Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. Oktober 2015; Fragestunde Nr. 1
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns, Editha Lorberg und Ansgar Focke (CDU) wie folgt:
Vorbemerkung der Abgeordneten
Seit mehreren Wochen kommen täglich bis zu 1 000 Asylsuchende auf verschiedenen Wegen und aus unterschiedlichen Staaten nach Niedersachsen, um hier Asyl zu beantragen. Dies stellt Kommunen, Bund und Land vor große Herausforderungen bei der Aufnahme, Unterbringung, Betreuung und Integration der ankommenden Menschen. Ständig werden neue Notunterkünfte vom Land, den Kommunen und demnächst vom Bund eröffnet. Die Standorte der Landesaufnahmebehörde sind mit jeweils mehreren Tausend Personen überbelegt. Medien und Polizei berichten von der Zunahme von Gewalt, Diebstahl und sexuellem Missbrauch in und um die Aufnahmestandorte.
Die niedersächsischen Kommunen können kaum noch eine dezentrale Unterbringung nach der Verteilung auf die Kommunen gewährleisten und bringen die Flüchtlinge ebenfalls in Massenunterkünften unter. Lehrer in den Schulen beklagen fehlende Unterstützung beim Spracherwerb der Flüchtlingskinder. Die Registrierung der Asylsuchenden durch das Land hinkt bis zu zwei Monate hinterher. Das Stellen des eigentlichen Antrages auf Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschieht noch später. Kommunen wie die Landeshauptstadt Hannover erwarten millionenschwere Haushaltsdefizite wegen ihrer Aufgaben bei der Flüchtlingsunterbringung.
Vorbemerkung der Landesregierung
Niedersachsen steht – wie die anderen Bundesländer, die Bundesrepublik und ganz Europa – derzeit vor der Herausforderung, mit der seit Generationen größten Flüchtlingsbewegung umzugehen. Dabei liegt es für Deutschland und auch Niedersachsen in der historischen und moralischen Verantwortung, Flüchtlingen Sicherheit vor politischer Verfolgung und Krieg zu gewähren.
Angesichts der aktuellen Kriegs- und Krisengebiete rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach seiner Prognose vom 20. August 2015 mit einem Zugang von etwa mit 800.000 in EASY registrierten Personen für 2015. Die anhaltend hohe Zahl der Flüchtlinge lässt befürchten, dass diese Prognose noch überschritten wird. Im Jahr 2014 waren es 173.072 Asylerstanträge und 29.762 Asylfolgeanträge. Für Niedersachsen ergeben sich bis Ende September rund 60.000 Personen; dies ergibt hochgerechnet – ausgehend vom September mit allein 20.000 – bis Ende 2015 ca. 100.000 bis 120.000 Personen.
Bundesweit wurden allein im September 2015 43.071 Asylanträge verzeichnet. Die Zahl ist gegenüber dem Vorjahresmonat um 24.028 Personen oder 126,2 Prozent gestiegen.
Die meisten Asylantragsteller kamen im September 2015 aus Syrien (16.838), Albanien (6.741), Afghanistan (2.751) und dem Irak (2.544).
In Niedersachsen sind im September 2015 3.611 Asylanträge eingegangen. Dies bedeutet einen Zuwachs von 2.121 Asylanträgen im Vergleich zum Vorjahresmonat September 2014. Die Asylanträge aus den zugangsstärksten Herkunftsländern stammen aus Syrien (1.018), Albanien (559), Irak (296), Serbien (289) und dem Kosovo (217)
Das vordringlichste Problem zur Bewältigung der aktuellen Situation ist dabei die anständige und – angesichts des bevorstehenden Winterhalbjahrs – winterfeste Erstunterbringung sowie die hinreichende Versorgung der Menschen. Die Niedersächsische Landesregierung verfolgt wie schon in den vergangenen Monaten auch weiterhin das Ziel, die nicht winterfesten Plätze schnellstmöglich zu ersetzen. Hierzu werden weiterhin Container genutzt, weitere Notunterkünfte in feststehenden Gebäuden wie Kasernen errichtet und weitere Standorte für Erstaufnahmeeinrichtungen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen eingerichtet. Hinzu kommt der Ersatz von Zelten durch sogenannte Mobile Homes.
Krisensituationen, wie die hier beschriebene humanitäre Krise, mit dem massiven Zulauf von bis zu 10.000 Personen nach Deutschland pro Tag seit Anfang September können nicht mehr durch die regulären Kapazitäten und Organisationen bewältigt werden und erfordern ein angemessenes Handeln.
Seit Anfang September wurde deshalb im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) aufgerufen, die maßgeblich durch das Kompetenzzentrum Großschadenslagen unterstützt wird. Hier werden im großen Umfang Unterbringungskapazitäten geplant und in guter Kooperation mit den Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz hergerichtet und betrieben. Für die Einsatzbearbeitung werden im Kompetenzzentrum Großschadenslagen kurz- und mittelfristige Planungen für die notfallmäßige Unterbringung erstellt. Dazu zählt vor allem die Akquise und Herrichtung von Notunterkünften zur akuten Unterbringung und die mittelfristige bauliche Ertüchtigung von Liegenschaften, um eine Aufnahme über die nächsten Wochen sicherzustellen. Der extreme Zulauf auch nach Niedersachsen führt zu einer angespannten Lage und immer wieder auftretenden Engpässen, die mit viel Engagement aller Beteiligten bewältigt werden müssen.
