreisläufe unterwandern.“
Im Bundesvergleich nimmt Niedersachsen hinsichtlich der Anzahl der geführten Verfahren wiederholt den zweiten Platz ein. Dies unterstreicht die konsequente Ermittlungsarbeit und den anhaltenden Verfolgungsdruck gegenüber kriminellen Strukturen.
Niedersachsens Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung erklärt: „Organisierte Kriminalität war und ist eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft und auch für unsere Sicherheitsbehörden – sie ist vielschichtig, international vernetzt und agiert zunehmend digital. Das heute veröffentlichte Lagebild zeigt eindrucksvoll, mit welcher Professionalität und Konsequenz Polizei und Justiz in Niedersachsen gegen diese kriminellen Strukturen vorgehen. Die Zahlen und Fallbeispiele belegen: Unsere Ermittlerinnen und Ermittler leisten herausragende Arbeit – oft im Verborgenen, aber mit spürbaren Erfolgen für die Sicherheit in unserem Land. Die Tatsache, dass wir kriminellen Strukturen in Niedersachsen Vermögen in Millionenhöhe entziehen konnten, zeigt: Wir treffen sie dort, wo es am meisten weh tut – bei ihren illegalen Gewinnen.“
Schwerpunkte der OK
Im Bereich der organisierten Kriminalität liegen die Schwerpunkte in den Phänomenbereichen internationale Rauschgiftkriminalität, Clankriminalität, Cybercrime und kryptierte Kommunikation. Der in den Fallzahlen zurückgehende Schwerpunkt der Geldausgabeautomatensprengungen wird unter Berücksichtigung des illegalen Handels mit Explosivmitteln/Feuerwerkskörpern ebenfalls weiter fokussiert.
Internationaler Rauschgifthandel/-schmuggel
Der alles überragende Bearbeitungsschwerpunkt sowohl auf Seiten der Polizei als auch auf Seiten der Justiz lag auch in 2024 mit 36 OK-Verfahren in der Bekämpfung der internationalen Rauschgiftkriminalität.
Kriminelle Drogenbanden agieren im Wesentlichen überregional und international. Daher arbeiten die niedersächsischen Polizeibehörden weiterhin eng mit den Bundesbehörden wie z. B. dem Bundeskriminalamt (BKA) und internationalen Partnern zusammen.
Insbesondere im Bereich der Rauschgiftkriminalität nutzen kriminelle OK-Gruppierungen immer intensiver Vertriebsmöglichkeiten insbesondere über Seewege sowie über das Internet und Darknet.
Gerade der Einfuhrschmuggel über die Seehäfen stellt aufgrund der Lage Niedersachsens als Nordsee-Anrainer einen besonderen Bearbeitungsschwerpunkt für die niedersächsischen Sicherheitsbehörden dar. Niedersachsen wirkt aktiv in der EU-Ports Alliance mit und stärkt dabei gezielt die Zusammenarbeit zwischen der niedersächsischen Hafensicherheit und den OK-Fachdienststellen der Polizei. Im Rahmen dieser strategischen Kooperation beteiligte sich das Land Niedersachsen auch am bund- und länderübergreifenden Projekt INOK („Infiltration der Nordseehäfen durch OK-Strukturen“). Das Projekt INOK hatte das vorrangige Ziel, die sogenannte „Hafeninnentäterproblematik“ einzudämmen und wurde erfolgreich abgeschlossen. Es leistete einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Hafensicherheit in den deutschen Nordseehäfen. Für die Zukunft wird Niedersachsen die im Projekt initiierte Kooperation zwischen der Privatwirtschaft und den zuständigen Behörden zur effektiven Bekämpfung der OK fortführen.
Mit Inkrafttreten des KCanG zum 1. April 2024 werden die möglichen Auswirkungen auf den illegalen OK-Rauschgifthandel fortlaufend beobachtet. Eine belastbare Bewertung ist derzeit noch nicht möglich. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der Cannabismarkt für OK-Strukturen weiterhin von erheblichem Interesse bleibt.
