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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zur Ausstattung der niedersächsischen Polizei

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17. Dezember 2015; Fragestunde Nr. 33

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Editha Lorberg, Thomas Adasch und Angelika Jahns (CDU) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert in einer Presseerklärung vom 2. Dezember 2015, dass für Niedersachsens Polizei die Zahl schusssicherer Überziehwesten der Schutzklasse II verdoppelt wird. Es gebe einen erheblichen Nachholbedarf. Mindestens zwei solcher Westen müssten für jeden der ca. 1. 000 Streifenwagen Niedersachsens vorhanden sein. Dazu fehlten jedoch schätzungsweise 1. 100 Stück.

Der Landesvorsitzende der GdP, Dietmar Schilff, fordert daher eine Nachbesserung des Haushaltsentwurfs für 2016. Es wäre laut Herrn Schilff ideal, wenn alle Polizeibeamtinnen und -beamten sogar mit Überziehwesten der Schutzklassen III und IV geschützt würden.

In jedem Fall forderte die GdP zeitnahe Schulungsmaßnahmen, wie mit den neuen terroristischen Bedrohungen im Arbeitsalltag umzugehen ist.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Verbesserung der Handlungs- und Interventionsfähigkeit der Polizei in Niedersachsen ist eine dauerhafte Zielsetzung, die regelmäßig zu Ergänzungen oder Weiterentwicklungen der vorhandenen Ausstattung sowie Überprüfung und Anpassung der erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen führen. Dabei werden alle signifikanten Anlässe regelmäßig ausgewertet und in der Planung berücksichtigt.

Das Niedersächsische Innenministerium hat sich seit den jüngsten Ereignissen in Frankreich und Belgien intensiv mit der Ausstattung aber auch der Handlungssicherheit im Umgang mit vorhandenen Führungs- und Einsatzmitteln und dem besonderen taktischen Vorgehen in Extremsituationen auseinandergesetzt. Hier wurde ein Stufenkonzept entwickelt, dessen Bestandteile passive und aktive Ausstattungskomponenten ebenso beinhaltet, wie eine Intensivierung beispielsweise des Schusswaffeneinsatztrainings oder des taktischen Vorgehens in besonderen Gefährdungslagen. Es bezieht dabei die Einsatz- und Streifendienste ebenso ein, wie die Spezialeinheiten. Dieses Konzept geht über eine bloße Betrachtung der Schutzausstattung hinaus. Die Umsetzung dieses Konzeptes wurde mit den Polizeivizepräsidenten beraten, Einzelmaßnahmen werden zeitnah durch die Polizeibehörden umgesetzt werden. Die erörterten Maßnahmen zu Ausstattung und Trainings werden zeitnah um weitere, auch führungsbezogene Aspekte ergänzt.

Dies vorangestellt ergehen folgende Antworten namens der Landesregierung:

1. Wie viele Überziehwesten welcher Schutzklassen stehen den niedersächsischen Polizeibeamtinnen und -beamten zur Verfügung?

Alle niedersächsischen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte mit operativen Aufgaben sind seit 1996 aufwachsend mit einer persönlich angepassten ballistischen Unterziehschutzweste der Schutzklasse 1 ausgestattet.

Darüber hinaus wurden aus Landesmitteln alle Dienststellen mit „rund-um-die-Uhr-Dienst“ mit jeweils vier Überziehschutzwesten der Schutzklasse 2 ausgestattet. Im Bestand der Polizei Niedersachsen befinden sich aktuell insgesamt 916 Stück dieser Schutzwesten.

2. Wie stellt sich der Schutz bei den einzelnen Schutzklassen dar?

Die Schutzkraft einer ballistischen Weste wird mit der sogenannten Schutzklasse (SK) angegeben. Hierzu sind die ballistischen Schutzwesten grundsätzlich in fünf unterschiedliche SK (SK L bis 4 - entsprechend Technische Richtlinie „Ballistische Schutzwesten“ des Polizeitechnischen Instituts der DHPol) eingeteilt. Die wesentlichen SK sind:

SK 1

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse und Polizeigeschosse, verschossen aus Kurzwaffen (einschließlich Maschinenpistole) im Kaliber 9 mm x 19 mm (zum Schutz gegen gebräuchliche Geschosse aus Faustfeuerwaffen).

