Grußwort von Innenminister Uwe Schünemann zur Feierstunde „Fünf Jahre Reservisten in der Zusammenarbeit des Landeskommandos Niedersachsen mit den Kommunen“
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
meine Herren Generale und Herr Präsident Sauer,
sehr geehrter Herr Oberst Tebbel,
sehr geehrte Damen und Herren Landräte,
Soldatinnen und Soldaten, liebe Reservisten,
ich freue mich, heute bei Ihnen sein zu können.
Von Ministerpräsident McAllister sowie der gesamten niedersächsischen Landesregierung soll ich Ihnen herzliche Grüße und Wünsche ausrichten! Wir begehen heute eine für die zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) in Niedersachsen bedeutende Veranstaltung.
„Fünf Jahre Reservisten in der Zusammenarbeit des Landeskommandos Niedersachsen mit den Kommunen“ - dieses Thema ist allemal eine Feierstunde wert!
Denn:
Das neue territoriale Netzwerk in Niedersachsen hat sich in den ersten fünf Jahren seines Bestehens aus Sicht der Landesregierung im Bereich ergänzender Hilfeleistung und Katastrophenhilfe bewährt!
Hinter dem territorialen Netzwerk steht eine eingespielte Organisation
- aus dem Landeskommando Niedersachsen,
- aus den sechs Bezirksverbindungskommandos (angesiedelt bei den Polizeidirektionen),
- den 46 Kreisverbindungskommandos (angesiedelt bei den Landkreisen und kreisfreien Städten als Katastrophenschutzbehörden, bestehend aus Reservisten),
- fünf Regionalen Planungs- und Unterstützungstrupps (bestehend aus aktiven Soldaten)
- und den ZMZ-Stützpunkten Holzminden, Leer und Quakenbrück.
Ich möchte an dieser Stelle betonen:
Das Landeskommando Niedersachsen wird seinem Auftrag, erster Ansprechpartner der Bundeswehr für die Landesregierung und Landesverwaltung für alle territorialen Aufgaben der Streitkräfte zu sein, mehr als gerecht!
Die Verbindungen zwischen Bundeswehr und Landesregierung, Landesverwaltung und Katastrophenschutzbehörden sind auf allen Ebenen belastbar aufgebaut und funktionieren gut – im Interesse des Ganzen!
Veranstaltungen wie die heutige sind dafür der triftige Beweis!
Und ich danke dem Landtagspräsidenten für diese besondere Würdigung vor allem unserer Soldaten der Reserve! Es stimmt mich hoffnungsfroh, dass das bewährte territoriale Netzwerk auch nach der Strukturreform bestehen wird.
Die Damen und Herren Landräte fordere ich an dieser Stelle auf: Räumen Sie den Verbindungskommandos in ihren Katastrophenschutzstäben den gebührenden Platz ein und fordern Sie die Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Kreisverbindungskommandos (KVKs) aktiv ein!
Lassen Sie mich an dieser Stelle betonen: Die Bundeswehr gehört gerade in Zeiten des wiederholten Umbaus und der Neuausrichtung in den Fokus der Öffentlichkeit.
Der Platz der Bundeswehr ist und bleibt in der Mitte der Gesellschaft. Dort gehört sie hin!
Das gilt auch und gerade nach dem Wegfall der Wehrpflicht und im Zeichen der Umorientierung auf eine Freiwilligenarmee.
Dienstherr und Gesellschaft stehen in der Pflicht, die Soldatinnen und Soldaten in allen Belangen zu unterstützen, Ihr Engagement und Ihre persönliche Tapferkeit zu würdigen.
Mit hervorragenden Fähigkeiten versehen, erfüllen unsere Soldatinnen und Soldaten in zahlreichen Einsätzen ihren oft äußerst gefährlichen Auftrag.
Dies verdient unser aller Anerkennung und Respekt!
Unser Bundespräsident Joachim Gauck hat es erst vor wenigen Tagen bei seinem Antrittsbesuch bei der Bundeswehr auf den Punkt gebracht:
„Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sondern eine Stütze der Freiheit“!
Und noch etwas:
Versuche, die Bundeswehr zu attackieren bis hin zu kriminellen Brandanschlägen, wie wir sie vor wenigen Wochen erlebt haben, zielen auf das Herz unseres Gemeinwesens.