Innenministerin Behrens erklärt dazu: „Der internationale Rauschgifthandel bleibt ein zentrales Betätigungsfeld der organisierten Kriminalität. Niedersachsen begegnet dieser Bedrohung mit einer klaren Strategie: enge Zusammenarbeit mit Bundes- und EU-Partnern, gezielte Überwachung der Häfen und innovative Projekte wie INOK. Wir setzen alles daran, die Einfallstore für Drogen konsequent zu schließen. Dabei beobachten wir auch die Auswirkungen der Cannabislegalisierung sehr genau. Schon jetzt zeigt sich: Die Legalisierung führt nicht zur Austrocknung des Schwarzmarktes. Organisierte Kriminelle versuchen weiterhin, ihre Einnahmequellen zu behaupten und ggf. sogar auszubauen – auch im Bereich Cannabis. Deshalb bleiben unsere Ermittlungsbehörden wachsam und konsequent im Vorgehen gegen illegale Handelswege.“
Kryptierte Kommunikation
Die organisierte Kriminalität nutzt weiterhin digitale Rückzugsräume wie das Darknet und verschlüsselte Kommunikation. Die Entschlüsselung und Auswertung bleibt ein wesentliches Instrument zur Aufdeckung und Zerschlagung krimineller Netzwerke.
Im Berichtsjahr 2024 spielte die Nutzung kryptierter Kommunikation in insgesamt 16 Verfahren eine Rolle. Auch nach Abschluss der EncroChat-Auswertung werden weiterhin Verfahren auf Basis neuer Daten, etwa von SkyECC, geführt. Die Sicherung und Analyse dieser Massendaten erforderten erhebliche personelle und technische Ressourcen. Die Analyse und Auswertung kryptierter Kommunikation stellt weiterhin einen zentralen Schwerpunkt in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität dar. In diesem Zusammenhang ist es von herausragender Bedeutung, bundesgesetzliche Regelungen zu schaffen, die den Strafverfolgungsbehörden in klar definierten Fällen einen Zugang zu entsprechenden Kommunikationsinhalten gewähren.
Innenministerin Behrens: „Die Entschlüsselung kryptierter Kommunikation ist für unsere Ermittlungsbehörden ein zentrales Instrument, um kriminelle Netzwerke aufzudecken und zu zerschlagen. Doch die technische Entwicklung schreitet rasant voran – und unsere rechtlichen Möglichkeiten halten nicht Schritt. Im Bereich der Gefahrenabwehr sorgen wir in Niedersachsen mit der Novelle des NPOG dafür, dass die Polizei auch in Zukunft maximal handlungsfähig bleibt. Ich fordere den Bund auf, endlich auch in der Strafprozessordnung klare und praktikable gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die unseren Ermittlerinnen und Ermittlern in klar definierten Fällen einen rechtssicheren Zugang zu verschlüsselter Kommunikation ermöglichen. Nur so können wir auch künftig effektiv gegen organisierte Kriminalität vorgehen.
Eigentumskriminalität (Sprengungen von Geldausgabeautomaten)
Durch intensive, institutionen- und länderübergreifende Maßnahmen (unter anderem die Einrichtung einer Task-Force GAA-Sprengungen im LKA Niedersachsen) und der Erstellung eines erfolgreichen Bekämpfungskonzepts konnte die Anzahl der Geldautomatensprengungen mit Hilfe weiterer flankierender Maßnahmen im Jahr 2024 nachhaltig reduziert werden.
Hierzu Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann:
„Unser konsequenter Einsatz gegen Geldautomatensprengungen zeigt Erfolg: Die Zahl der gesprengten Automaten ist stark rückläufig. Das führe ich unter anderem auf die hervorragende Arbeit unserer Zentralstelle bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück zurück, bei der wir die Ressourcen gebündelt und dadurch eine große Expertise geschaffen haben. Auch die intensive Zusammenarbeit mit anderen Behörden im In- und Ausland hat maßgeblich zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Aktuell bearbeitet die Zentralstelle noch mehrere große Verfahrenskomplexe und betreibt in diesem Zusammenhang auch die besonders wichtigen Strukturermittlungen. Nur wenn die kriminellen Gruppierungen nachhaltig zerschlagen und auch die Hintermänner strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, wird der Erfolg auf diesem Gebiet nachhaltig bleiben. Dabei sind wir auf einem sehr guten Weg.“
Cybercrime
Im Jahr 2024 wurden – wie bereits im Vorjahr – vier OK-Verfahren im Bereich Cybercrime geführt.