Die ballistische Unterziehschutzweste SK 1 ist standardisierter Schutz in der Polizei Niedersachsen. Neben der Schutzklasse werden hierzu auch die Anforderungen an die Tragbarkeit im Verhältnis zur geschützten Fläche besonders berücksichtigt.

SK 2

Durchschusshemmend gegen Vollgeschosse (z. B. aus Kupfer oder Messing) oder Eisenkerngeschosse, verschossen aus Kurzwaffen einschließlich Maschinenpistolen bis Kaliber 357 Magnum.

Die Schutzwesten bieten neben einer erhöhten Schutzklasse auch eine größere Schutzfläche sowie einen Halsschutz, jedoch eine sehr geringe Beweglichkeit mit deutlich höherem Gewicht.

SK 3

Durchschusshemmend gegen Weichkerngeschosse, verschossen aus Langwaffen. Als Prüfgeschosse dienen die Kaliber 7,62 mm × 51 mm (.308 Winchester) und 5,56 mm × 45 mm (.223 Remington).

SK 4

Durchschusshemmend gegen Hartkerngeschosse, verschossen aus Langwaffen. Zur Anwendung kommen die gleichen Kaliber wie bei SK 3, allerdings mit wesentlich durchschlagkräftigeren Hartkernprojektilen.

Darüber hinaus gilt, dass je größer die Schutzwirkung ist, das Gewicht der Schutzwesten deutlich zunimmt und zu Lasten der Beweglichkeit geht.

Schutzklasse Gewicht

1 3 kg

2 9 kg

3 15 kg

4 15 kg bis 20 kg (je nach geschütztem Bereich)

3. Welche der Forderungen der GdP wird die Landesregierung im nächsten Jahr erfüllen?

Siehe Vorbemerkung.

Unabhängig von Forderungen der Gewerkschaft der Polizei hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport auf Basis des in den Vorbemerkungen beschriebenen Stufenkonzeptes gemeinsam mit den Polizeibehörden und der Polizeiakademie Niedersachsen beschlossen folgende Maßnahmen zur Ergänzung vorhandener Ausstattungen bzw. Optimierung der Interventions- und Handlungsfähigkeit umzusetzen und künftig als Mindeststandard zu fixieren:

- Erhöhung der Zahl der Überziehschutzwesten SK 2 bis zu einer Verfügbarkeit von 2 Westen je Funkstreifenwagen (FuStw) blau/silber

- Erhöhung der Zahl der Überziehschutzwesten SK 2 für die Einheiten der Bereitschaftspolizei in einem über den derzeit dort vorhandenen Bestand auf einen noch abzustimmenden einheitsbezogenen Ausstattungsstandard

- Beschaffung entsprechend erforderlicher Zusatzholster für eine sichere Unterbringung der Dienstwaffe beim Tragen der Schutzwesten SK 2

- Verbesserung der räumlichen Wahrnehmung durch zusätzliche Visiereinrichtungen für spezifische Waffensysteme beim Vorgehen in hochdynamischen Lagen

- Beschaffung und Einbau fester Unterbringungsbehältnisse für Maschinenpistolen in FuStw blau/silber

- Ergänzung der Ausstattung passiver und aktiver Führungs- und Einsatzmittel sowie Bewaffnung der Spezialeinheiten

- Weiterentwicklung fachlicher und rollenbezogener Einsatztrainings zum taktischen Vorgehen bei besonderen Gefährdungslagen

- Intensivierung des Schusswaffeneinsatztrainings mit organisationsspezifisch verfügbaren Waffen

Weiter ist es vorgesehen, im Rahmen eines Nutzerworkshops mit Vertretern der Zielgruppen zum Jahresbeginn 2016 unter expliziter Betrachtung verschiedener aktiver und passiver Komponenten von Einsatz- und Schutzausstattungsalternativen sinnvolle Ausstattungsalternativen zu prüfen und ggf. entsprechende Beschaffungs- und Ausstattungsbedarfe zu definieren.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.12.2015

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