Das Kompetenzzentrum Großschadenslagen kümmert sich um die Gesamtversorgung aller Notunterkünfte mit den benötigten Ausstattungs- und Verbrauchsmitteln mit einem eigens eingerichteten Landeszentrallager für den Katastrophenschutz. Daraus werden z.B. Artikel wie Matratzen, Bettdecken und Hygieneartikel an die über 30 Standorte geliefert. Über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich im Schichtbetrieb im Kompetenzzentrum die ganze Woche über um die ankommenden Flüchtlinge und verteilen diese auf die Standorte in ganz Niedersachsen.
Aktuell werden über 18.000 Notunterkunftsplätze zusätzlich zu den Kapazitäten der Landesaufnahmebehörde vorgehalten, darunter als Beispiele der letzten Tage:
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das weitläufige Camp Fallingbostel, das von den Briten geräumte Militärlager in der Lüneburger Heide. Hier waren zuletzt ca. 4.500 britische Militärs stationiert, die im Laufe des Jahres aus Fallingbostel abgezogen wurden. Das Areal bietet viele leerstehende Häuser und Hallen, die nun als Notunterkunft genutzt werden sollen. Ein erster Teil des Geländes ist dazu mit großer Unterstützung der Bundeswehr bereits hergerichtet und wird seit Anfang Oktober genutzt, aktuell sind so Kapazitäten für die Unterbringung von 1.600 Flüchtlingen in einer Notunterkunft geschaffen worden.
Weitere drei sogenannte Cluster des Areals stehen noch zur Verfügung und sollen noch weiter zur Unterbringung ertüchtigt und mit Unterstützung der Bundeswehr betrieben werden, sodass auf dem Gelände letztlich bis zu 6.000 Flüchtlinge untergebracht werden könnten.
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Bereits seit Mitte September wird das direkt neben dem Camp Fallingbostel gelegene Camp Oerbke als Notunterkunft genutzt. In der ehemaligen NATO-Kaserne sind mehr als 1.200 Flüchtlinge untergebracht und versorgt.
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Ein Beispiel für die Hilfsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der ehrenamtlich Tätigen, der Katastrophenschutzdienste und auch der Kommune ist die äußerst kurzfristige Herrichtung der ehemaligen Mackensen-Kaserne in Hildesheim Ende September des Jahres als Notunterkunft. Die Kaserne bietet heute 1.100 Unterbringungsplätze. Hier ist es durch tatkräftiges Handeln aller Beteiligten gelungen, notwendige Bauarbeiten und die Bestückung mit Matratzen und dem nötigsten Mobiliar in äußerst kurzer Reaktionszeit vorzunehmen.
Über die aktuelle Situation berichtet das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport dem Niedersächsischen Landtag regelmäßig im Ausschuss für Inneres und Sport.
Die gegenwärtige Zuspitzung der Lage sowohl in Niedersachsen als auch in den 15 anderen Bundesländern und beim Bund zeigt, dass alle zielführenden Maßnahmen ergriffen werden müssen. Allein nach Niedersachsen kommen derzeit pro Tag mehr als 1.000 Menschen auf der Flucht. Hunderte von ihnen werden uns durch den Freistaat Bayern zugewiesen. Um diese Flüchtlinge unterzubringen, haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen, in den Hilfsorganisationen, in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, in den Ministerien, die Mitglieder der Landtagsfraktionen und der Landesregierung Enormes geleistet und erhebliche Kraftanstrengungen geschultert. Seit September wurden bereits knapp 18.000 Notunterkünfte geschaffen. Bis Jahresende ist bereits jetzt die Einrichtung von mindestens 14.000 weiteren Plätze geplant.
Das Land wird diese Anstrengungen fortsetzen und verstärken und zusätzliche Instrumente entwickeln. Neben einer strategischen Kapazitätsplanung zählen dazu auch kurzfristige Akut-Maßnahmen und Handlungsansätze, die die Kommunen einbeziehen.
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So werden ganz unmittelbar - zur Vermeidung von Obdachlosigkeit - ergänzend zu den im Auf- und Ausbau befindlichen Landeskapazitäten ab dieser Woche die Landkreise und kreisfreien Städte um befristete und vorübergehende Amtshilfe bei der Unterbringung der ankommenden Asylsuchenden ersucht.
Grundsätzlich werden dabei alle Landkreise und kreisfreien Städte in Anspruch genommen. Gebietskörperschaften, die bereits Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Notunterkunft sind, werden zunächst zurückgestellt. Im Übrigen ergibt sich die Reihenfolge der Inanspruchnahme unter Berücksichtigung sonstiger im Zusammenhang mit der Aufnahme von Asylsuchenden bereits bestehender oder absehbarer Beanspruchungen sowie aus der Einwohnerzahl der jeweiligen Gebietskörperschaften. Geplant ist, dass sich die unmittelbare Zuweisung ungefähr im Rahmen von jeweils täglich 100 bis 200 Flüchtlingen bei einer Gebietskörperschaft, die bei diesem vorübergehenden Schritt betroffen ist, bewegt. Um die Inanspruchnahme der Kommunen im Rahmen der Amtshilfe zeitlich und im Umfang auf das absolut Notwendige zu begrenzen, werden parallel dazu weiterhin mit Hochdruck zusätzliche Landesnotunterkünfte und neue Erstaufnahmestandorte gesucht und eingerichtet.
