Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zu Kosten der Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. April 2016; Fragestunde Nr. 6
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Jan-Christoph Oetjen, Gabriela König, Dr. Marco Genthe und Hermann Grupe (FDP) wie folgt:
Vorbemerkung der Abgeordneten
Das Hamburger Abendblatt berichtete am 11. März 2016 über das Gespräch zwischen dem Landkreis Harburg und dem niedersächsischen Innenministerium über eine höhere Flüchtlingspauschale.
Der Landkreis fordert eine höhere Pro-Kopf-Pauschale oder eine Spitzabrechnung der Kosten, da die Unterbringung der Flüchtlinge im Kreis der Metropolregion Hamburg deutlich teurer ist als in den meisten anderen Regionen des Landes. Die Landesregierung lehnt diese Vorschläge der Kreisverwaltung ab.
Ferner wird in dem Zeitungsartikel ein Vorschlag des SPD-Ortsverbandes Hanstedt erwähnt, der eine Staffelung der Kostenerstattung vorschlägt, die sich am Immobilien- und Mietpreisspiegel orientiert.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach dem Aufnahmegesetz zahlt das Land den Landkreisen, der Region Hannover und den kreisfreien Städten zur Abgeltung aller Kosten, die ihnen durch die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) entstehen, eine jährliche Pauschale je Leistungsempfängerin und Leistungsempfänger. Mit der Änderung des Aufnahmegesetzes wurde die Kostenabgeltungspauschale ab 2016 auf 9.500 Euro und ab 2017 auf einen Mindestbetrag von 10.000 Euro pro Person festgesetzt. Der pauschalen Kostenabgeltung liegt als wesentliches Merkmal die Annahme zu Grunde, dass sich im Ergebnis Unterschiede der tatsächlichen Aufwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgleichen. Vor diesem Hintergrund bestimmt sich die Höhe der Kostenabgeltungspauschale im Wesentlichen durch die Bezugnahme auf die Asylbewerberleistungsstatistik, die die jährlichen tatsächlichen Aufwendungen der Asylbewerberleistungsempfängerinnen und Asylbewerberleistungsempfänger erfasst. So wird eine höhere Kostenabgeltungspauschale gezahlt, wenn die Summe der landesdurchschnittlichen (tatsächlichen) Ausgaben pro Person nach der Asylbewerberleistungsstatistik zuzüglich eines pauschalen Betrages in Höhe von 1.500 Euro den Betrag von 10.000 Euro übersteigt. Mit dem hinzuzurechnenden pauschalen Betrag in Höhe von 1 500 Euro werden Kosten ausgeglichen, die durch die Asylbewerberleistungsstatistik nicht abgebildet werden, wie beispielsweise allgemeine Personalkosten.
Nach der jüngsten vorliegenden Asylbewerberleistungsstatistik für das Jahr 2014 betrugen die landesdurchschnittlichen tatsächlichen Ausgaben 7.559 Euro pro Person. Lediglich zwei kommunale Kostenträger lagen mit ihren durchschnittlichen Ausgaben pro Person weit über dem Landesdurchschnitt. Allerdings sind sowohl für eine Beurteilung der Ursachen für die extremen Abweichungen vom Landesdurchschnitt als auch für eine Evaluierung der gegenwärtigen Kostenabgeltungsvereinbarung für Asylbewerberleistungen die derzeitigen Daten nicht ausreichend. Insbesondere ist der Immobilien- und Mietpreisspiegel allein kein aussagekräftiges Kriterium. Das zeigt sich daran, dass die drei kommunalen Kostenträger, die nach dem F+B-Marktmonitor der Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt im Jahr 2014 die höchsten Marktmieten pro Quadratmeter aufwiesen, bei den Ausgaben nach der Asylbewerberleistungsstatistik in 2014 einmal in der Nähe des Landesdurchschnitts, einmal deutlich über dem Landesdurchschnitt und einmal deutlich unter dem Landesdurchschnitt lagen. Die Asylbewerberleistungsstatistik für das Jahr 2015 wird gegebenenfalls weitere Erkenntnisse über die Entwicklung sowohl der Anzahl der tatsächlichen Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger als auch die Höhe der tatsächlich geleisteten Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ermöglichen. Die Asylbewerberleistungsstatistik für das Jahr 2015 wird allerdings erst im Mai oder Juni 2016 vorliegen.
Vom Grundsatz ist mit dem Aufnahmegesetz für die gesetzlich festgelegten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz über die pauschale Kostenabgeltung hinaus keine wie auch immer geartete Sonder- oder Zusatzerstattung vorgesehen. Angesichts der aktuellen Aufnahmeverpflichtungen werden von kommunaler Seite vermehrt Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Wohnraum infolge eines angespannten Wohnungsmarktes, begrenzter Flächen oder anderer regionaler Besonderheiten geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund wurde für eine weitergehende Berücksichtigung regionaler Unterschiede und zur Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit seitens des Innenministeriums vorgeschlagen, eine Anpassung des Verteilungsmaßstabes unter Einbeziehung weitergehender Indikatoren zu prüfen.
1. Was tut die Landesregierung, um regionale Unterschiede, die sich auf die Kosten der Unterbringung auswirken, auszugleichen?
Das Innenministerium sieht den Verteilparameter als geeignetes Instrument an, um regionalen Besonderheiten gerecht zu werden. Daher prüft das Innenministerium gegenwärtig, ob neben der Einwohnerzahl weitere berücksichtigungsfähige Indikatoren – wie zum Beispiel Wohnungsleerstand, Mietpreise, Soziallasten – als Faktor für den Verteilungsmaßstab herangezogen werden können. Die Ergebnisse und deren Umsetzbarkeit werden dann mit den Kommunalen Spitzenverbänden zu erörtern sein.
Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
2. Was spricht gegen eine Sonderregelung nach § 4 Abs. 4 des Aufnahmegesetzes für den Landkreis Harburg?
Eine von den allgemein geltenden Maßstäben abweichende Kostenabgeltung ist bei grundsätzlich allgemeinen Unterbringungsschwierigkeiten nicht vorgesehen.
Mit der Sonderregelung nach § 4 Abs. 4 Aufnahmegesetz hat der Gesetzgeber lediglich die Möglichkeit geschaffen, weitergehende Kosten, die zusätzlich zu den Kosten für die gewöhnliche Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes und auf Veranlassung des Landes entstanden sind, auszugleichen. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Sonderregelung sind damit vorliegend nicht erfüllt.
Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
3. Wie bewertet die Landesregierung den genannten Vorschlag, eine Staffelung der Kostenerstattung vorzunehmen, die sich am Immobilien- und Mietpreisspiegel orientiert?
Bereits im Rahmen des Verfahrens zur Änderung des Aufnahmegesetzes zum 1. Januar 2016 wurde die Möglichkeit einer differenzierten Betrachtung der Unterbringungskosten geprüft. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung und in Abstimmung mit den Kommunalen Spitzenverbänden konnte eine sinnvolle Bildung eines Clusters für den Bereich der Unterbringungskosten zur Staffelung der Kostenabgeltung nicht gefunden werden.
Gegenwärtig wird jedoch geprüft, inwieweit eine Berücksichtigung von Mietpreisen als Indikator beim Verteilparameter möglich ist. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.