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Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zur wirtschaftlichen Betätigung von Städten und Gemeinden in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. Oktober 2015; Fragestunde Nr. 7

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Christian Grascha, Jan-Christoph Oetjen, Hillgriet Eilers, Christian Dürr, Dr. Stefan Birkner, Hermann Grupe, Gabriela König, Almuth von Below-Neufeldt und Jörg Bode (FDP) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet in der Ausgabe vom 6. Oktober 2015 über die Kritik des Bundes der Steuerzahler zu genannten diversen wirtschaftlichen Betätigungen von Städten und Gemeinden in Niedersachsen. Als Beispiele werden u. a. die Planung einer elektrischen Kartbahn durch die Stadtwerke Osnabrück, die Pflege privater Gräber durch Friedhofsverwaltungen in Hannover, die Beteiligung der hannoverschen Enercity an der Danpower Gruppe sowie die Pachtung von 11 700 ha Land in der Ukraine zum Anbau von Getreide durch den Landkreis Uelzen genannt.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Recht der Kommunen auf wirtschaftliche Betätigung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zählt zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 2 GG). Dieses Recht bedeutet jedoch nicht, dass sich die Kommunen unbegrenzt auf wirtschaftlichem Gebiet betätigen dürfen. Vielmehr ist die wirtschaftliche Betätigung niedersächsischer Kommunen den einschränkenden Anforderungen des § 136 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) unterworfen. § 136 Abs. 1 Satz 2 NKomVG bestimmt, dass die kommunale Wirtschaftstätigkeit durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt sein und nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stehen muss. Außerdem ist sie nach geltender Rechtslage nur zulässig, wenn die Aufgabe nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 NKomVG müssen ebenfalls beachtet werden, wenn die Kommune oder ein Unternehmen, bei der die Kommune über eine Mehrheitsbeteiligung verfügt, weitere Unternehmensbeteiligungen vorsieht (§ 137 Abs. 1 und 2 NKomVG).

Zu beachten ist, dass diese Bestimmungen sich nicht auf diejenigen Einrichtungen in den Kommunen erstrecken, die zum wesentlichen Kern der kommunalen Daseinsvorsorge gehören. Dazu zählen all jene Einrichtungen, zu denen die Gemeinden gesetzlich verpflichtet sind und dazu noch die Einrichtungen im Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesen, des Sports und der Erholung, für den Umweltschutz sowie im Gesundheits- und Sozialwesen.

Die gesetzlichen Grenzen der Kommunalwirtschaft dienen einerseits dem Schutz der Kommunen selbst vor den Risiken einer überzogenen wirtschaftlichen Betätigung.

Andererseits sollen sie aber auch private Unternehmen in bestimmtem Umfang vor dem Wettbewerb durch Kommunalunternehmen schützen. Ob die genannten Voraussetzungen erfüllt werden, überprüfen die zur Aufsicht über die Kommunen bestimmten Landkreise und das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport im Rahmen der dazu bestimmten Anzeigeverfahren. Diese finden bei Neugründungen und Betriebsübernahmen statt. Bei bereits bestehenden kommunalen Unternehmen müssen Erweiterungsvorhaben der Aufsicht zur Kenntnis gebracht werden, wenn sie den Unternehmenszweck wesentlich verändern.

Dies vorausgeschickt wird die Anfrage wie folgt beantwortet:

1. Welche Haltung nimmt die Landesregierung grundsätzlich und in den konkreten Fällen zur wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen ein?

Kommunale Wirtschaftstätigkeit ist nach allgemeiner Anschauung von großer politischer und ökonomischer Bedeutung. Nach Auffassung der Landesregierung zählt das Recht zur Schaffung und Unterhaltung von wirtschaftlichen öffentlichen Einrichtungen zum Wohle der Einwohner zum Wesen der kommunalen Selbstverwaltung. Einen entsprechenden gesetzlichen Auftrag enthält § 4 Satz 2 NKomVG. Liegt der beabsichtigten wirtschaftlichen Betätigung einer Kommune ein öffentlicher Zweck zugrunde, ist diese grundsätzlich rechtlich zulässig. Auf die in den Vorbemerkungen genannten Voraussetzungen wird verwiesen. Die Ausübung dieses Rechts ist von der Landesregierung zu schützen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 NKomVG).

2. Inwiefern ist jedes einzelne in der Einleitung aufgeführte Beispiel mit § 136 Absatz 1 des NKomVG in Einklang zu bringen?

Vorangestellt sei, dass die im Folgenden genannten Sachverhalte in der Kürze der Bearbeitungszeit seitens der Landesregierung keiner vertieften rechtlichen Überprüfung unterzogen werden konnten.