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Darüber hinaus hat das Land schon vor knapp zwei Wochen angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen den Kommunen den Vorschlag gemacht, Erstaufnahmeeinrichtungen gegen volle Kostenerstattung im Auftrag des Landes zu betreiben.
Das Modell sieht im Einzelnen vor, dass die Kommunen im staatlichen Auftrag die Erstaufnahme in Notunterkünften übernehmen und dafür eine kostendeckende Erstattung des Landes der damit verbundenen Kosten erhalten.
Außerdem soll bei der späteren Verteilung auf die Kommunen im Sinne einer schnellen Integration berücksichtigt werden, dass bevorzugt diejenigen Flüchtlinge an einen Kreis oder eine Stadt verteilt werden, die sich dort bereits in der Notunterkunft aufgehalten haben. Die gesetzlichen Aufgaben und die Zuständigkeit der Erstaufnahme bleiben aber auch nach diesem Modell beim Land. Die Kommunen würden lediglich im Auftrag auf der Basis entsprechender Verträge für das Land tätig. Damit können die Kommunen die jetzt akut in Amtshilfe aufzunehmenden Flüchtlinge jederzeit in eine auftragsweise Unterbringung überführen, für die dann das vorgenannte Verfahren und eine pauschale Abgeltung aller entstehenden Kosten gilt.
1. Gibt es ein umfassendes aktuelles Konzept der Landesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Niedersachsen?
Die Niedersächsische Landesregierung verfügt über ein umfassendes, aktuelles und ressortübergreifendes Konzept, um die enormen Herausforderungen, die mit den sehr hohen Zugangszahlen verbunden sind, zu meistern. Dazu zählt auch die Anwendung der Instrumente des Krisenmanagements, soweit es um die sehr kurzfristige Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten in erheblicher Anzahl geht. Neben den in der Vorbemerkung ausgeführten Maßnahmen zur Lösung der drängendsten und täglich akuten Probleme hat die Niedersächsische Landesregierung bereits eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen und bereitet weitere vor:
Erhöhung der Unterbringungskapazitäten der Landesaufnahmebehörde
Der starke Anstieg der Flüchtlingszahlen erfordert eine Erhöhung der Kapazitäten der Landesaufnahmeeinrichtung. Das Land hat im letzten Jahr bereits die vorhandenen Kapazitäten in den Standorten Braunschweig, Bramsche und Friedland von 1.700 Plätzen auf gut 3.100 Plätze (ohne Zelte) erhöht.
In diesem Jahre wurden weitere 500 Plätze durch die Installation und Inbetriebnahme von Großcontainersystemen an den Standorten Braunschweig und Bramsche geschaffen. Eine vierte Erstaufnahmeeinrichtung ist für einen vorgesehenen Betriebsbeginn Anfang 2016 in Osnabrück im Aufbau. Hierdurch sowie durch Anmietung von Hotels und Jugendherbergen, die Nutzung von Turnhallen und Zelten sind die Kapazitäten einschließlich der Notunterkünfte derzeit auf insgesamt mehr als 24.000 Plätze angewachsen. Dies reicht jedoch nicht aus. Daher wird zum 01.11.2015 ein fünfter Standort in Oldenburg in Betrieb genommen. Außerdem wird die ehemalige Kaserne in Ehra-Lessien im Landkreis Gifhorn zum weiteren Standort der Erstaufnahme für 600 Flüchtlinge aufgebaut. Als neuer Standort der Landesaufnahmebehörde soll Ehra-Lessien voraussichtlich im Frühjahr 2016 an arbeiten. Aktuell wird das Gelände zunächst als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt.
Die Niedersächsische Landesregierung ist darüber hinaus mit Hochdruck dabei, bis zu drei weitere Standorte mit jeweils mindestens 500 Plätzen zu identifizieren. Hierzu werden derzeit Gespräche/Verhandlungen bezüglich ehemaligen Kasernen in Cuxhaven-Altenwalde, Neu-Tramm und Aurich geführt.
Personelle Verstärkung der Landesaufnahmebehörde
Diese bereits seit fast zwei Jahren angespannte Lage führt in der Landesaufnahmebehörde zu einer starken Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Niedersächsische Landesregierung hat auf personelle Engpässe in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in der Vergangenheit reagiert und wird dies auch in Zukunft tun.
So wurden sowohl im regulären Haushalt 2015 als auch im Nachtragshaushalt 2015 jeweils weitere Stellen für die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen vorgesehen und auch im Haushaltsentwurf für 2016 sind weitere Stellen bereits vorgesehen und diese Planung wird anhand der technischen Liste dann unmittelbar vor der Verabschiedung des Haushaltsplanes für das kommende Jahr an die aktuellen Erfordernisse angepasst. Im Ergebnis wird sich der Personalbestand der Landesaufnahmebehörde in zwei Jahren mehr als verdoppelt haben. Allein die Zahl der Vollzeiteinheiten (VZE) wird sich von rund 280 im Jahr 2014 auf mindestens 565 im Jahr 2016 erhöht haben.
