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Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zu Ermittlungen der Polizei

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. Februar 2016; Fragestunde Nr. 56

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Jan-Christoph Oetjen, Jörg Bode, Dr. Marco Genthe, Dr. Gero Hocker und Christian Dürr (FDP) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Laut Medienberichten vom 4. Februar 2016 (u. a. NOZ und Rundblick) sollen Ermittlungen bei sogenannten Bagatelldelikten reduziert werden. Hierunter fallen Delikte wie Diebstähle, Sachbeschädigung oder auch Schwarzfahren.

Daraufhin kritisierte das Innenministerium, dass der Eindruckt erweckt werde, es werde generell nicht mehr intensiv ermittelt. Die NOZ beruft sich auf ein internes Polizeipapier und zitiert hieraus „Temporäre Zurückstellung und Reduzierung von Maßnehmen in nicht priorisierten Aufgabenbereichen“.

Das Ministerium behauptet laut einem Bericht der NOZ vom 6. Februar 2016, es gebe im Papier keine Aussage zu Bagatelldelikten oder vermindertem Ermittlungsaufwand. In dem Gespräch mit Landespolizeipräsident Binias ging es laut NOZ vom 6. Februar 2016 jedoch explizit um die Reduzierung des Ermittlungsaufwandes bei kleinen Delikten.

Vorbemerkung der Landesregierung

Führung und Einsatz der Polizei richten sich bundesweit grundsätzlich nach der Polizeidienstvorschrift (PDV) 100 „Führung und Einsatz der Polizei“ (VS-NfD). Hiernach hat sich die Polizei bei ihrem Tätigwerden nicht nur an der Sicherheitslage, sondern auch am Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu orientieren. Sie hat ihre Schwerpunktbildung daran auszurichten und fortzuentwickeln. Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung hat sich insbesondere auch zu orientieren an Strategien, Leitlinien und Taktik. Strategien sind notwendig für die Fortentwicklung der Polizei; sie geben Orientierung für die Bewältigung der Aufgaben. Leitlinien dienen als Handlungsorientierung und haben grundsätzliche Bindungswirkung. Die Taktik wird von der Rolle der Polizei, von Strategien und von Leitlinien mitbestimmt. Sie wird anlassbezogen von Führungskräften festgelegt und im Zusammenwirken von Kräften sowie dem Einsatz von Führungs-und Einsatzmitteln umgesetzt.

Die Flüchtlingssituation im Herbst 2015 war gekennzeichnet durch einen Zustrom von Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und nach Niedersachsen. Täglich trafen 800 bis 1.000, in der Spitze auch mehr Menschen in Niedersachsen ein.

Der Gewährleistung der inneren Sicherheit kam und kommt – auch in der öffentlichen Wahrnehmung – eine zentrale Bedeutung zu.

Dies machte eine intensive Befassung der niedersächsischen Polizei mit den damit verbundenen Herausforderungen erforderlich. Unstrittig war und ist, dass die polizeilichen Kernaufgaben Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung, Verkehrssicherheitsarbeit, Einsatzbewältigung sowie Präsenz und Bürgernähe weiterhin zu erfüllen sind.

Die Bewältigung der sich aus der Flüchtlingssituation ergebenden polizeilichen Aufgaben war daher im Herbst 2015 mehrfach Gegenstand von Erörterungen des Landespolizeipräsidiums mit den Behördenleitungen der niedersächsischen Polizeibehörden, die aufgrund der dezentralen Aufgaben und Ressourcenverantwortung für die umfassende Erfüllung aller polizeilichen Aufgaben innerhalb ihrer Bezirke zuständig und verantwortlich sind.

Im Rahmen einer landesweiten Besprechung des Landespolizeipräsidiums mit Führungskräften der Polizei, Vertreterinnen und Vertretern der Personalräte, Schwerbehindertenvertretungen und der Strategie-Querschnittsgruppen sowie Gleichstellungsbeauftragten am 9. November 2015 wurden die aktuellen Auswirkungen der Flüchtlingssituation auf die Polizei und die noch bevorstehenden Herausforderungen intensiv erörtert. Das im Landespolizeipräsidium entwickelte und vorab mit den Behördenleitungen besprochene Dokument „Wir leben vor der Lage - Leitlinien, Ziele und Handlungsbedarfe im Kontext der Zuwanderung von Flüchtlingen“ (VS-NfD) wurden intensiv diskutiert. Am Ende der sehr offen geführten Aussprache gab es einen breiten Konsens hinsichtlich der vorgestellten Inhalte. Diese wurden aufgrund der vorgetragenen Bewertungen und Hinweise überarbeitet, nach Erörterung mit den Polizeivizepräsidenten den Polizeibehörden am 11. November 2015 abschließend verfasst und danach den Behörden zur Verfügung gestellt.

Das Dokument „Wir leben vor der Lage - Leitlinien, Ziele und Handlungsbedarfe im Kontext der Zuwanderung von Flüchtlingen“ (VS-NfD) soll den Polizeibehörden und Dienststellen als Orientierungshilfe und Handlungsleitfaden für in eigener Verantwortung zu treffende Entscheidungen dienen und den Fokus hierbei auf die polizeilichen Kernaufgaben richten.

Das Landespolizeipräsidium hat deswegen das Dokument auch nicht als Erlass oder Weisung herausgegeben, sondern als Hinweise, die den Behörden und Dienststellen individuelle Handlungsoptionen bieten sollen. Eine dienstinterne Bekanntgabe ist den Behörden und Dienststellen freigestellt. Teilweise haben Dienststellen das Dokument für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im polizeiinternen Intranet bereitgestellt.

Eine Einschränkung der Wahrnehmung polizeilicher Kernaufgaben war und ist damit weder verbunden noch intendiert. Im Hinblick auf Ermittlungen bei Straftaten ist dies aufgrund des Legalitätsprinzips (§§ 152, 160, 163 StPO) auch gar nicht zulässig.

Das Dokument „Wir leben vor der Lage - Leitlinien, Ziele und Handlungsbedarfe im Kontext der Zuwanderung von Flüchtlingen“ (VS-NfD) vom 11. November 2015 ist als Verschlusssache „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ nach der niedersächsischen Verschlusssachenanweisung (VSA) eingestuft. Daher können Inhalte nachfolgend nur insoweit dargestellt werden, wie bereits öffentlich in wörtlichen Zitaten darüber berichtet wurde. Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich, dass die Landespolizei im Hinblick auf denkbare Veränderungen der Sicherheitslage vorausschauende strategische Überlegungen und Planungen vorgenommen hat, und sie ist selbstverständlich gerne bereit, den Landtag in nichtöffentlicher oder vertraulicher Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport umfassend und detailliert über die Inhalte des Dokuments zu unterrichten.

Presseinformation

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erstellt am:
19.02.2016

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