Entsendung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ins Ausland
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.06.2012; Fragestunde Nr. 20
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Klaus-Peter Bachmann und Sigrid Leuschner (SPD)
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Jedes Jahr nehmen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus Niedersachsen an friedensichernden Missionen im Ausland teil. Allerdings ist unklar, wie die Entsendung rechtlich ausgestaltet ist.
Derzeit entscheidet die Bundesregierung über die grundsätzliche Entsendung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Die Rahmenbedingungen der Entsendung von Landesbeamtinnen und -beamten wurden 1994 durch einen Beschluss der ständigen Konferenz der Innenminister geschaffen und intern im niedersächsischen Innenministerium konkretisiert. Danach stellen die Bundesländer Zwei Drittel und der Bund ein Drittel der entsendeten Beamtinnen und Beamten bis zum 450. Beamten zur Verfügung, verteilt nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel.
Im Bundesrecht schreibt § 8 BPolG eine Unterrichtungspflicht des Bundestages über Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor und regelt ein Rückholrecht. Ähnliche Vorschriften fehlen im niedersächsischen Landesrecht, sodass die genaue Ausgestaltung der Entsendung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ins Ausland dem Landtag unbekannt bleibt. Der Landtag jedoch beschließt in jedem Jahr den Haushalt, ohne dass klar ist, ob auch Mittel für Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten einbezogen sind und in welcher Höhe. Außerdem ist fraglich, ob die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten während ihrer riskanten Auslandstätigkeit adäquat versorgt werden.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Werden die ins Ausland entsandten niedersächsischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für den Zeitraum von Auslandsmissionen der Bundespolizei unterstellt, und in welcher Organisationsform nehmen sie an Auslandseinsätzen teil?
2. Welche Mehrkosten entstehen dem Land Niedersachsen durch die Entsendung (bitte aufschlüsseln nach Positionen für einen Beamten), erfolgt eine Kostenerstattung durch den Bund für die Mehrkosten der Länder aufgrund von Auslandseinsätzen durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, und gibt es diesbezüglich eine Verordnung im Sinne des § 114 Abs. 5 Nr. 5 NBG?
3. Wie ist der Versicherungsschutz der im Ausland tätigen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geregelt?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Mit der Beteiligung deutscher Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten an internationalen Friedensmissionen wird eine wichtige außenpolitische Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen.
Niedersachsen beteiligt sich seit 1994 an internationalen Polizeimissionen sowie an bilateralen Polizeiprojekten der Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Die niedersächsische Polizei leistet hier gemeinsam mit den anderen Ländern und dem Bund einen bedeutsamen Beitrag, etwa für den Aufbau demokratischer und rechtstaatlicher Strukturen oder einer lokalen Polizei in den jeweiligen Einsatzgebieten. Die in diesen Missionen erfolgreiche und hoch angesehene Arbeit niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten unterliegt dabei erheblichen Anforderungen. Der Einsatz niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Rahmen von Friedensmissionen erfolgt ausschließlich auf der Grundlage von Freiwilligkeit.
1994 hat die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren die ständige Bund-/ Länder-Arbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“ (AG IPM) eingerichtet. Sie ist Beratungs- und Entscheidungsgremium in allen Fragen der Vorbereitung, Beteiligung und Durchführung von Auslandsmissionen, soweit nicht gesetzliche Regelungen oder andere Zuständigkeiten entgegenstehen. Die AG IPM hat bundeseinheitliche Standards und Rahmenrichtlinien für den Einsatz deutscher Polizeibeamtinnen und -beamten im Rahmen internationaler Friedensmissionen (Leitlinien) abgestimmt, in der im Wesentlichen die zahlreichen Details der Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung eines Auslandseinsatzes geregelt sind.