Weiter personelle und organisatorische Maßnahmen
Die Landesaufnahmebehörde ist über die Jahre mit abnehmenden Flüchtlingszahlen massiv geschrumpft. Das war richtig. Genauso richtig und wichtig ist, dass wir diese jetzt massiv ausbauen, um die Herausforderungen zu meistern. Aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium sind besonders belastet und benötigen dringend Unterstützung. Das Ministerium hat neben der Bewältigung der Unterbringungssituation vor allem die Aufgabe innerhalb kürzester Zeit Strukturen für die neuen und gewachsenen Aufgaben zu schaffen. Die Krisenorganisation muss in eine dauerhafte Organisation überführt werden, weil uns diese Aufgabe noch sehr lange beschäftigen wird. Dazu werde ich im Rahmen der Diskussion um die technische Liste, personelle und organisatorische Vorschläge unterbreiten die bereits regierungsintern abgestimmt und in der Konsequenz unumgänglich sind. Auch für diese Maßnahmen werbe ich um die Unterstützung des hohen Hauses.
Änderung der Kostenabgeltung
Die Höhe der jährlichen Kostenabgeltungspauschale beträgt aktuell 6.195 Euro und wurde auf der Grundlage der Verhältnisse des Jahres 2013 ermittelt. Die kommunalen Spitzenverbände und die Kommunen erwarten daher eine Änderung der Kostenabgeltungsstruktur mit dem Ziel eines auf die geänderten tatsächlichen Umstände angepassten finanziellen Ausgleichs.
Nach dem Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche vom Juni 2015 hatte der Bund über die Verteilung der Umsatzsteuer Niedersachsen einen einmaligen – und langfristig hälftig vom Land mitzufinanzierenden – Betrag in Höhe von 90 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Niedersächsische Landesregierung hat hiervon 80 Millionen Euro zuzüglich eines Landesbeitrages in Höhe von 40 Millionen Euro – also insgesamt 120 Millionen Euro – mit dem Gesetz zur Entlastung der Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Jahr 2015 unmittelbar an die Kommunen weitergegeben, um diese bei Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zu entlasten.
Darüber hinaus sollen im Vorgriff auf mögliche weitere Änderungen des Aufnahmegesetzes die Kommunen mit dem Zweiten Nachtragshaushalt 2015 von Vorleistungen im Jahr 2015 angesichts der stark steigenden Zugangszahlen an Asylbegehrenden und des derzeit geltenden Kostenabgeltungssystems entlastet werden, indem die für das Jahr 2016 vorgesehene Kostenabgeltung als Vorauszahlung im Jahr 2015 gewährt wird. Nachdem der Bund nach dem gemeinsamen Beschluss der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015 die Mittel über die Umsatzsteuer im Jahr 2015 zur finanziellen Entlastung für die Länder um weitere rund 90 Millionen Euro für Niedersachsen erhöht, soll die Vorauszahlung an die Kommunen auf insgesamt 250 Millionen Euro aufgestockt werden.
Für die kommenden Jahre ist die gesetzliche Änderung der Kostenabgeltung in Vorbereitung. Nach den hierzu weiterführenden Gesprächen der Niedersächsischen Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden soll es demnächst zum Abschluss der Prüfung kommen und in Kürze ein Gesetzentwurf zur Änderung des Aufnahmegesetzes vorgelegt werden.
Förderung der freiwilligen Rückkehr
Es ist allgemeiner Konsens, dass die Rückkehrpolitik ein wirksames und bewährtes Steuerungsinstrument der Migrationspolitik ist. Dazu gehören die Grundsatzfragen der freiwilligen Rückkehr, der Rückkehrförderung, der Reintegration, der Rückführung und der Rückübernahme ausreisepflichtiger Personen durch ihre Herkunftsstaaten. Sowohl auf EU-Ebene (Rückführungsrichtlinie) wie auch im nationalen Bereich gilt der Grundsatz, dass der freiwilligen Rückkehr als humanerer Alternative einer Aufenthaltsbeendigung Vorrang vor einer zwangsweisen Rückführung einzuräumen ist.
Das Land beteiligt sich daher seit Jahren an diversen Rückkehrprogrammen und Hilfsmaßnahmen bzw. legt diese auch selbst auf. So sind z.B. mit Leistungen aus dem REAG/GARP-Programm im Jahr 2013 1.072 Personen und im Jahr 2014 1.553 Personen freiwillig ausgereist. Für die Zeit von Januar bis September 2015 sind bereits 2.414 Förderanträge gestellt worden. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum ist das eine Steigerung von nahezu 100 Prozent.
Auch wenn Niedersachsen bereits sehr gut aufgestellt ist, ist es wichtig, die Förderung der freiwilligen Rückkehr weiter zu stärken.
Neujustierung des Abschiebungsvollzugs
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge strebt mit personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie durch Prioritätensetzung an, die anhängigen Asylverfahren beschleunigt zu bearbeiten. Somit ist zu erwarten, dass in Zukunft vermehrt Personen mit nur kurzer Aufenthaltsdauer in Deutschland vollziehbar ausreisepflichtig sein werden.
