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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Syrienrückkehrern aus Wolfsburg

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 5. Juni 2015; Fragestunde Nr. 21.

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns, Thomas Adasch, Johann-Heinrich Ahlers, Rudolf Götz, Klaus Krumfuß und Horst Schiesgeries (CDU) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Der NDR berichtete am 21. Mai 2015 auf seiner Internetseite („Bundesanwaltschaft klagt mutmaßliche IS-Kämpfer an“) über zwei Wolfsburger, die im Spätsommer 2014 festgenommen wurden. Diese beiden stehen im Verdacht, Mitglieder der Terrorvereinigung „Islamischer Staat“ zu sein. Beide sollen laut NDR auch einige Zeit in Syrien verbracht haben. Einer der beiden soll nach einer Waffenausbildung an Kampfeinsätzen im Irak teilgenommen haben, während der andere angekündigt habe, im Irak einen Selbstmordanschlag zu verüben. Die Bundesanwaltschaft habe nunmehr vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Celle gegen die beiden Anklage erhoben.

Laut Bericht des NDR gehen die niedersächsischen Behörden gegenwärtig davon aus, dass 50 Islamisten aus Niedersachsen in Richtung Syrien ausgereist sind.

Am 31. März 2015 berichtete der NDR auf seiner Internetseite („Dschihadisten in Wolfsburg: Polizei ließ Kämpfer ausreisen“), dass mindestens einer der 15 aus Wolfsburg in das Kriegsgebiet Syrien/Irak ausgereisten Wolfsburger im irakischen Ramadi bei einem Selbstmordanschlag ums Leben gekommen sei.

1. Wegen welcher Sachverhalte hat die Bundesstaatsanwaltschaft Anklage gegen die beiden Wolfsburger erhoben?

Die Bundesanwaltschaft hat am 11. Mai 2015 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle Anklage gegen den 27-jährigen deutschen und tunesischen Staatsangehörigen Ayoub B. und den 26-jährigen deutschen und tunesischen Staatsangehörigen Ebrahim H. B. erhoben. Den Angeschuldigten wird darin vorgeworfen, sich von Anfang Juni bis Mitte August 2014 als Mitglieder in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat Irak und Großsyrien“ (ISIG) beteiligt zu haben (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB). Dem Angeschuldigten Ayoub B. wird darüber hinaus zur Last gelegt, in Syrien eine Waffenausbildung durchlaufen und anschließend eine Waffe nebst Munition sowie zwei Handgranaten erhalten zu haben. Er ist daher auch wegen Vorbereitens einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB). Getragen von einer radikal-religiösen Einstellung fassten die Angeschuldigten im Frühjahr 2014 den Entschluss, sich am militanten Jihad des „Islamischen Staates Irak und Großsyrien“ (ISIG) zu beteiligen. Vor diesem Hintergrund reisten sie Ende Mai in die Türkei und gelangten mit Hilfe von Mittelsmännern des ISIG über die türkisch-syrische Grenze in ein sogenanntes Auffanglager der Vereinigung in Syrien. Dort unterzogen sie sich einer sogenannten Sicherheitsüberprüfung und übergaben dem ISIG ihr mitgeführtes Bargeld von insgesamt etwa 5.000 bis 6.000 Euro sowie ihre Mobiltelefone. Anschließend wurden die Angeschuldigten in ein Ausbildungslager der Organisation verlegt. Der Angeschuldigte Ayoub B. absolvierte erfolgreich eine mehrwöchige Waffenausbildung und nahm ab Ende Juli an Kampfeinsätzen des ISIG im Irak teil. Zunächst barg er Tote und Verletzte vom Schlachtfeld. Ab Anfang August beteiligte er sich dann wiederholt an militärischen Offensiven des ISIG, darunter an Kämpfen um die syrisch-irakische Grenzstadt Bukamal. Der Angeschuldigte Ebrahim H. B. erklärte hingegen wenige Tage nach Beginn der Waffenausbildung, einen Selbstmordanschlag im Irak begehen zu wollen. Er reiste daher im August gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des ISIG nach Bagdad, um dort einen solchen Anschlag vorzubereiten und auszuführen. Letztlich konnte er sein Vorhaben jedoch nicht in die Tat umsetzen, weil ein Teil der Gruppe verhaftet wurde. Darüber hinaus bemühten sich die beiden Angeschuldigten während ihres Aufenthalts in Syrien, in Chatkommunikationen neue Mitglieder für die Vereinigung zu gewinnen und sie zur Ausreise nach Syrien zu bewegen, was dem Angeschuldigten Ayoub B. im Falle eines Chatteilnehmers auch gelang. Ende August und im September 2014 kehrten die Angeschuldigten Ayoub B. und Ebrahim H. B. nach Deutschland zurück. Sie befinden sich seit ihren Festnahmen im November 2014 und Januar 2015 in Untersuchungshaft.

2. Wie viele Wolfsburger sind in welchen Monaten nach Syrien oder dem Irak ausgereist, um sich islamistischen Gruppen anzuschließen?

Aktuell liegen zu insgesamt 18 islamistischen Personen aus Wolfsburg Erkenntnisse vor, wonach diese in der Vergangenheit in Richtung Syrien/Irak ausgereist sind. Die Feststellung, ob die Motivation der Ausreise die humanitäre Hilfe oder aber eine jihadistische Unterstützung bis hin zur Teilnahme an Kampfhandlungen war, ist im Einzelfall nur schwer möglich. Nicht in allen Fällen liegen gesicherte Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich islamistischen Gruppen bzw. Organisationen angeschlossen haben oder sich tatsächlich in Syrien/Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Die Reisebewegungen der genannten Personen aus Wolfsburg in Richtung Syrien/Irak können anhand der bei den Sicherheitsbehörden in Niedersachsen bekannten Ausreisedaten wie folgt dargestellt werden:

2013:

September: 1 Person

2014:

Februar: 1 Person

März: 2 Personen

April: 2 Personen

Mai: 6 Personen

August: 2 Personen

November: 2 Person

2015:

Februar: 1 Person

April: 1 Person

3. Welche Erkenntnisse über Selbstmordattentäter aus Niedersachsen im Irak und Syrien liegen der Landesregierung vor?

Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden liegen Erkenntnisse zu einem sogenannten Selbstmordattentäter vor. Dabei handelt es sich um einen 25-jährigen deutsch-algerischen Staatsangehörigen, geb. in Wolfsburg, der im Mai 2014 ohne Kenntnis seiner Familie in die Türkei ausreiste. Von dort gelang ihm der Grenzübertritt nach Syrien und der Anschluss an den Islamischen Staat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist er bei Kampfhandlungen des IS im August 2014 durch ein von ihm verübtes sogenanntes Selbstmordattentat zu Tode gekommen. Eine behördliche Bestätigung seines Todes ist aufgrund der Umstände nicht zu erwarten. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn gemäß §§129 a, b StGB ist bei der Generalbundesanwaltschaft anhängig.

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erstellt am:
05.06.2015

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