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Der Fall „Bernd Kirchner“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.12.2012; Fragestunde Nr. 63


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Ursula Helmhold und Helge Limburg (GRÜNE)

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Die Landesregierung teilt in ihrer Antwort auf Frage 1 der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Ursula Helmhold „Der Fall ‚Bernd Kirchner’/Maßnahmen des Zeugenschutzes“ vom 30. Oktober 2012 zum Themenkomplex um den ehemaligen V-Mann G06 „Bernd Kirchner“ mit, dass Herr Kirchner „ durch sein Verhalten nahezu während der gesamten Zeit in den Jahren 2004 bis 2011 eine Durchführung sowohl von Zeugenschutzmaßnahmen als auch von gefahrenabwehrenden Schutzmaßnahmen unmöglich gemacht“ habe. Dabei stütze sie sich auf ihr vorliegende Berichte des Landeskriminalamtes Niedersachsen und der Polizeidirektion Hannover.

Im Weiteren wird auf die Modalitäten und Vereinbarungen zur (Neu-)Beschaffung von Ausbildungsunterlagen und Zeugnissen eingegangen, die laut Herrn Kirchner bei seinem im Jahre 2007 stattgefundenen Umzug aus einem verplombten Container verschwunden seien. Herr Kirchner gibt dazu an, dass er sowohl gegenüber der Polizei Hannover als auch gegenüber den Beamten des Zeugenschutzes Hannover seinen gesamten Lebenslauf und beruflichen Werdegang zum Zwecke der Rekonstruktion der Unterlagen angegeben habe. Diese sei jedoch nicht dementsprechend tätig geworden. Nach Aussage der Landesregierung habe Herr Kirchner jedoch keine entsprechenden Angaben gemacht. Polizeibeamte, welche unmittelbaren Kontakt zu Herrn Kirchner hatten, bestätigen die Darstellung von Herrn Kirchner.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Beispiele für konkrete Verhaltensmerkmale oder Handlungsweisen seitens Herrn Kirchners sind in den der Landesregierung vorliegenden Berichten des Landeskriminalamtes Niedersachsen bzw. der Polizeidirektion Niedersachsen aufgeführt, die offenbar dazu führen oder führten, das allgemeine „Verhalten“ Herrn Kirchners so zu charakterisieren, dass es eine Durchführung sowohl von Zeugenschutzmaßnahmen als auch von gefahrenabwehrenden Schutzmaßnahmen in den Jahren 2004 bis 2011 unmöglich gemacht habe?

2. Aufgrund welcher Erkenntnisse kam die Landesregierung zu der Aussage, Herr Kirchner habe keine näheren Angaben zu seinem Lebenslauf zum Zwecke der Rekonstruktion der Unterlagen gemacht?

3. Welche konkreten Verbesserungen für die Lebenssituation von Herrn Kirchner haben sich bislang aus den Unterstützungsmaßnahmen der Landesregierung ergeben?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Zunächst verweise ich auf die Antwort zu der Mündlichen Anfrage Nr. 48 des Abgeordneten Helge Limburg (GRÜNE) / „Der Fall ‚Bernd Kirchner’/Maßnahmen des Zeugenschutzes“ zu TOP 47 der 150. Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.11.2012.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich auf Grundlage der Berichterstattung der Polizeidirektion Hannover die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1.:

Herr Kirchner wurde im Jahr 2004 in das Zeugenschutzprogramm der Polizeidirektion (PD) Hannover aufgenommen, weil auf Grund seiner Tätigkeit als Vertrauensperson für ihn eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit bestand. Dabei zielten die Maßnahmen des Zeugenschutzes und der sich anschließenden gefahrenabwehrenden Maßnahmen insbesondere darauf ab, für die Dauer der Gefährdung zu gewährleisten, dass ein Rückschluss auf die neue Identität sowie den Aufenthaltsort des Herrn Kirchner ausgeschlossen ist.