Die geringe Anzahl an OK-Verfahren in diesem Deliktsbereich ist darauf zurückzuführen, dass viele durch die Fachdienststellen geprüfte Cybercrime-Sachverhalte nicht den Kriterien der OK-Definition entsprechen. Regelmäßig handelt es sich um dynamische, projektbezogene Täterstrukturen ohne feste Gruppierungen, wodurch eine Einstufung als Organisierte Kriminalität erschwert wird. Aus diesem Grund werden eine Vielzahl der Cybercrimeverfahren nicht als OK gemeldet, obwohl zu vermuten ist, dass die Tatausführenden kriminelle Strukturen nutzen, um erfolgreich Straftaten zu begehen.
Zur Kenntnis zu nehmen ist eine zunehmende Professionalisierung krimineller Dienstleistungen im Sinne von „Crime-as-a-Service“. Die beteiligten Personen agieren oft weltweit verteilt, ohne persönliche Verbindung oder Kenntnis der Gesamtstruktur. Ihre Zusammenarbeit ist meist projektbezogen und temporär. Diese dezentralen und flexiblen Täterkonstellationen erschweren die Strafverfolgung erheblich und erfordern eine verstärkte grenzüberschreitende Kooperation sowie eine kontinuierliche Anpassung der Ermittlungsstrategien.
Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: „Unsere im vergangenen Jahr angekündigten Pläne zur Schaffung einer landesweiten Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime werden Realität: Voraussichtlich zum 01.06.2026 wird die neue Zentralstelle Cybercrime ihre Arbeit aufnehmen. Und das mit personeller Verstärkung: Im Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr sind für die neue Zentralstelle 19 neue Stellen vorgesehen. Weitere Stellen sollen im nächsten Jahr folgen. Zusammen mit der Verlegung bestehender Stellen an die neue Zentralstelle schaffen wir damit ein schlagkräftiges Zentrum für die Bekämpfung von Cybercrime. Wir investieren neben dem Personal gleichzeitig in moderne Infrastruktur, um den Ermittlerinnen und Ermittlern auch die nötigen Werkzeuge für eine effektive Strafverfolgung an die Hand zu geben.“
Innenministerin Behrens: „Cyberkriminelle agieren zunehmend professionell und global vernetzt. Die Herausforderung liegt in ihrer Dezentralität und technischen Raffinesse. Deshalb investieren wir gezielt in die digitale Ausstattung unserer Ermittlungsbehörden und treiben die internationale Kooperation voran – denn Cybercrime kennt keine Grenzen, unsere Strafverfolgung aber auch nicht.“
Reaktion auf Herausforderungen in der OK-Bekämpfung/ Aktuelle Entwicklungen in der Bekämpfung organisierter Kriminalität
OK-Täterstrukturen agieren flexibel, international vernetzt und nutzen modernste Technologien zur Tatbegehung. Um wirksam dagegen vorzugehen, müssen Sicherheitsbehörden frühzeitig neue Entwicklungen erkennen und mit passenden rechtlichen, technischen und personellen Maßnahmen reagieren.
Das LKA Niedersachsen hat im letzten Jahr in Abstimmung mit dem Nds. Innenministerium eine niedersächsische Plattform zur OK-Bekämpfung eingerichtet, die analog zur BKA-Plattform ins Leben gerufen wurde. Das Ziel dieser Plattform ist die Intensivierung der Vernetzung von Polizeidienststellen, die mit der Bekämpfung der OK befasst sind. Insbesondere Brennpunkte der OK sollen niedersachsenübergreifend frühzeitiger erkannt werden, um im Anschluss daran gemeinsam flexibel auf diese reagieren zu können.
Die bisherigen Erfahrungen mit dieser moderneren und agileren Form der direkten Vernetzung von Dienststellen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität sind durchweg positiv und zeigen deutlich, dass hier ein entscheidender Schritt in Richtung einer wirksameren und effizienteren OK-Bekämpfung gemacht wurde.
Ministerin Behrens: „Organisierte Kriminalität verändert sich rasant – sie ist flexibel, international vernetzt und technologisch hochgerüstet. Unsere Antwort darauf ist klar: Wir setzen auf moderne Ermittlungsstrategien, technische Innovationen und eine stärkere Vernetzung unserer Polizeidienststellen. Die neue niedersächsische OK-Plattform ist ein wichtiger Schritt für eine schnellere und gezieltere Reaktion auf kriminelle Brennpunkte.“