In dieser Erwartung wurde der Abschiebungsvollzug in Niedersachsen mit ergänzendem Erlass vom 29. September 2015 neu justiert. Bei Einzelpersonen, deren aktuelle Aufenthaltsdauer in Deutschland bis zum Zeitpunkt des in Aussicht genommenen Abschiebungstermins nicht mehr als 18 Monate beträgt, kann nunmehr auf die Bekanntgabe des Abschiebungstermins verzichtet werden – bislang galt in diesen Fällen, dass der Abschiebungstermin angekündigt werden „soll“. Mit der ergänzenden Erlassregelung wird den Ausländerbehörden ein klarer Handlungsrahmen vorgegeben, der zugleich ausreichende Spielräume belässt, um die konkreten Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Es gilt weiterhin der Vorrang der freiwilligen Rückkehr.
Auch sonst bleibt der humanitäre Ansatz in der Asyl- und Flüchtlingspolitik erhalten; für Familien oder Alleinerziehende mit Kindern gelten die Regelungen des Rückführungserlasses von September 2014 unverändert fort (Verpflichtung zur Ankündigung des Abschiebungstermins beim ersten und grundsätzlich auch beim 2. Versuch). Auch bei den Vorgaben für Abschiebungen zur Nachtzeit bleibt es bei der bisherigen Erlasslage. Dies schließt natürlich nicht aus, dass auf etwaige anderslautende bundesgesetzliche Vorgaben reagiert werden muss.
Rechtliche Erleichterungen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften
Nach den bisherigen Erfahrungen gibt es bei der erforderlichen Schaffung bzw. Umrüstung von Gebäuden und Einrichtungen zu Erstaufnahmeeinrichtungen und Wohnraum zur vorübergehenden gemeinschaftlichen Unterbringung von Flüchtlingen auch landesrechtliche Anforderungen, die einer schnellen und auch finanziell vertretbaren Umsetzung entgegenstehen.
Um die Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen in Niedersachsen gewährleisten zu können, soll daher für einen befristeten Zeitraum von geltenden Regelungen und Standards gezielt abgewichen werden können.
Nachdem der Bund mit seinem Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes zeitlich befristete Erleichterungen im Bauplanungsrecht sowie in einem entsprechenden Umfang weitere punktuelle Erleichterungen hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Energien im Gebäude schaffen möchte, sollen – neben den bereits vorgenommen vergaberechtlichen Erleichterungen – insbesondere auch landesrechtliche Regelungen im Bauordnungsrecht und im Denkmalschutzrecht für einen begrenzten Zeitraum bis Ende 2019 angepasst werden.
Hierzu wurde der Entwurf eines Niedersächsischen Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetzes (NFUEG) erstellt, der als Entwurf der Regierungsfraktionen kurzfristig in den Landtag eingebracht werden soll.
Vergaberechtliche Erleichterungen sind im Hinblick auf die bereits erfolgten Anpassungen in der Niedersächsischen Wertgrenzenverordnung durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr erfolgt.
Mittelbereitstellung über den 2. Nachtragshaushalt
Am 22. September hat die Niedersächsische Landesregierung einen zweiten Nachtragshaushaltsplanentwurf für das laufende Jahr beschlossen. Bereits im Juli 2015 wurden mit einem ersten Nachtragshaushaltplan zusätzliche Mittel für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen bereitgestellt. Mit dem zweiten Nachtrag werden die Haushaltsansätze für das laufende Jahr nochmals massiv erhöht.
Nachdem im Verhältnis zwischen Bund und Ländern seit dem Flüchtlingsgipfel am 24. September 2015 ein höheres Maß an Klarheit besteht, hat die Niedersächsische Landesregierung umgehend Gespräche mit der kommunalen Ebene in Niedersachsen begonnen, die noch nicht abgeschlossen sind. Für die Kommunen ist im zweiten Nachtragshaushalt eine Vorauszahlung in Höhe von 250 Millionen Euro vorgesehen. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf des zweiten Nachtrags konnte der Betrag aufgrund der zusätzlichen Zahlung des Bundes in diesem Jahr noch deutlich gesteigert werden. Diese Zahlung schafft Liquidität und entlastet die Kommunen im Vorgriff auf mögliche Änderungen des Aufnahmegesetzes, die derzeit Gesprächsgegenstand mit den Kommunalen Spitzenverbänden sind.
Insgesamt zahlt das Land 2015 an die Kommunen einen Betrag von 119 Millionen Euro aus der Erstattung nach bisheriger Rechtslage. Weitere 120 Millionen Euro gehen Richtung Kommunen als Soforthilfe und 44 Millionen Euro als Erstattung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. In der Summe sind das rund 283 Millionen Euro, die vom Land an die Kommunen geleistet werden; 100 Millionen Euro mehr als das Land vom Bund in diesem Jahr erhält. Hinzu kommt die Vorauszahlung an die Kommunen in Höhe von 250 Millionen Euro in diesem Jahr.
Ein vergleichbar großer Ausgabenblock wird für die landeseigenen Maßnahmen gestemmt – und zwar ohne Bundesmittel, sondern allein aus eigenen Landesmitteln. Der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen werden in diesem Jahr insgesamt über 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen 80 Millionen Euro für notwendige Baumaßnahmen. Weitere 25 Millionen Euro werden über den Grundhaushalt 2015 hinaus zusätzlich bereitgestellt insbesondere für die Integration der Flüchtlinge durch Maßnahmen der Sprachförderung oder Flüchtlingssozialarbeit.