Die Landesregierung verurteilt diese hinterhältigen Angriffe! Wir werden alles dafür tun, diese Extremisten aufzuspüren und zur Rechenschaft zu ziehen!
Lassen Sie mich aber heute ein Thema vertiefen, das mir als Innenminister, der für Katastrophenschutz und die zivil-militärische Zusammenarbeit zuständig ist, besonders wichtig ist: die Gewährleistung des Heimatschutzes.
Eine Aufgabe der Bundeswehr laut den gültigen Verteidigungspolitischen Richtlinien ist es,
„Beiträge zum Heimatschutz“ zu leisten.
Dies umfasst
- Verteidigungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet
- sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen, zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei innerem Notstand.
Die verstärkte Ausrichtung auf die Auslandseinsätze darf – aus meiner Sicht – nicht dazu führen, dass diese Aufgaben aus dem Blick geraten.
Denn: Bereits das Grundgesetz sieht die subsidiäre Hilfe der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder anderen besonders schweren Unglücksfällen ausdrücklich vor.
Diese Einsatzoption ist damit alles andere als eine atypische und unverbindliche Serviceleistung der Streitkräfte, sondern verfassungsrechtlich aufgegeben!
Das bedeutet: Die Bundeswehr muss in besonderen Gefahrenlagen auch tatsächlich in der Lage sein, diese grundgesetzliche Aufgabe zu erfüllen.
Wie wichtig die helfenden Hände der Soldatinnen und Soldaten im Ernstfall sind, haben wir in Deutschland – insbesondere auch in Norddeutschland – in unterschiedlichsten Szenarien in den vergangenen Jahrzehnten bereits hautnah erlebt.
Wir wissen allerdings auch: Die Katastrophenhilfe der Bundeswehr wird durch die mehrfache Verkleinerung der Streitkräfte und durch den teilweisen Rückzug aus der Fläche nicht leichter
– um es einmal vorsichtig auszudrücken!
Und die Abschaffung der Wehrpflicht hat auch in diesem Kontext ihre besondere Bedeutung.
Daher muss fortlaufend genau geprüft werden, welche Mindestforderungen seitens der Länder an den Bund zu stellen sind, um die nötige Katastrophenhilfe im Bedarfsfall sicherzustellen.
Es wird in der Folge nun darauf ankommen, die Strukturen der zivil-militärischen Zusammenarbeit intelligent weiterzuentwickeln.
Denn eines liegt auf der Hand:
In Zeiten des Klimawandels und eines nach wie vor virulenten internationalen Terrorismus wird das Risiko von besonderen Gefahrenlagen im Inland nicht kleiner.
Auf den Punkt gebracht: Heimatschutz, insbesondere die Katastrophenhilfe, muss einen festen Platz in unserer sicherheitspolitischen Agenda haben!
Welche Rolle spielen nun Sie, die heute hier zahlreich vertretenen Reservisten der Bundeswehr?
Erstens:
Die Reservistinnen und Reservisten sind als Staatsbürger in Uniform Mittler zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Diese Aufgabe gewinnt klar an Bedeutung!
Sie sind sicherheitspolitische Multiplikatoren, die in ihrem ganz persönlichen Umfeld über den Auftrag und die Bedeutung der Streitkräfte informieren und überzeugend für deren Belange eintreten.
Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag für die Verankerung der Bundeswehr und ihres Verteidigungsauftrags in der Gesellschaft.
Gerade in Zeiten der Verkleinerung und nach Aussetzung der Wehrpflicht dürfen die Streitkräfte und ihr Auftrag im gesellschaftlichen Bewusstsein nicht an Präsenz und Bedeutung verlieren.
Denn es gehört sehr deutlich in das öffentliche Bewusstsein und verdient breite Anerkennung und Wertschätzung, welche Leistungen die Bundeswehr für die Freiheit und Sicherheit unseres Landes und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger seit nun knapp sechs Jahrzehnten erbringt.
Zweiter wichtiger Punkt:
Die Einsatzarmee Bundeswehr ist ohne eine moderne und leistungsfähige Reserve kaum denkbar! Reservisten finden wegen ihres zivil erworbenen Spezialwissens und ihres guten militärischen Ausbildungsstandes bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr Verwendung.