Das den Erfolg der dazu getroffenen polizeilichen Maßnahmen gefährdende Verhalten des Herrn Kirchner wird exemplarisch an folgenden drei Beispielen verdeutlicht:

a) Das Zeugenschutzkonzept der PD Hannover sah im Jahr 2004 eine Wohnsitzverlagerung in ein anderes Bundesland vor. Dazu wurde unter Mitwirkung des Herrn Kirchner eine Wohnung in Nordrhein-Westfalen ausgewählt. Für eine 4-wöchige Anmietung wurde Herrn Kirchner der Betrag von 600,- Euro überwiesen. Als die Beamten der Zeugenschutzdienststelle dessen Mutter in Niedersachsen aufsuchten, um dort einige Kartons seiner vorherigen Unterkunft unterzubringen, trafen die Beamten auf Herrn Kirchner, der dort offensichtlich wohnte. Recherchen am vereinbarten Unterkunftsort in Nordrhein-Westfalen ergaben, dass Herr Kirchner sich dort nur kurzzeitig aufgehalten hatte.

b) Herr Kirchner nahm immer wieder Kontakt zu den Medien auf und stellte hierbei wiederholt eine Verbindung zwischen seiner Tätigkeit als ehemalige Vertrauensperson sowie seinem ehemaligen Namen und Aufenthaltsort einerseits und seinem aktuellen Namen und Aufenthaltsort andererseits her. So ließ er sich beispielsweise im Jahr 2005 unter Angabe seiner ehemaligen Identität (Bernd K.) und seines Alters für die „BILD“-Zeitung im Mantel und Hut abbilden.

c) Herr Kirchner suchte außerdem den Kontakt zu politischen Interessenvertretern und stellte auch hier immer wieder Bezüge zwischen seiner alten und seiner neuen Legende her. Diese sicherheitsrelevanten Informationen haben einen für die Polizei nicht mehr nachvollziehbaren Personenkreis erreicht. So liegt beispielsweise dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport eine Mitteilung eines Abgeordneten der Partei DIE LINKE aus dem Jahr 2010 an das Niedersächsische Justizministerium vor, in der offen die neue und alte Identität von Herrn Kirchner genannt werden.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass Herr Kirchner es durch sein Verhalten ermöglicht hat, dass ein Rückschluss auf seine neue Identität sowie seinen neuen Aufenthaltsort möglich war bzw. ist und er den Erfolg der polizeilichen Maßnahmen gefährdet hat.

Zu Frage 2.:

Wie bereits in der Antwortung zu der Mündlichen Anfrage Nr. 48 – „Der Fall ‚Bernd Kirchner’/Maßnahmen des Zeugenschutzes“ am 09.11.2012 dargestellt, hat Herr Kirchner Informationen zur Ersatzbeschaffung von Ausbildungsunterlagen für seine Ehefrau und sich der PD Hannover lediglich telefonisch übermittelt. Schriftliche Unterlagen hat er der PD Hannover nicht überreicht.

Zu Frage 3.:

Grundsätzlich ist zu den Maßnahmen des Zeugenschutzes bzw. zu gefahrenabwehrenden Schutzmaßnahmen zu bemerken, dass diese immer auch mit gewissen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden sind. Diese stehen jedoch, bezogen auf die Gefährdungssituationen der schutzwürdigen Personen, nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Schutzzweck.

Herr Kirchner war im Zeitraum 2000-2003 als Vertrauensperson für die PD Hannover tätig. Nach Beendigung der Tätigkeit als Vertrauensperson, für die er 15.000 Euro als Entlohnung erhielt, befand sich Herr Kirchner von Juni 2004 bis Januar 2005 im Zeugenschutzprogramm der Polizeidirektion Hannover, woran sich gefahrenabwehrende Schutzmaßnahmen und Unterstützungsmaßnahmen der Polizei anschlossen.

Während des gesamten Betreuungszeitraums wurden Herrn Kirchner umfangreiche Maßnahmen zu Teil, wobei auch seine persönlichen Wünsche und Interessen berücksichtigt wurden. Neben der Ausstellung entsprechender Ausweisdokumente, wurden identitätsabdeckende Maßnahmen im erforderlichen Umfang veranlasst. Die Suche nach einem angemessenen und sicheren Wohnort sowie die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt standen ebenfalls im Fokus der Maßnahmen. Darüber hinaus wurde Herrn Kirchner fortwährend ein polizeilicher Ansprechpartner zur Verfügung gestellt.

Die Maßnahmen der Polizei umfassen die persönliche, soziale und wirtschaftliche Situation von Herrn Kirchner. Neben Gesprächen mit einem Sozialwissenschaftler, der Agentur für Arbeit und einem Fachanwalt werden auch Gespräche mit den zuständigen Ausländerbehörden geführt. Diese Maßnahmen waren und sind darauf ausgerichtet, die Lebenssituation von Herrn Kirchner nachhaltig zu verbessern. Entscheidend dafür ist jedoch die konstruktive Mitwirkung des Herrn Kirchner, insbesondere bei der Arbeitssuche und -aufnahme.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.12.2012
zuletzt aktualisiert am:
12.12.2012

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