Planung einer Elektro-Kartbahn durch die Stadtwerke Osnabrück

Die Stadt Osnabrück hat zu diesem Sachverhalt mitgeteilt, dass bisher lediglich die Bauleitplanung durch Verabschiedung eines Bebauungsplanes „Freizeitstandort Nettebad“ durchgeführt wurde. Es handelt sich nach Angaben der Stadt Osnabrück um eine reine Angebotsplanung, durch die noch nicht festgelegt wird, wer künftig die Elektro-Kartbahn betreiben soll. Vielmehr wird lediglich planungsrechtlich der Bau einer Elektro-Kartbahn ermöglicht.

Die weiteren, ggf. gemeindewirtschaftsrechtlich relevanten, Planungen der Stadt Osnabrück bzw. der Stadtwerke Osnabrück bleiben abzuwarten. Die Stadt Osnabrück hat jedoch bereits ankündigt, eine enge Abstimmung mit der Kommunalaufsicht im Ministerium für Inneres und Sport zu suchen, um die Einhaltung der gemeindewirtschaftsrechtlichen Voraussetzungen des NKomVG zu gewährleisten. Eine kommunalrechtliche Bewertung durch die Landesregierung ist folglich zu jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

Beteiligung der hannoverschen Enercity an der Danpower Gruppe

Im konkreten Fall liegt keine wirtschaftliche Betätigung vor, die gemäß § 137 Abs. 2 NKomVG der Landeshauptstadt Hannover zuzuordnen ist. Sie ist deshalb der kommunalaufsichtlichen Beurteilung entzogen. Es handelt sich um eine mittelbare Beteiligung der Stadt im Rahmen ihrer Anteile (80,49%) an der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Hannover mbH, die 75,09% der Anteile an der Stadtwerke Hannover AG hält und die ihrerseits 100% der Anteile an zurzeit vier verschiedenen enercity Gesellschaften besitzt. Die geschäftlichen Aktivitäten der „enercity“ über entsprechende Beteiligung an anderen Energiegesellschaften dienen nach Aussagen der Stadt der Stärkung der Marktposition und können aus den dargelegten Gründen von der Kommunalaufsicht weder hinterfragt noch beanstandet werden.

Anbau von Getreide in der Ukraine

Entgegen der Darstellung in dem angesprochenen Zeitungsartikel war nicht der Landkreis Uelzen, sondern mittelbare Beteiligungen der Stadt Uelzen in der Ukraine tätig. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung hat dies in ihrer Ausgabe vom 07.10.2015 richtiggestellt.

Die Stadt Uelzen hat das Engagement ihrer Eigengesellschaft „Stadtwerke Uelzen“ über eine Tochtergesellschaft in der Ukraine im Jahre 2007 dem Landkreis Uelzen als zuständiger Kommunalaufsichtsbehörde gem. des seinerzeit geltenden § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) angezeigt. Seitens der unteren Kommunalaufsicht erfolgte mit Blick auf § 108 NGO keine Beanstandung, da es als Rohstoff- bzw. Preisabsicherungsgeschäft für ein Pflanzenölkraftwerk der Stadtwerke Uelzen ausgelegt war und der Sicherstellung des dortigen Bedarfes dienen sollte. Damit konnte es helfen, den Gesellschaftszweck der Stadtwerke zu gewährleisten bzw. zu unterstützen. Die Tochtergesellschaft der Stadtwerke hat ihr operatives Geschäft in der Ukraine im Jahre 2014 beendet.

Pflege privater Gräber durch Friedhofsverwaltung bei der Landeshauptstadt Hannover

Das Recht zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde umfasst grundsätzlich auch friedhofsbezogene Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Bestattungswesen, wie z.B. die städtische Grabanlage und –pflege.

In das Kommunalverfassungsrecht ist das wirtschaftliche Betätigungsrecht der Gemeinden in geänderter Fassung durch das Gesetz zur Reform des Nds. Kommunalverfassungsrechts vom 01.04.1996 aufgenommen worden (vgl. § 108 NGO a.F.). Die Grundsätze waren bereits in der Niedersächsischen Gemeindeordnung von 07.01.1974 enthalten. Dabei ist u. a. der in § 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NKomVG niedergelegte Subsidiaritätsgrundsatz zu beachten. Danach darf die Kommune in bestimmten Wirtschaftssektoren Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Die Grabpflege fällt grundsätzlich unter den Regelungsbereich der Norm. Entscheidend ist hier jedoch die Anknüpfung des Gesetzes an die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung des Unternehmens: Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1-3 NKomVG müssen damit nur im Zeitpunkt der Errichtungs-, Erweiterungs- oder Übernahmemaßnahme vorliegen. Bestehende Unternehmen dürfen dagegen weitergeführt werden, ohne dass es auf die verschärften Zulässigkeitsanforderungen ankommt.