Die Dynamik ist weiterhin ungebrochen und enorm. In dieser Lage vollzieht die Niedersächsische Landesregierung mit dem zweiten Nachtragshaushalt einen finanziellen Kraftakt. Dies wird auch für den Haushalt für 2016 gelten, der aktuell ebenfalls in den Ausschüssen beraten wird.
Hier wird es im Rahmen des parlamentarischen Beratungsverfahrens noch einigen Nachsteuerungsbedarf geben. Das betrifft neben der Justierung der Anteile von Bund, Länder und Kommunen auch die Zukunft der Notaufnahmekapazitäten. Hierfür wird ebenso eine Anschlussfinanzierung erforderlich sein wie für die anderen dringenden Maßnahmen, die mit dem zweiten Nachtrag 2015 angeschoben werden.
Zusätzliche Ressourcen für die Sprachförderung
Mit Blick auf den Kultusbereich hat die Niedersächsische Landesregierung ein umfassendes Konzept erarbeitet, um den Flüchtlingskindern und den jugendlichen Flüchtlingen ein gutes Lernumfeld zu bieten. Dabei ist Sprache der Schlüssel zu Bildung, und deshalb ist Sprachförderung jetzt die wichtigste Aufgabe. Ziel ist es, die Kinder und die jugendlichen Flüchtlinge so schnell wie möglich in die Lage zu versetzen, integriert am Unterricht in der Klasse teilzunehmen.
Sprachförderung und der Umgang mit Vielfalt ist Teil des Systems. Dies hat das Kultusministerium mit dem Runderlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ vom 01.07.2014 bereits kurz nach dem Regierungswechsel vorausschauend und verbindlich geregelt.
Der Erlass ist das zentrale Instrument für Schulen, um insbesondere neu zugewanderte Kinder und Jugendliche individuell fördern zu können. Mit diesem Erlass wurde ein ebenso umfassender wie flexibler Rahmen zur Sprachförderung geschaffen. Das Kultusministerium stellt bereits gegenwärtig 20 Bausteine zur Förderung von Flüchtlingskindern und jugendlichen Flüchtlingen sowie zur Unterstützung der Schulen und Lehrkräfte zur Verfügung. Die vielfältigen Maßnahmen, die die Niedersächsische Landesregierung bereits auf den Weg gebracht hat und die in Anbetracht der stark steigenden Flüchtlingszahlen weiter ausgebaut oder neu initiiert werden, stellen ein sehr gutes Fundament dar für die weitere konzeptionelle Ausgestaltung, die mit dem von der Niedersächsischen Landesregierung ausgearbeiteten Nachtragshaushalt vorgenommen wird.
Finanzmittel im Umfang von mehr als 700 zusätzlichen Stellen für die Förderung von Flüchtlingskindern und jugendlichen Flüchtlingen in Schulen sind im laufenden und kommenden Haushaltjahr für das Kultusministerium vorgesehen. Rund 10 Mio. Euro sollen im 2. Nachtragshaushalt 2015 bereitgestellt werden, rund 40 Mio. Euro zusätzlich im Haushalt 2016. Mit den zusätzlichen Ressourcen sollen namentlich Sprachfördermaßnahmen an allgemein bildenden und an berufsbildenden Schulen erweitert und ausgebaut werden.
Die zu Beginn des Schuljahres bereits auf rd. 300 erhöhte Zahl der Sprachlernklassen wird angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen um weitere rund 250 auf ca. 550 Sprachlernklassen ansteigen. In diesen Klassen können so mehr als 8.800 Kinder und Jugendliche ohne Deutschkenntnisse auf den Regelunterricht vorbereitet werden.
Für weitere Fördermaßnahmen wie Sprachförderkurse, Sprachförderunterricht, Sprachförderkonzepte und vorschulische Sprachförderung soll der Umfang der Lehrerstunden um mindestens 7.500 Stunden erhöht werden (rund 250 Stellen). Bis zu 20 Stellen von diesem Kontingent sind vorgesehen, um eine Beschulung und Betreuung von Flüchtlingskindern in Erstaufnahmeeinrichtungen zu ermöglichen.
Ferner ist zur Unterstützung der Lehrkräfte vorgesehen, mehr sozialpädagogische Fachkräfte für die schulische Sozialarbeit zur Integration junger Flüchtlinge vor allem an Ganztagsschulen einzusetzen (100 Stellen).
Die berufsbildenden Schulen werden ebenfalls mit 100 zusätzlichen Stellen ausgestattet. Für die Schulen wird ein Schulversuch eingerichtet mit dem Ziel, jugendliche Flüchtlinge möglichst schnell und intensiv mit der deutschen Sprache, dem Kultur- und Berufsleben vertraut zu machen.
Den Schulen wird neben dem bereits bestehenden Berufsvorbereitungsjahr damit die Möglichkeit gegeben, im Sinne eines Kompetenzzentrums in dieser Situation angemessen und flexibel zu agieren und auf diese Weise auch jungen Flüchtlingen unabhängig von der Schulpflicht eine Teilnahme zu ermöglichen.
