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Cyberangriff auf deutsche Unternehmen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13.12.2013; Fragestunde Nr. 53

Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten

Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen, Dr. Stefan Birkner, Almuth von Below-Neufeldt und Gabriela König (FDP) .

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Nach dem Cyber Security Report 2013 von IT-Systems, einer Tochterfirma der Deutschen Telekom, befindet sich die deutsche Wirtschaft bei Cyberangriffen unter Dauerbeschuss. Laut der Studie wird jedes zweite Unternehmen monatlich mit dem Ziel attackiert, es auszuspionieren oder zu beschädigen. Zwölf Prozent registrieren demnach sogar täglich Angriffe (Die Welt vom 12. November 2013).

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das Gefährdungspotenzial für den niedersächsischen Mittelstand durch Cyberkriminalität?

2. Welche Aktivitäten im Bereich des Schutzes und der Prävention vor Cyberkriminalität für Unternehmen gibt es bereits?

3. Will die Landesregierung, insbesondere angesichts der aktuellen Erkenntnisse über Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste, die Aktivitäten im Bereich der Beratung der mittelständischen Wirtschaft ausbauen?

Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Die Landesregierung beobachtet laufend die steigenden Risiken durch Cyberangriffe auf Unternehmen, aber auch auf Bürgerinnen und Bürger, die durch eine Vielzahl von Studien belegt werden. Sie tritt diesen Gefährdungen mit einem zentral koordinierten, strategischen Maßnahmenprogramm entgegen, das am 27.11.2012 als Cybersicherheitsstrategie für Niedersachsen beschlossen wurde. Damit intensiviert sie insbesondere die Prävention und Strafverfolgung im Bereich der Cyber-Kriminalität sowie die Bekämpfung der nachrichtendienstlich gesteuerten Spionage.

Mittlerweile wird die Strategie in einer Reihe von Projekten umgesetzt, wobei der Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und Wirtschaftsspionage einen Schwerpunkt bildet. So wurde aktuell eine Veranstaltungsreihe Cybersicherheit / Cyberkriminalität im Zusammenarbeit mit niedersächsischen Kommunen und Unternehmerverbänden begonnen. Als Auftakt wurde im Rahmen der Unterstützung des „1. Europäischen Cybersicherheitsmonats“ der EU die Webseite „Ratgeber Internetkriminalität“ des Landeskriminalamtes Niedersachsen freigegeben sowie eine Dunkelfeldstudie des LKA in Bezug auf Cyberkriminalität vorgestellt.

Um die vielfältigen Aktivitäten zur Bekämpfung von Cybergefahren weiter zu optimieren, wird als nächster Schritt die Einrichtung eines Cyberkompetenzzentrums Niedersachsen im Innenministerium geprüft. Das Kompetenzzentrum soll als einheitlicher Ansprechpartner die Aktivitäten im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, der Spionageabwehr, des Katastrophenschutzes sowie der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen und Cybersicherheitsexperten der Hochschulen und IT-Unternehmen koordinieren. Mit dem ganzheitlichen Ansatz zur Koordinierung der Cybersicherheit stellt sich Niedersachsen in die Spitze der Bundesländer.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.

Bei einer Vielzahl der Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet ist – wie auch bei Privatpersonen – von einem sehr zurückhaltenden Anzeigeverhalten der Wirtschaft auszugehen. Umfragen des Branchenverbandes BITKOM aus dem Jahr 2012 und eine Unternehmensbefragung zur Betroffenheit der Norddeutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2013 belegen, dass nur ein Bruchteil der gegen Wirtschaftsunternehmen begangenen Straftaten aus dem Bereich der Cyberkriminalität zur Anzeige gebracht wird. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die polizeilichen Statistiken und Meldedienste zurzeit keine ausreichenden Datengrundlagen liefern, um die Betroffenheit kleiner und mittelständischer Unternehmen durch Cyberangriffe richtig abzubilden. Niedersachsen unterstützt daher, umgehend eine zentrale bundesweite Erfassungsstelle für Internetstraftaten, wie im Berliner Koalitionsvertrag vereinbart, einzurichten.

Die polizeilich in Niedersachsen bekannt gewordenen Fälle belegen, dass durch Cyberangriffe und Computersabotagen neben – zum Teil erheblichen – finanziellen Schäden immaterielle Einbußen, wie Reputations- und Imageverluste, verursacht werden. Mit den vorliegenden Erkenntnissen ist von einem hohen Gefährdungspotenzial kleiner und mittelständischer Unternehmen – nicht nur in Niedersachsen – auszugehen.

Zu 2.

