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Beantwortung der Mündl. Anfrage der GRÜNEN zum Waffengesetz in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. Februar 2016; Fragestunde Nr. 11

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz, Helge Limburg und Belit Onay (Grüne) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Seit dem Terroranschlag in Paris und den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln „bewaffnen“ sich verstärkt Bürger mit Schreckschusswaffen und Reizgas und beantragen einen sogenannten Kleinen Waffenschein. Die Medien berichten von bundesweiten „Leerkäufen“ in den Waffengeschäften und dass die Vertreiber „kaum mit dem Nachbestellen hinterher“ kämen, aber auch „nicht glücklich“ mit diesem Ansturm seien. Allein in Braunschweig hat sich nach Information von dpa vom 24. Januar 2016, 23.20 Uhr, die Anzahl der beantragten Kleinen Waffenscheine „fast verdreifacht“: auf 40 Anträge in den ersten beiden Januarwochen 2016. Ähnliche bzw. weit darüber hinausgehende Antrags- und Ausstellungszahlen vermelden auch andere Kommunen in Niedersachsen und in anderen Ländern. Der SWR berichtet am 20. Januar 2016: „Vor allem Männer wollen Schreckschusswaffen.“ Das LKA Baden-Württemberg rät von solchen Kleinwaffen u. a. ab, weil sie eine „trügerische Sicherheit“ gäben und die Situation dadurch die Nutzung von Waffen eskalieren könnte. Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen, Prof. Thomas Bliesner, wird bei dpa zitiert mit dem Hinweis: „Faktisch gibt es kaum Hinweise, dass sich die Sicherheit durch das Tragen einer Schreckschusspistole tatsächlich erhöht.“

Laut HAZ vom 7. Februar 2016 gab es Ende Januar 27 525 Besitzer eines Kleinen Waffenscheins in Niedersachsen. Allein im Monat Januar sollen ca. 1 100 Erlaubnisse neu hinzugekommen sein, etwa so viele wie bisher im Schnitt in einem halben Jahr.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Dietmar Schilff, sieht die Entwicklung kritisch, da oft schwer erkennbar sei, ob jemand eine scharfe Waffe oder nur eine Schreckschusspistole ziehe, um sich zu schützen.

1. Unter welchen Voraussetzungen erhalten Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen einen Kleinen Waffenschein, und welche Waffen können sie damit nutzen?

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Kleinen Waffenscheins sind in §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 4 Satz 4 Waffengesetz (WaffG) in Verbindung mit seiner Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Ziffern 2 und 2.1 geregelt. Danach muss die Antragstellerin oder der Antragsteller volljährig sein und der zuständigen Waffenbehörde gegenüber nachweisen, dass sie oder er die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt und gemäß § 6 WaffG persönlich für den Umgang mit Waffen und Munition geeignet ist.

Im Rahmen der Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit holt die zuständige Waffenbehörde u. a. Auskünfte aus dem Bundeszentralregister und dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister ein. Eine persönliche Eignung liegt z. B. dann nicht vor, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller geschäftsunfähig, alkoholabhängig oder psychisch krank ist.

Der Kleine Waffenschein berechtigt zum Führen von bestimmten Schreckschuss-, Reizstoff und Signalwaffen, die erlaubnisfrei erworben werden können.

2. Welche Vor- und/oder Nachteile können sich aus Sicht der Landesregierung aus der zunehmenden Erteilung von Kleinen Waffenscheinen und dementsprechend dem Vorhalten von Waffen ergeben?

Eine zunehmende Verfügbarkeit von Waffen – unabhängig von der Waffenart – erhöht die Gefahr der missbräuchlichen Nutzung. Die polizeilichen Beratungsstellen raten generell vom Mitführen von Waffen oder Abwehrgeräten zur Selbstverteidigung ab, da der Täter in einer solchen Situation seine Gewaltbereitschaft bzw. Aggressivität noch weiter steigern könnte. Das „Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes“ (ProPK) rät darüber hinaus auch zur Vorsicht beim Einsatz von Tränengas und Schreckschusswaffen mit Tränengaspatronen. Zum einen ist die Reizgasmenge oft nicht ausreichend; zum anderen spielen Windrichtung und -stärke eine nicht unerhebliche Rolle, da sich die nebelige Wirkung bei unsachgemäßer Anwendung oftmals gegen das Opfer wendet und dabei Tränenblindheit verursachen kann. Zudem ist Reizgas zum Einsatz in geschlossenen Räumen nicht geeignet.

3. Gibt es aus Sicht der Landesregierung Gründe, den Erwerb eines Kleinen Waffenscheins von strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen, um eine fortschreitende „Bewaffnung“ zu vermeiden? Und wenn nein, warum nicht?

Das Waffenrecht ist Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (Artikel 71 und 73 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz). Insofern obliegt die Entscheidung über eine Anpassung der Anforderungen zum Erwerb des Kleinen Waffenscheins zunächst dem Bundesgesetzgeber. Die Bundesregierung beabsichtigt eine Novellierung des Waffenrechts. Eine Verschärfung der Voraussetzungen für die Erteilung des Kleinen Waffenscheins befindet sich gegenwärtig nicht in der Diskussion, da sich die Einführung des Kleinen Waffenscheins zum 1. April 2003 in der Praxis bewährt hat und Anhaltspunkte für eine erhöhte missbräuchliche Nutzung der mit der Erteilung eines Kleinen Waffenscheins zum Führen berechtigten Waffen nicht vorliegen.

Die aktuellen Zahlen für die Erteilung eines Kleinen Waffenscheins sind Anlass für die Landesregierung, die weitere Entwicklung, angesichts der Risiken beim Führen bestimmter Waffen (vgl. Antwort zu Frage 2), kritisch zu beobachten und erforderliche Handlungsbedarfe, nicht zuletzt auch gesetzgeberische Handlungsbedarfe, in der Diskussion mit dem Bundesgesetzgeber und den anderen Ländern zu formulieren.

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erstellt am:
19.02.2016

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