Einzelfallprüfungen bei bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.04.2013; Fragestunde Nr. 37
Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ansgar Focke (CDU)
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Mit Blick auf die Vorgänge mit einer Mutter aus Lüchow-Dannenberg, die nachts aus dem Schlaf gerissen wurde und mit ihren zwei minderjährigen Kindern, von dem Rest der Familie getrennt, abgeschoben wurde, hat der Innenminister in der Plenarsitzung am 14. März 2013 angekündigt, sich künftig alle Einzelfälle anstehender Abschiebungen persönlich vorlegen zu lassen.
Die taz vom 28. März 2013 berichtet von einer geplanten Abschiebung einer Familie aus dem Landkreis Vechta in die Republik Kosovo am 10. April 2013. Der Anwalt der Familie äußert in diesem Artikel die konkrete Erwartung, dass diese Abschiebung gestoppt werde. Der Vorsitzende des Flüchtlingsrates soll nach diesem Bericht darauf setzen, dass Härtefälle eingehend geprüft werden.
Laut Aussage einer Sprecherin des Ministers im gleichen Artikel sollte dem Innenminister in der folgenden Woche der Fall vorgelegt werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Abschiebefälle und aus welchen Landkreisen wurden dem Innenminister seit dem 14. März 2013 vorgelegt, und wie viele Menschen waren betroffen?
2. Hat sich der Innenminister mit allen Fällen persönlich befasst, und wurden auf seine oder des Innenministeriums Veranlassung aufenthaltsbeendende Maßnahmen abgebrochen oder aufgeschoben (aufgeteilt nach Landkreisen)?
3. Auf welchen rechtlichen Grundlagen hat der Innenminister oder das Innenministerium interveniert, und welche direkten und indirekten Kosten (z. B. weiterer Bezug von Sozialleistungen) sind dadurch für wen entstanden?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Umsetzung des Aufenthaltsgesetzes erfolgt durch die örtlich zuständigen Ausländerbehörden. Dazu gehört auch die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern, die ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht selbstbestimmt nachgekommen sind. Das Ministerium für Inneres und Sport ist zuständige Fachaufsichtsbehörde der kommunalen Ausländerbehörden.
Die von der Ausländerbehörde eingeleitete Abschiebung der kosovarischen Familie aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg, in deren Verlauf es zu einer Trennung der Familie gekommen ist, war Anlass für Innenminister Pistorius, sich über die von den Ausländerbehörden beim Landeskriminalamt angemeldeten Abschiebungsfälle wöchentlich unterrichten zu lassen, da diese Vorgehensweise von der neuen Landesregierung nicht fortgeführt werden wird. Vielmehr wird zukünftig – unter Vorgriff auf die erleichterten Zugangsvoraussetzungen zur Härtefallkommission – geprüft werden, ob den betreffenden vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern die Möglichkeit eingeräumt werden kann, sich mit einer ggf. erneuten Eingabe an die Härtefallkommission zu wenden, um dadurch gegebenenfalls noch ein Aufenthaltsrecht aus besonderen persönlichen oder humanitären Gründen erreichen zu können.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Seit dem 14. März 2013 lässt sich Innenminister Pistorius wöchentlich über die geplanten Abschiebungen informieren. In der Zeit vom 14. März 2013 bis zum 17. April 2013 wurde er über 28 Abschiebungsfälle informiert, die sich auf insgesamt 32 Personen bezogen.
Zu 2.:
Die geplanten Abschiebungen sind Innenminister Pistorius vom Fachreferat entweder persönlich vorgetragen oder schriftlich übermittelt worden. Er hat sich mit den besonders gelagerten Fällen selbst intensiv befasst, insbesondere hinsichtlich der familiären Hintergründe, des bisherigen Aufenthaltszeitraums und des geplanten Vollzugs. In drei Fällen wurden bereits terminierte Abschiebungen storniert. Es handelt sich dabei zum einen um die geplante Abschiebung des Herrn Osmani und dessen Sohn aus dem Landkreis Lüchow -Dannenberg, um eine kosovarische Frau aus dem Landkreis Peine sowie eine kosovarische Familie aus der Region Hannover. In diesen Fällen soll den Betreffenden die Möglichkeit eröffnet werden, eine Eingabe an die Härtefallkommission zu richten.
In zwei weiteren Fällen aus den Bereichen der Landkreise Stade und Vechta wurden durch das Fachreferat des Innenministeriums fachaufsichtliche Hinweise gegeben, die zur Stornierung der geplanten Abschiebungen durch die jeweils zuständige Ausländerbehörde geführt haben.
Zu 3.:
Im Wege der Fach- und Rechtsaufsicht des Innenministeriums ist im Einvernehmen mit den örtlich zuständigen Ausländerbehörden jeweils im Einzelfall eine Lösung gefunden, die dem Paradigmenwechsel der neuen Landesregierung in der Ausländerpolitik gerecht wird. Durch diese Entscheidung sind Kosten für die Stornierung der Flüge entstanden und es entstehen weiterhin Kosten für die Gewährung öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts der betroffenen Personen. Die Kosten für die Stornierung der Flüge hat das Land Niedersachsen getragen. Die Belastung durch den Bezug der öffentlichen Leistungen tragen zunächst die Kommunen; sie erhalten jedoch vom Land eine pauschale Erstattung der Kosten nach dem Aufnahmegesetz.