Die Personalgestellung für polizeiliche Auslandsmissionen erfolgt auf der Grundlage der vorgenannten Leitlinien der AG IPM. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich mit bis zu 910 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten an internationalen Friedensmissionen. Diese werden gegenwärtig bis zum 450. Beamten bzw. bis zur 450. Beamtin zu einem Drittel durch den Bund und zu zwei Dritteln durch die Länder, ab dem 451. Beamten bzw. der 451. Beamtin zu gleichen Teilen gestellt. Die Beiträge der Bundesländer berechnen sich grundsätzlich nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ in der jeweils geltenden Fassung.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Entsendung der Polizeikontingente erfolgt zentral durch das Bundesministerium des Innern (BMI). Alle mit der Entsendung im Zusammenhang stehenden Maßnahmen werden durch die Geschäftsstelle der AG IPM im BMI vorbereitet und durchgeführt. Die Länder ordnen dazu ihre Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten nach § 14 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) in den Geschäftsbereich des BMI, an das Bundespolizeipräsidium, ab. Die aufnehmende Behörde im Geschäftsbereich des BMI weist dann die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten gemäß § 29 Bundesbeamtengesetz (BBG) dem für den Einsatz verantwortlichen zwischen- oder überstaatlichen Mandatgeber zur Dienstverrichtung zu.
Gemäß § 8 Bundespolizeigesetz (BPolG) kann die Bundespolizei u.a. zur Mitwirkung an polizeilichen oder anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen auf Ersuchen und unter Verantwortung der Vereinten Nationen, einer regionalen Abmachung oder Einrichtung gemäß Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen (z.B. OSZE), der die Bundesrepublik Deutschland angehört, der Europäischen Union oder der Westeuropäischen Union im Ausland verwendet werden. Diese für die Bundespolizei geschaffene einfachgesetzliche Rechtsgrundlage findet infolge der Abordnung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten der Länder in den Geschäftsbereich des BMI für das gesamte deutsche Kontingent Anwendung. Darüber hinaus ist für das bilaterale Polizeiprojekt in Afghanistan zudem das „Sitz- und Statusabkommen mit Afghanistan“ im Rahmen des § 65 Abs. 2 BPolG einschlägig.
Die dargestellte Verfahrensweise, die im Wesentlichen seit 1994 praktiziert wird, hat sich bewährt und als ausreichend erwiesen.
Zu 2.:
Die in Zusammenhang mit der Teilnahme von deutschen Polizeivollzugsbeamtinnen und
-beamten an internationalen Friedensmissionen zu berücksichtigenden Kosten verteilen sich auf Bund und Länder nach Maßgabe der in der AG IPM abgestimmten Leitlinien grundsätzlich wie folgt:
Personalkosten
Bund:
- Auslandsbedingte Personalmehrkosten (Auslandsbesoldung, Aus- und Inlandsreisekosten)
Länder:
Inlandsbesoldung
Heilfürsorge/Beihilfe
Nach § 114 Abs. 1 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) haben nur noch die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten, die seit dem 31. Januar 1999 ununterbrochen im niedersächsischen Landesdienst stehen, Anspruch auf die Gewährung von Heilfürsorge. Alle anderen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten haben nach § 80 Abs. 1 NBG Anspruch auf Beihilfe. Die Verordnung nach § 114 Abs. 5 NBG wird derzeit erarbeitet. Bis zu deren Inkrafttreten sind die am 31. März 2009 geltenden Vorschriften über die Gewährung von Heilfürsorge für die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten und die Beamtinnen und Beamten im Einsatzdienst weiter anzuwenden. Nach § 23 Abs. 2 Satz 2 der weiterhin geltenden Heilfürsorgebestimmungen werden bei einem Auslandsaufenthalt aus dienstlichen Gründen die tatsächlich entstandenen Kosten im Rahmen des medizinisch Notwendigen erstattet. Auch die Niedersächsische Beihilfeverordnung (NBhVO) enthält eine Reihe besonderer Regelungen in Bezug auf die Erstattung von Aufwendungen, die im Ausland entstanden sind. Als angemessen im beihilferechtlichen Sinn wird generell die ortsübliche Vergütung berücksichtigt.
