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erstellt am:
24.11.2016
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Marco Genthe (FDP) wie folgt:
Vorbemerkung der Abgeordneten
In § 5 des Heilpraktikergesetzes heißt es: „Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Fraglich ist, inwiefern Einsatzkräfte, die im Rettungsdienst tätig sind, unter die Regelungen des HeilPrG fallen. Da die deutschen Gerichte unabhängig voneinander sind, sind sie nicht daran gebunden, was andere Gerichte bereits entschieden haben. Das führt dazu, dass Gesetze von Gerichten verschieden ausgelegt werden, sodass es zu Unterschieden bei der Beurteilung kommt. Dadurch besteht keine Rechtssicherheit, ob ausgebildete Rettungsdienst-Mitarbeiter in den Anwendungsbereich des HeilPrG fallen oder nicht.
Seit ein paar Jahren ist das NotSanG (Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters) in Kraft. Durch Einführung dieses Gesetzes hätte man die Rechtssicherheit herstellen können, indem der Gesetzgeber den Notfallsanitätern die Erlaubnis hätte erteilen können, ärztliche und auch invasive Maßnahmen vorzunehmen. Dadurch wäre auch ein möglicher Verstoß einer Rettungseinsatzkraft gegen das HeilPrG hinfällig. Das NotSanG regelt allerdings nur, was die Ausbildung eines Notfallsanitäters beinhalten muss und wie sich der Zugang zu diesem Beruf verhält. Dieses lässt aber nicht darauf schließen, wie und ob er das Erlernte danach anwenden darf.
Der Bund ist zuständig für Gesetze, die die Zulassung zu einem Beruf regeln; die Länder wiederum für die Ausführung der Berufe. Allerdings haben die Länder keine Gesetze erlassen, die die Ausführung des Berufs eines Notfallsanitäters regeln. Ferner könnte die Regelung als Ländersache dazu führen, dass Notfallsanitäter unterschiedlich befugt werden.
Deshalb liegt es nach wie vor im Ermessen der Gerichte, ob ein Mitarbeiter eines Rettungsdienstes in den Anwendungsbereich des HeilPrG fällt und sich dadurch strafbar machen könnte.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossene und zum 1. Januar 2014 in Kraft getretene Notfallsanitätergesetz (NotSanG) vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1348), geändert durch Art. 30 des Gesetzes vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886) ist als Ausbildungsgesetz für einen Gesundheitsfachberuf gestaltet. Es strukturiert die Ausbildung und die Berufszulassungsprüfung für Notfallsanitäter, während die Berufsausübung aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung von den Ländern geregelt wird. Die durch das NotSanG neu geschaffene Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter erfordert eine Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes (NRettDG), welche sich derzeit im parlamentarischen Verfahren (LT-Drs. 17/6348) befindet. Danach werden die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter durch den neuen in einer dreijährigen Ausbildung zu erlernenden Beruf mittelfristig die derzeit überwiegend im Rettungsdienst tätigen Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten, die lediglich eine zweijährige Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz absolviert haben, als wichtiger Bestandteil des Rettungsdienstes ablösen. Vor allem für den sich in kommunaler Trägerschaft befindenden bodengebundenen Rettungsdienst ist damit die Erwartung einer qualitativen Verbesserung der medizinischen nicht-ärztlichen Versorgung verbunden, die wegen der steigenden Einsatzzahlen bei fast allen Trägern des Rettungsdienstes, auch aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung der Menschen geboten ist. Dabei werden die neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter die Aufgaben nach § 4 NotSanG ausüben und in diesem Rahmen auch die vom jeweiligen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst bestimmten Standardmaßnahmen eigenständig ausführen. Insofern hat sich die Kompetenz der neuen Berufsgruppe im Vergleich zur Rettungsassistentin oder zum Rettungsassistenten nach dem Rettungsassistentengesetz qualitativ fortentwickelt.
1. Gibt es ein Gesetz, in welchem die Notkompetenzen für Notfallsanitäter in Niedersachsen niedergeschrieben sind? Wenn ja, in welchem, und wenn nein, ist ein solches in Planung?