Die Stadt Hannover übt rückverfolgend seit mindestens dem Jahr 1952 – also deutlich vor Inkrafttreten des § 108 NGO und damit der Subsidiaritätsklausel - Grabpflegeleistungen durch eigene Mitarbeiter in der Art und Weise aus, wie sie es heute tut. Grundlegende Organisatorische bzw. strukturelle Veränderungen – insbesondere Erweiterungen – im Rahmen dieser Leistungen haben seit dem Jahr 1952 nicht stattgefunden. Die bisherigen Grabpflegeleistungen genießen insoweit den vorgenannten Bestandsschutz.

3. Plant die Landesregierung Veränderungen bezüglich des NKomVG, gegebenenfalls welche?

Zurzeit bereitet die Landesregierung zum Zweck der weiteren Umsetzung des Koalitionsvertrages 2013 - 2018 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf zu den Themen „Modernes Kommunalverfassungsgesetz“ und „Mehr Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger“ vor. Insbesondere werden die folgenden Ziele verfolgt:

  • Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen,
  • mehr direkte Bürgerbeteiligung und
  • Erleichterungen bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen.

Unter der Themenstellung „Erleichterungen bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen“ geht es vor allem darum, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Hinblick auf die Energiewende zu erleichtern und abzusichern. Ziel ist die Aufhebung von insoweit bestehenden einengenden Regelungen. Die bestehenden Betätigungsbereiche werden jedoch - abgesehen von einer Ausnahme - nicht erweitert. Die Erweiterung betrifft die Versorgung mit Breitbandtelekommunikation. Der Breitbandausbau ist ein zentrales Infrastrukturprojekt der Landesregierung.

Bei der Energieversorgung soll es den Kommunen nunmehr auch ermöglicht werden, erneuerbare Energien auch unabhängig von einem direkt damit in Verbindung stehenden eigenen Versorgungszweck zu gewinnen und zu erzeugen oder sich an Projekten dazu angemessen zu beteiligen. Das Ziel dabei ist, die politisch und gesetzgeberisch von Seiten des Bundes und des Landes bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Energiewende auf der kommunalen Ebene zu unterstützen.

§ 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NKomVG soll dahingehend geändert werden, dass - wie es zuvor in der NGO bis zum Jahre 2004 galt - den Kommunen die Gründung oder Übernahme eines wirtschaftlichen Unternehmens nur dann untersagt ist, wenn ein privater Dritter den mit der Unternehmenserrichtung verfolgten öffentlichen Zweck besser oder wirtschaftlicher als ein Unternehmen in kommunaler Trägerschaft erfüllen kann. Aktuell sind die Anforderungen in dieser Hinsicht deutlich strenger, indem das Leistungserbringungsverhältnis umgekehrt angelegt ist: das kommunale Unternehmen muss die besseren Ergebnisse erzielen können oder wirtschaftlicher sein, damit seine Errichtung zugelassen werden kann.

Mit der vorgesehenen Rückkehr auf den Rechtsstand vor dem Frühjahr 2004 werden die Möglichkeiten für die Kommunen wieder verbessert, ihren Einwohnerinnen und Einwohnern mit der Erfüllung öffentlicher Zwecke verbundene Dienstleistungen anbieten zu können. Es kann dann nicht mehr eintreten, dass private Dritte dieses Angebot theoretisch gleich gut oder mit entsprechender Wirtschaftlichkeit erbringen könnten, sich aber tatsächlich vor Ort kein Anbieter findet.

Im Rahmen eines Anzeigeverfahrens wird ein solches Unternehmensgründungs-Vorhaben der Kommunen auf das Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen - insbesondere für einen öffentlichen Zweck - von den Kommunalaufsichtsbehörden geprüft. Darin liegt der Grund, dass desweiteren auch das besondere Klagerecht für private Dritte, das von der Vorgängerregierung in § 136 Abs. 1 Satz 3 des NKomVG verankert worden ist, wieder entfallen soll.

Umfassende weitere Änderungen, die bezüglich des NKomVG vorgesehen sind, betreffen Vorschriften, die keinen Bezug zu den in Rede stehenden Fragestellungen nach der wirtschaftlichen Betätigung niedersächsischer Städte und Gemeinden haben. Daher wird an dieser Stelle darauf nicht weiter eingegangen. Das Beteiligungsverfahren im Rahmen der Gesetzgebung ist aktuell in der Vorbereitung und wird in Kürze eingeleitet.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.10.2015

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