- Medizinische Kosten im Inland (einschließlich Vor- und Nachuntersuchungen)
- beamtenrechtliche Versorgung
Sachkosten
Bund:
- zusätzliche Ausstattung
- Betreuung und Inspektionsreisen der Geschäftsstelle und der/des Vorsitzenden der AG IPM und des Kriseninterventionsteams des BMI
- Nationale Betreuungskomponente
- Transportkosten der erforderlichen Ausstattung
Länder:
- allgemeine Ausstattung
- Auswahlverfahren
- Sachkosten der erforderlichen Personaldokumente
Kosten für Fortbildung, Vor- und Nachbereitung
Bund:
- Reisekosten
- Internationale Lehrgänge
- Externe Trainerfortbildung
- Informations- und Evaluierungsreisen der Trainingszentren
Länder:
- Interne Fortbildungen
Die Sachkosten der Trainingszentren werden von den Trägern der Trainingszentren (Bund, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg) im Rahmen der Kostenverzichtsvereinbarung zwischen Bund und Ländern getragen.
Konkrete Mehrkosten, die dem Land Niedersachsen durch eine Entsendung entstehen, lassen sich nicht pauschal anhand eines Beispiels beziffern, da es im Detail auf die jeweilige Mission ankommt. Die Vor- und Nachuntersuchung erfolgt grundsätzlich durch den Medizinischen Dienst Braunschweig, daher fallen insoweit im Allgemeinen keine zusätzlichen Ausgaben an. In der Vorbereitungsphase von Auslandseinsätzen entstehen Kosten für eine Impfprophylaxe, die ebenfalls nicht genau zu beziffern sind, da sich die Art der notwendigen Impfungen nach dem jeweiligen Einsatzland und den aktuellen Impfempfehlungen für dieses Land richten. Weitere Kosten für die Impfungen entstehen nicht, da auch diese von Polizeiärzten durchgeführt werden. Die Gesamtkosten für die allgemeine Ausstattung (Uniform, Einsatzanzüge, Einsatzstiefel, pp.) betragen maximal ca. 1.300,- Euro je Beamtin/Beamten.
Insgesamt lässt sich aber zusammenfassend feststellen, dass der Bund im Wesentlichen die Mehrkosten, die aufgrund von Auslandseinsätzen niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten zusätzlich anfallen, trägt.
Zu 3.:
Während einer Auslandsmission bleibt das Land Dienstherr für die im Einsatz befindlichen Polizeibeamtinnen und -beamten (siehe Antwort zu 1). Für Beamtinnen und Beamte gelten die versorgungsrechtlichen Regelungen des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes (NBeamtVG) abschließend. Das Land nimmt für die Absicherung eines Risikos für seine Beamtinnen und Beamten grundsätzlich keine Versicherungen in Anspruch.
Unter den vielfältigen und komplexen Regelungen des NBeamtVG kommt dem Abschnitt V „Unfallfürsorge“ ein besonderes Augenmerk zu. Hier sind u.a. Regelungen zur Einsatzversorgung, zum erhöhten Unfallruhegehalt, zum Unfallausgleich oder zur Unfall-Hinterbliebenenversorgung zu nennen. Insgesamt gibt es diverse Normen, die die notwendige Fürsorge für im Ausland eingesetzte Beamtinnen und Beamte besonders berücksichtigen.
Den für den Einsatz im Rahmen internationaler Friedensmissionen vorgesehenen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten wird als Ergänzung empfohlen, eine private
Unfall-, Haftpflicht- und Lebensversicherung abzuschließen und zur Wahrung ihres Versicherungsschutzes den Trägern ihrer privaten Schadensversicherung die Beteiligung an einer mandatierten Friedensmission anzuzeigen. Die Versicherungsbeiträge und gegebenenfalls anfallende Risikozuschläge werden nicht übernommen, da diese durch die Gewährung des Auslandverwendungszuschlages bereits abgegolten sind.