Stärkung der Migrationsberatung und Flüchtlingssozialarbeit
Die Niedersächsische Landesregierung steht für eine zukunftsorientierte Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik. Diese umfasst unter anderem Konzepte für die Unterstützung der Kommunen bei der Aufnahme der Flüchtlinge, sichert Beratungsstrukturen und unterstützt das ehrenamtliche Engagement vor Ort.
Bereits im Jahr 2014 wurden landesweit „Koordinierungsstellen Migration und Teilhabe“ auf der kommunalen Ebene eingerichtet. Zweck ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und einer chancengerechten Teilhabe im Flächenland Niedersachsen sowie die landesweite Etablierung eines lokalen Migrations- und Teilhabemanagements für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.
Damit wird das Ziel verfolgt, die Umsetzung einer zukunftsorientierten Migrations- und Teilhabepolitik des Landes als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe unter Einbeziehung aller Menschen in Niedersachsen zu steuern und durch Festlegung gemeinsamer Standards nachhaltig zu gestalten. Ziel ist auch die Vernetzung der Gebietskörperschaften auf Landkreisebene, um den Austausch und die Zusammenarbeit der kreisangehörigen Kommunen in diesem Bereich zu erhöhen.
Über eine Richtlinie fördert das Land seit 2014 landesweit Koordinierungsstellen im Umfang von 1,44 Mio. Euro jährlich. Von 48 antragsberechtigten Gebietskörperschaften haben in diesem Jahr 47 eine solche Koordinierungsstelle eingerichtet und erhalten die entsprechende Förderung einer halben Personalstelle.
Durch die Migrationsberatung, also die vom Land geförderte Beratung im Rahmen der Flüchtlingssozialarbeit sowie die allgemeine Arbeit der Integrationsberatungsstellen, wird ein flächendeckendes Beratungsangebot für zugewanderte und zuwandernde Menschen als Ergänzung zur vom Bund finanzierten Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und den Jugendmigrationsdiensten (JMD) gewährleistet.
Um den Beratungsstandard angesichts der anhaltend hohen Zugangszahlen annähernd halten zu können, ist eine wesentliche Erhöhung der Haushaltsmittel für die Migrationsberatung und somit eine Ausweitung der bestehenden oder Einrichtung von neuen Beratungsstellen zwingend notwendig. Diesem Bedarf wird durch den 2. Nachtragshaushalt 2015 Rechnung getragen.
Fortgesetzte Förderung der Integrationslotsinnen und Integrationslotsen
Die fortgesetzte Förderung der Integrationslotsinnen und Integrationslotsen leistet einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Potentiale auf kommunaler Ebene. Es ermöglicht die Professionalisierung der freiwilligen Migrationsarbeit, es fördert gezielt das ehrenamtliche Engagement in dieser Arbeit. Die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme befähigt die ehrenamtlich Tätigen, gezielt zu helfen, ohne sich selbst zu überfordern. Die Qualifizierung der ehrenamtlichen Integrationslotsinnen und Integrationslotsen wird seit dem Jahr 2007 landesweit finanziell gefördert. Die Richtlinie ist gültig bis 31.12.2019. Im Haushaltsjahr 2015 stehen zur finanziellen Förderung der Qualifizierungsmaßnamen 130.000 Euro zur Verfügung.
Im Rahmen des Nachtragshaushalts stellt das Land Niedersachsen darüber hinaus zusätzlich noch in 2015 insgesamt 1 Million Euro zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe zur Verfügung.
Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern
Eine zentrale Bedeutung hat eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. Die Niedersächsische Landesregierung hat diese Herausforderung entschlossen angenommen und im Rahmen der Fachkräfteinitiative Niedersachsen bereits frühzeitig einen ständigen Austausch mit den relevanten Arbeitsmarktpartnern etabliert – darunter die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA), kommunale Spitzenverbände, Organisationen der Flüchtlingsarbeit und insbesondere auch die Spitzenverbände der Wirtschaft (IHKen, HWKen, UVN). Des Weiteren hat die Niedersächsische Landesregierung die seit November 2014 bestehenden rechtlichen Möglichkeiten eines erleichterten Arbeitsmarktzugangs für Asylsuchende und Flüchtlinge genutzt und verschiedene Maßnahmen ergriffen, die sich als Kette der Arbeitsmarktintegration darstellen:
Projekt Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen
Seit Juni 2015 läuft das Kooperationsprojekt mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit. Das Ziel ist es, Potenziale und Kompetenzen von Asylsuchenden und Flüchtlingen frühzeitig bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zu erfassen.
Kostenlose ÖPNV-Beförderung für Bewohnerinnen/ Bewohner der EAE des Landes
Seit 1. Oktober 2015 besteht die Möglichkeit einer kostenlosen Beförderung im ÖPNV für Asylsuchende im Landkreis des Sitzes der Erstaufnahmeeinrichtung. Die Fahrberechtigung wird durch den Hausausweis der Erstaufnahmeeinrichtung legitimiert. Das Land zahlt den Verkehrsunternehmen hierfür einen Ausgleich aus Regionalisierungsmitteln. Es handelt sich zugleich um eine Maßnahme der „Willkommenskultur“.
Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge
Aktuell befindet sich ein Modellprojekt aller sechs HWKen in Niedersachsen zur Nachwuchssicherung im Handwerk in Vorbereitung, das vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gefördert wird.