Das NRettDG wird nach Inkrafttreten der sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindenden Novelle den Einsatz der neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter als Regelbesatzung in Krankenkraftwagen enthalten. In der Begründung zum neuen „§ 10 Personal“ des NRettDG wird explizit auf die Ausübung der Aufgaben des § 4 NotSanG durch die neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter und auf die eigenständige Ausführung der in diesem Rahmen vom jeweiligen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst bestimmten Standardmaßnahmen hingewiesen (vgl. LT-DRs- 17/6348, S. 10).
Die einzelnen Kompetenzen der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter richten sich in Niedersachsen nach den sog. „NUN-Algorithmen“, das heißt den gemäß § 8 der Geschäftsordnung des Landesausschusses „Rettungsdienst“ im Nds. MBl. bekannt gemachten, vom Landesausschuss beschlossenen Empfehlungen zu Rahmen-Algorithmen zur Aus- und Fortbildung und als Grundlage zur Tätigkeit von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern (NotSan) in Niedersachsen. Im NUN-Projekt (=Niedersächsische Umsetzung des Notfallsani- tätergesetzes) wurden im Auftrag des Kultusministeriums und in Mitwirkung der Universität Osnabrück Rahmenkonzepte zur Schulung und Prüfung von NotSan in Niedersachsen erarbeitet. Auf dieser einheitlichen fachlichen Basis wurden mit dem Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) Niedersachsen/ Bremen und der Landesarbeitsgemeinschaft Rettungsdienst-Schulen Rahmen-Algorithmen zur Aus- und Fortbildung und als Grundlage für die Tätigkeit von NotSan – insbesondere in den invasiven und erweiterten Versorgungsmaßnahmen – entwickelt. Sie geben durch breiten Fachkonsens den ausführenden NotSan und dem delegierenden ÄLRD Rechtssicherheit und erlauben durch ihre Struktur eine individuelle Anpassung an lokale Notwendigkeiten im Rettungsdienstbereich. Dabei wird eine jährliche Aktualisierung angestrebt. Der Landesausschuss „Rettungsdienst“ hat die Umsetzung der von der Arbeitsgemeinschaft NUN und dem Landesverband ÄLRD Niedersachsen/ Bremen erarbeiteten und entsprechend den wissenschaftlichen Fortschritten weiterzuentwickelnden Algorithmen als fachlich konsentierten Rahmen für das rettungsdienstliche Handeln der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Niedersachsen empfohlen. Diese sind als Bekanntmachung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 5. August 2016 im Nds. MBl. 2016, S. 844 veröffentlicht, bzw. stehen unter http://www.mi.niedersachsen.de/download/109570 zum Abruf bereit.
Ein darüber hinaus gehender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht nicht.
2. Welche Notkompetenzen haben Notfallsanitäter in Niedersachsen?
In Niedersachsen orientieren sich die flächendeckend und hauptamtlich arbeitenden Ärztlichen Leiter Rettungsdienst an den o.g. Empfehlungen der AG NUN. Die ÄLRD zertifizieren die in ihrem Rettungsdienstbereich tätigen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter auf Basis der „NUN-Algorithmen“ und halten dies in regionalen Protokollen (sog. „standard operating procedures“ (SOP), Algorithmen etc.) fest. Damit verfügen die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter über konkrete Arbeitsanweisungen für bestimmte notfallmedizinische Zustandsbilder und die dazu gehörigen Kompetenzen diese im Einzelfall auszuüben. Aufgrund dieser Vorgehensweise können die Kompetenzen der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Niedersachsen je nach Rettungsdienstbereich differieren.
3. Wie bewertet die Landesregierung Fälle, in denen ein niedersächsischer Notfallsanitäter in einem anderen Bundesland aushilft, in welchem andere Regelungen zur Ausführung des Berufes gelten?
In Fällen, in denen eine niedersächsische Notfallsanitäterin oder ein niedersächsischer Notfallsanitäter in einem anderen Bundesland tätig wird, richtet sich die Ausübung der Tätigkeit nach den dort geltenden landesrechtlichen Regelungen als Ausfluss des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland.
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erstellt am:
24.11.2016