Die Landesregierung unternimmt erhebliche Anstrengungen, die Cybersicherheit von Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen zu verbessern und die Internetkriminalität zu bekämpfen. Ein zentrales Anliegen zur Reduzierung von Cyberangriffen und der Cyberkriminalität ist die Prävention. Hierzu hat die Landesregierung ein umfangreiches Maßnahmenprogramm gestartet, das abgestimmt durch das Landeskriminalamt Niedersachsen und den Wirtschaftsschutz im niedersächsischen Verfassungsschutz umgesetzt wird.

Mit der Einrichtung der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime für die Wirtschaft (ZAC) im Jahr 2012 im Landeskriminalamt Niedersachsen wurde ein umfangreiches Präventionsprogramm gestartet.

Dies umfasst insbesondere

die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden und Unternehmen, wie mit dem eco-Verband im Rahmen der „Initiative S – Sicherheit von Web-Auftritten“, durch Präventionsveranstaltungen, Veröffentlichungen in Verbandsperiodika und aktuelle Informationen per E-Mail über Gefahren im Internet bei Nutzung von IT-Systemen,

die Zusammenarbeit mit dem IT-Fachverlag heise-online im Zusammenhang mit erkannten Schwachstellen von Server- und Routersystemen und die bundesweite Warnung betroffener Unternehmen,

die Veranlassung von Serverabschaltungen, auch im Ausland und

die Berücksichtigung der besonderen Interessen geschädigter Unternehmen durch entsprechende Koordinierung polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen.

Der notwendige, vertrauensvolle Kontakt zu Wirtschaftsunternehmen wird durch einen zentralen persönlichen Ansprechpartner für die Wirtschaft beim LKA Niedersachsen gewährleistet.

In der Folge ist beim LKA Niedersachsen ein signifikanter Anstieg an Kontaktaufnahmen durch betroffene Wirtschaftsunternehmen festzustellen. Das Interesse an Veranstaltungen zum Thema Cybercrime ist bei mittelständischen Firmen groß. Aus den Rückmeldungen wird deutlich, dass das LKA Niedersachsen als kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen wird.

Der Arbeitsbereich Wirtschaftsschutz des niedersächsischen Verfassungsschutzes wird als neutraler Dienstleister in der niedersächsischen Wirtschaft geschätzt. Er berät diese insbesondere in den Themen der Wirtschafts- und Industriespionage, Cybersicherheit sowie der Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Im Rahmen seiner bislang 13-jährigen Tätigkeit hat der Wirtschaftsschutz mehr als 6.000 Unternehmen mit sicherheitsrelevanten Informationen erreicht. Die Beratungen haben das Ziel, die Unternehmen über Gefahren zu sensibilisieren, Sicherheitsmaßnahmen zu initiieren und durch Prävention Schäden zu vermeiden und zu reduzieren.

Zurzeit werden gut 700 innovative und technologieorientierte Unternehmen als feste Partner betreut. Schwerpunkte bilden dabei individuelle Beratungen vor Ort sowie Vorträge u. a. zur Cybersicherheit. Darüber hinaus informiert der Wirtschaftsschutz seine Klientel mit Newslettern und auf Tagungen zu dieser Thematik. So fand am 14.11.2013 bereits die 12. Wirtschaftsschutztagung des Verfassungsschutzes in Hannover statt, auf der 140 Teilnehmer aus der Wirtschaft zum Thema Cybersicherheit informiert wurden.

Im letzten Jahr erreichte der Wirtschaftsschutz im Rahmen des 5. Symposiums des niedersächsischen Verfassungsschutzes mit dem Thema „Spionage, Cyberangriffe, Know-how-Verluste – Was tun gegen Bedrohungen von Wirtschaft, Wissenschaft und Staat“ 250 Teilnehmer.

Zu 3.

Das Vertrauen als wichtiger Faktor in der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft wurde in den letzten Monaten durch die Enthüllungen von Edward Snowden durchaus strapaziert. Ungeachtet dieser Berichterstattungen werden Cyberattacken, also das Ausnutzen von Informations- und Kommunikationstechnologien für Angriffe gegen Unternehmen zum Zwecke der Wirtschaftsspionage und Wirtschaftskriminalität, in der Zukunft eine immer stärkere Rolle spielen.

Der niedersächsische Verfassungsschutz und das LKA werden ihren Arbeitsansatz im Bereich dieser Themenstellung fortsetzen und intensivieren. Durch Beratungen und Vorträge werden sie verstärkt die mittelständische Wirtschaft informieren, den Dialog fördern sowie die Expertise und das Wissen seines Netzwerkes zur Verfügung stellen.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.12.2013

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