Ermittlungsarbeit der niedersächsischen Polizei
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.04.2013; Fragestunde Nr. 22
Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU)
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Der niedersächsische Richterbund bemängelte Ende Januar 2013 die Qualität der Ermittlungsarbeit und insbesondere die Spurensicherung der niedersächsischen Polizei. Der Neuen Presse vom 29. Januar 2013 war zu entnehmen, dass daraufhin der damalige innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Bachmann, beklagte, die Aufklärungsquote von Straftaten werde beschönigt und es solle qualifizierter ermittelt werden. Ferner seien die Beamtinnen und Beamten der Polizei mit Verwaltungsarbeit überlastet.
Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Janssen-Kucz, beklagte im gleichen Artikel insbesondere fehlende Fortbildungen der Polizistinnen und Polizisten, um gesellschaftlichen Veränderungen gerecht werden zu können.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie beurteilt die Landesregierung Vorwürfe, die Ermittlungsarbeit der niedersächsischen Polizei weise eine nicht ausreichende Qualität auf?
2. Wie beurteilt die Landesregierung Vorwürfe, die Aufklärungsquote von Straftaten sei geschönt und die Polizei werde durch das Führen von Statistiken in ihrer Arbeit belastet?
3. Gibt es ausreichend Fortbildungen für die niedersächsische Landespolizei und zu welchen Themen?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Bereits im Januar 2013 wurde die öffentlich geäußerte Kritik der stellvertretenden Vorsitzenden des Richterbundes durch den Landespolizeidirektor und den Präsidenten des Landeskriminalamtes Niedersachsen zurückgewiesen.
Beide führten in einer Presseerklärung aus, dass der Niedersächsische Richterbund die Polizeiorganisation aus den 90er Jahren kritisiere, die bereits 2004 eine Fortschreibung erfahren habe und zwar mit dem erklärten und umgesetzten Ziel, die Kriminalitätsbekämpfung als Aufgabenschwerpunkt der Polizei zu stärken.
Mit dieser organisatorischen Veränderung sind Optimierungen in der Ausbildung der Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger sowie in der zentralen bzw. dezentralen Fortbildung der niedersächsischen Polizei verbunden gewesen. Auch sind damit hohe Investitionen bei den Führungs- und Einsatzmitteln, insbesondere zur Kriminalitätsbekämpfung, vollzogen worden.
So sind z. B. DNA-Analysegeräte, kriminaltechnische Labore in den Polizeiinspektionen, digitale Fingerabdruckscanner und sonstige kriminaltechnische Geräte beschafft worden. Festzustellen bleibt, dass die messbaren Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungsarbeit sehr gut und im Bundesvergleich überdurchschnittlich zu bewerten sind.
Es bleibt somit bei der Feststellung, dass die niedersächsischen Polizeibeamtinnen und -beamte hoch motiviert und fachlich kompetent sind sowie hervorragende Arbeit leisten.
Die Einrichtung von Teams zur spezialisierten Tatortaufnahme in den „Rund-um-die-Uhr-Diensten“ der Polizeiinspektionen, die Bündelung der Verantwortlichkeit für die gesamte Kriminalitätsbekämpfung in einer Hand und die permanente Qualitätskontrolle in der Kriminaltechnik sind nur einige zu nennende Rahmenbedingungen, die dazu beigetragen haben, die polizeiliche Aufklärungsquote von unter 50 % in den 90er Jahren auf nunmehr rund 61 % zu steigern.
Die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten liegt seit den 90er Jahren wechselnd zwischen 92 % und 99 %, allein in den letzten drei Jahren betrug sie zwischen 96 % und 98 %.
Auch in anderen kriminalistisch besonders herausfordernden Phänomenen, wie z.B. der Bearbeitung von Wohnungseinbrüchen, kann die niedersächsische Polizei eine Aufklärungsquote von rund 25% verbuchen, diese Zahl liegt über dem Bundesschnitt von 20%. Diese Zahlen sind – ohne Zweifel – ein Ergebnis erfolgreicher Polizeiarbeit in Niedersachsen und sprechen für die verantwortungsvolle Arbeit unserer Polizeibeamtinnen und -beamten.
Komplexe und strukturelle Fragen der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft – auch solche der kriminalistischen Standards und Fortbildung – werden regelmäßig zwischen den drei niedersächsischen Generalstaatsanwälten und der Leitungsebene des Landeskriminalamtes besprochen. Auch hier ist Kritik zu etwaigen strukturellen Defiziten der Ermittlungsarbeit der Polizei nicht vorgetragen worden.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1.:
Die Landesregierung hat in der Gesamtbetrachtung keinen Zweifel an einer erfolgreichen, fachlich kompetenten und hoch motivierten Ermittlungsarbeit der niedersächsischen Polizei.
Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkung.