Damit soll die Gewinnung jüngerer Asylsuchender und Flüchtlinge mit Interesse an Handwerksberufen für eine Handwerksausbildung im Ausbildungsjahr 2016/2017 u. a. durch Berufsorientierung, Eignungsfeststellung und Praktikumsvermittlung unterstützt werden. Als Projektstart ist der 1. November 2015 vorgesehen.
Sprachförderung
Darüber hinaus plant das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gemeinsam mit dem IQ-Netzwerk Niedersachsen ein Modellprojekt für die Erprobung des Deutscherwerbs über EDV-gestützte audiovisuelle Sprachkurse. Diese Maßnahme ist insbesondere auch von Interesse für die Durchführung an dezentralen Standorten, wo gegebenenfalls kein ausreichendes Angebot von Regelkursen besteht.
Berufliche Qualifizierung
Im Juli/Aug. 2015 hat die NBank ein Interessenbekundungsverfahren für Bildungsträger zur Beantragung von Fördermitteln im Rahmen der ESF-Förderrichtlinie „Qualifizierung und Arbeit“ des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für Qualifizierungsprojekte für Arbeitslose durchgeführt. Ein Förderschwerpunkt dabei ist die Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten – insbesondere der Asylsuchenden und Flüchtlinge. Derzeit findet die Antragsberatung durch die NBank statt. Stichtag für die Antragseinreichung ist der 16.11.2015.
2. Wie groß ist die Aufnahmekapazität Niedersachsens bei der Aufnahme von Flüchtlingen zum 30. September 2015?
Laut Bestandsmeldung vom 30.09.2015 betrug die Aufnahmekapazität in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den Notunterkünften des Landes zum Stichtag 19.683 Unterbringungsplätze.
3. Sieht die Landesregierung in der konsequenten Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern eines der Mittel zur Lösung der Krise?
Nach Auffassung der Niedersächsischen Landesregierung ist die konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylsuchenden ein wichtiger Beitrag, um die gegenwärtigen Herausforderungen zu bewältigen. Hierzu zählt – soweit nicht erfolgreich auf eine freiwillige Ausreise hingewirkt werden kann – auch die zwangsweise Rückführung. Insgesamt ist allerdings eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich:
Ein Großteil der aktuell – z.B. aus Syrien, Irak und Eritrea – nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge hat gute Chancen auf einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland. Insoweit hat sich die Situation gegenüber dem ersten Halbjahr 2015, als noch etwa jede bzw. jeder zweite Asylsuchende aus Staaten mit sehr geringer Anerkennungsquote nach Deutschland kam, grundlegend gewandelt.
Nichtsdestotrotz haben sich Bund und Länder bei der Verabredung des Aktionsplans am 18. Juni d.J. und erneut beim „Flüchtlingsgipfel“ am 24. September d.J. unter anderem darauf verständigt, die Aufenthaltsbeendigung zu beschleunigen und, um bei vollziehbarer Ausreisepflicht zügig die Rückführung zu veranlassen, verstärkt zusammenzuarbeiten. Die Niedersächsische Landesregierung trägt diese Ergebnisse der Besprechungen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik selbstverständlich mit, was zum Beispiel auch an der vorausgegangenen Teilnahme am sog. Kosovoprojekt zum Ausdruck gebracht worden ist.
Die Abschiebung ist von der Ausländerbehörde einzuleiten, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Ausreise nicht gesichert ist. Die Entscheidung über das „Ob“ einer Abschiebung steht mithin nicht im Ermessen der Ausländerbehörden, sondern ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen eine zwingende Rechtsfolge.
Zum „Wie“ des Abschiebungsvollzugs hat die Niedersächsische Landesregierung mit der Bekanntgabe des Erlasses zur Organisation und Durchführung des Rückführungs- und Rücküberstellungsvollzugs (Rückführungserlass) vom 23. September 2014 den Ausländerbehörden rechtliche Hinweise gegeben und verfahrensmäßige Vorgaben gemacht.
Dieser Erlass wie auch der Erlass zum Härtefallverfahren ist zwischenzeitlich durch Ergänzungserlass vom 29. September 2015 modifiziert worden in der Erwartung, dass es dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge alsbald gelingt, die anhängigen Asylverfahren beschleunigt zu bearbeiten – mit der Folge, dass in Zukunft vermehrt Personen mit nur kurzer Aufenthaltsdauer in Deutschland vollziehbar ausreisepflichtig sein werden.
Die Niedersächsische Landesregierung hält jedoch an der Auffassung fest, dass bei allen Bemühungen, die Aufenthaltsbeendigung zu beschleunigen, dem humanitären Ansatz im Abschiebungsvollzug weiterhin Rechnung getragen werden muss. Der Vorrang der freiwilligen Rückkehr hat sich bewährt.
Kommt es nicht zur freiwilligen Ausreise, ist als zwingende Rechtsfolge die Abschiebung einzuleiten. Die gesetzlichen Regelungen sind konsequent umzusetzen. Die Niedersächsische Landesregierung ist jedoch überzeugt, dass konsequentes Vorgehen nicht von der Verpflichtung zu sachgerechter Entscheidung im jeweiligen Einzelfall entbindet.