Oder sie leisten in der Heimat Dienst anstelle im Ausland weilender Kameraden und stellen damit die Durchhaltefähigkeit der Verbände sicher.
Und drittens:
Die Reservisten der Bundeswehr haben eine hohe Bedeutung für die zivil-militärische Zusammenarbeit – genau gesagt: Bei der Hilfeleistung der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen. Im Zuge der Bundeswehrreform werden Reservisten künftig eine noch stärkere Einbindung im Bereich des Heimatschutzes erfahren. Lassen Sie mich deshalb kurz auf die neue „Konzeption der Reserve“ (KdR) des Bundesverteidigungs-ministers eingehen.
Mit der „KdR“ soll künftig der Heimatschutz als wesentliche Aufgabe der Reserve gestärkt werden. Es sollen nun bundesweit 27 sogenannte Regionale Sicherungs- und Unterstützungseinheiten aufgestellt werden, in denen insgesamt bis zu circa 2.700 Reservisten dienen können. (Jeweils eine RSU-Einheit ist als Kompanieäquivalent ca. 100 Mann stark)
Die RSU-Kräfte, die vorwiegend aus Reservisten bestehen, sollen die aktive Truppe bei ihren Aufgaben im Rahmen des Heimatschutzes unterstützen.
Damit nehmen sie in erster Linie Wach- und Sicherungsaufgaben wahr, können aber auch zu anderen militärischen Aufgaben, wie zur Unterstützung von Großvorhaben und Projekten, herangezogen werden.
Darüber hinaus ist auch ihr Einsatz im Rahmen des Katastrophenschutzes möglich. Die erste RSU-Kompanie ist kürzlich in Bremen in Dienst gestellt worden. Für Niedersachsen sind bis zu drei dieser sogenannten RSU-Kräfte vorgesehen.
Ich hoffe sehr und bin guter Dinge, dass wir auch bald bei der ersten Indienststellung in Niedersachsen dabei sein können!
Ich begrüße diesen Ansatz ausdrücklich!
Es ist momentan allerdings schwer einzuschätzen, ob damit in Zukunft der Wegfall an aktiver Truppe in den Bereichen der ergänzenden Hilfeleistung/Katastrophenhilfe ausgeglichen werden kann (Stichwort: Manpower und Spezialfähigkeiten Sanität, ABC-Abwehr, Pionierwesen etc.).
Die niedersächsische Landesregierung wird die weitere Entwicklung jedenfalls aufmerksam verfolgen.
Die Verlässlichkeit der Bundeswehr bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit, insbesondere beim Katastrophenschutz und in der Katastrophenhilfe, wird für die Länder weiterhin eine Kernforderung an den Bund sein. Da lasse ich als Niedersächsischer Innenminister nicht locker!
In diesem Zusammenhang ist mir noch ein Punkt besonders wichtig:
Bei den Arbeitgebern muss – auch durch die Politik – noch mehr für die Akzeptanz des Reservistendienstes geworben werden.
Denn dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Bundeswehr genügend geeignete Reservisten finden kann, ist eine wehrpolitische Kernaufgabe, die uns auf allen Ebenen beschäftigen muss.
Die Bundeswehr, ihre Soldaten und Reservisten haben in diesen schwierigen Zeiten unser aller Rückhalt verdient!
Unsere Soldaten – ob Aktive oder Reservisten – stehen als „Mut-Bürger in Uniform“ (Joachim Gauck) in ganz besonderer Weise für unser Land ein: Sie dienen Deutschland und tun etwas für Ihr Land! In dieser Beziehung sind sie beispielgebend für viele andere gesellschaftliche Bereiche.
Werte wie Kameradschaft, Hilfe, Einsatz für andere Menschen werden bei ihnen gepflegt.
Und das alles ehrenamtlich!
Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich allen Reservistinnen und Reservisten und spreche Ihnen meinen Respekt für Ihre Bereitschaft aus, sich für unser Gemeinwesen, für die Freiheit und Sicherheit unserer Bürger einzusetzen.
Sie sind aus dem Erfolgsmodell der wehrhaften Demokratie nicht wegzudenken!
Wir Niedersachsen - als das Bundeswehrland Nr. 1 - sehen uns eng mit der Bundeswehr und mit ihren Reservisten verbunden.
Das wird auch in Zukunft so bleiben!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!