Zu Frage 2.:
Der Landesregierung liegen keine Hinweise vor, die darauf hindeuten, dass die Erfassung relevanter statistischer Daten für die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in Niedersachsen nicht nach den bundesweit vereinbarten Erfassungsrichtlinien erfolgt.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) dient der Beobachtung der Kriminalität und einzelner Deliktsarten, des Umfangs und der Zusammensetzung des Tatverdächtigenkreises sowie der Veränderung von Kriminalitätsquotienten.
Sie ist zur Erlangung von Erkenntnissen für vorbeugende und verfolgende Kriminalitätsbekämpfung, für organisatorische Planungen und Entscheidungen sowie für kriminologisch-soziologische Forschungen und kriminalpolitische Maßnahmen von Bedeutung. Weder Bund noch Länder verzichten jeweils auf dieses Instrument zur Messung von Kriminalität und deren Entwicklung.
Die Ermittlung statistischer Kennzahlen, sowohl für die Aufklärungsquote als auch für andere Bereiche, ist unterschiedlich aufwendig. Die Landesregierung wird die Schwerpunktsetzung bei der Erhebung der unterschiedlichen Zahlen insofern überprüfen, dass der Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht, um zusätzliche Arbeitsbelastung bei der Polizei zu vermeiden.
Dies geschieht auch im Rahmen der Weiterentwicklung des niedersächsischen Vorgangsbearbeitungssystems (VBS) NIVADIS, in dem die erforderlichen PKS-Daten seit dem 01.09.2005 automatisch aus dem VBS generiert und damit im Einzelfall keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand erzeugen.
Zu Frage 3.:
Einen wesentlichen Baustein für den Erfolg in der polizeilichen Kernaufgabe der Kriminalitätsbekämpfung stellt die Professionalisierung der Polizeibeamtinnen und -beamten (PVB) dar. Qualitativ gute Ermittlungen sind nur möglich, wenn die einschreitenden PVB in den unterschiedlichen Funktionen ausreichend fachlich qualifiziert sind. Dies gilt umso mehr, als die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse, der technologische Fortschritt, aber auch die zunehmende Professionalisierung des polizeilichen Gegenübers hohe Anforderungen an die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Polizei stellen.
In der landesweiten Schwerpunktsetzung nimmt die kriminalistische Aus- und Fortbildung in den zurückliegenden Jahren eine herausragende Stellung ein:
Der Einstieg in den Polizeiberuf erfolgt über einen international anerkannten und im letzten Jahr reakkreditierten Studiengang an der Polizeiakademie Niedersachsen (PA). Die landesweite Schwerpunktsetzung im Bereich der polizeilichen Kernaufgabe der Kriminalitätsbekämpfung hat dazu geführt, dass die Anzahl der grundsätzlich 45-minütigen Lehrveranstaltungsstunden (LVS) in dem zum 01.10.2012 überarbeiteten Curriculum weiter erhöht wurde.
Die kriminalwissenschaftlichen Lehrinhalte werden intensiv durch praktische Polizeitrainings (Tatortarbeit, Spurensuche und -sicherung, Vernehmung, Durchsuchung, pp.) begleitet, so dass alle Studierenden in der Lage sind, eigenverantwortlich Tatortarbeit und kriminalistische Ermittlungen durchführen zu können. Die Spezialisierung „Ermittlungen“ im dritten Studienjahr qualifiziert die Absolventen darüber hinaus für eine Erstverwendung im Bereich Spezialisierte Tatortarbeit und/oder in den ermittelnden Bereichen.
Ferner wurden mit Einrichtung der PA erstmalig die Bereiche Aus- und Fortbildung verzahnt und organisatorisch zusammengeführt. Dadurch ist insbesondere im Bereich der Kriminalwissenschaften sichergestellt, dass die Bachelorabsolventen durch umfangreiche und auf die grundlegende Ausbildung aufbauende Fortbildungsangebote ihr kriminalistisches Wissen ausbauen können.
Die PA führt jedes Jahr umfangreiche kriminalistische und kriminaltechnische Fortbildungsmaßnahmen durch. Darüber hinaus stellt die Fortbildung in diesem wesentlichen Aufgabenfeld eine der zentralen Schwerpunkte der dezentralen Fortbildung in den Behörden dar. Um den durchaus unterschiedlichen Anforderungen und infrastrukturellen Besonderheiten der Polizei in dem Flächenland Niedersachsen Rechnung zu tragen, wurde in Abstimmung mit den Polizeibehörden auf eine übermäßige Reglementierung und Standardisierung der dezentralen kriminalistischen Fortbildung verzichtet.
Im Rahmen der zentralen Fortbildung durch die PA findet die kriminalpolizeiliche Spezialfortbildung in den Studiengebieten 1 und 5 statt.
Sowohl die Anzahl der Seminare und Trainings als auch die Anzahl der Teilnehmer konnte in den zurückliegenden fünf Jahren entsprechend der landesweiten Schwerpunktsetzung deutlich gesteigert werden.
Alle durch die Polizeibehörden gemeldeten Bedarfe für die grundlegende Fortbildung in den Bereichen Kriminalistik und Kriminaltechnik konnten durch die PA umgesetzt werden.