Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Osterode
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 5. Juni 2015; Fragestunde Nr. 30.
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Bernd-Carsten Hiebing, Ansgar Focke und Angelika Jahns (CDU) wie folgt:
Vorbemerkung der Abgeordneten
Der NDR berichtete am 17. März 2015 („Rommel-Kaserne wird ab Juni Erstaufnahmelager“), dass das Innenministerium auf einer Bürgerversammlung in Osterode Pläne zur Einrichtung eines fünften Standortes der Landesaufnahmebehörde in einer seit zehn Jahren leer stehenden Kaserne vorgestellt habe. Bereits ab Juni sollten dort Asylbewerber untergebracht werden. Für bis zu 600 Flüchtlinge könnten dort Unterbringungskapazitäten geschaffen werden.
Am 31. März 2015 fragte der Flüchtlingsrat Niedersachsen in einer Pressemitteilung „Privatbetreiber und Söldner für die Erstaufnahmeeinrichtung Osterode?“. Hintergrund sind laut Flüchtlingsrat Verbindungen des Eigentümers der ehemaligen Kaserne in Osterode, der Princess of Finkenwerder GmbH & Co.KG, mit einem Unternehmen namens „Greenzone Consulting“, das auf seiner Internetseite „Kritische Unterstützungsleistungen für das Militär“ und „bis zu ca. 600 internationale Einsatzkräfte“ anbieten könne, die „allesamt ehemalige Angehörige westlicher Streitkräfte und Sicherheitsbehörden“ seien.
Das Göttinger Tageblatt berichtet in der Ausgabe vom 19. Mai 2015 („Osterode wirft Niedersachsen Aufforderung zur Rechtsbeugung vor“) über ein Gespräch zwischen dem Landkreis und dem Land am 9. April 2015. Laut dem Ersten Kreisrat des Landkreises Osterode soll das Land vom Landkreis „Rechtsbeugung“ bei der Erteilung der Baugenehmigung verlangt haben.
Der NDR berichtete am 19. Mai 2015 hierzu („Vorwürfe in Debatte um Flüchtlingseinrichtung“), dass das Innenministerium die Vorwürfe des Landkreises Osterode zurückgewiesen habe. Weiter berichtete der NDR, dass die Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung gegenwärtig nicht absehbar sei.
Vorbemerkung der Landesregierung
Weltweit haben sich immer mehr Regionen zu Kriegs- und Krisengebieten entwickelt. Die Lage – insbesondere in Syrien und im Irak – ist nach wie vor dramatisch. Immer mehr Menschen suchen daher aus Angst um ihr Leben Schutz in Deutschland und auch in Niedersachsen. So ist seit August 2012 ein signifikanter Anstieg der Zugangszahlen an Asylerstantragstellungen festzustellen. Angesichts der aktuellen Kriegs- und Krisengebiete rechnet das BAMF für den Bund derzeit mit einem Zugang von etwa 400.000 Asylerstanträgen für 2015.
Die anhaltend hohen bzw. weiterhin steigenden Zugangszahlen stellen die niedersächsischen Kommunen und das Land bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung dieser Zuflucht suchenden Menschen vor sehr große und weiter steigende organisatorische und finanzielle Herausforderungen.
Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen besteht im Moment aus drei Erstaufnahmeeinrichtungen in Braunschweig, Bramsche und Friedland. Hinzu kommt ein vierter Standort in Osnabrück, der derzeit zu einer vollwertigen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen unter Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ausgebaut wird. Dazuzurechnen sind eine Außenstelle in Hildesheim sowie Hotelnutzungen in Braunschweig, Groß Denkte und Duderstadt, in denen im Moment kurz- und mittelfristig Flüchtlinge untergebracht werden. In Bramsche und Braunschweig werden zusätzliche Polizeigroßcontainer aufgestellt (wofür jedoch einige kleinere Übergangscontainer platzbedingt wieder wegfallen). Wegen gleichzeitig anstehender umfangreicher Baumaßnahmen (Brandschutz) sind Kapazitäten am Standort Friedland nicht nutzbar, so dass derzeit eine Kapazität von 3.616 Plätzen (einschließlich 474 in beheizbaren Festzelten mit Fußboden) zur Verfügung steht.
Trotz der Kapazitätserhöhungen ist die aktuelle Belegung der Landesaufnahmebehörde mit 4.735 Personen (Stand 02.06.2015) gleichwohl immer noch sehr angespannt. Daher wird mit Hochdruck daran gearbeitet, zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtungen und damit weitere Unterbringungskapazitäten zu schaffen. Dabei befinden sich verschiedene Standorte in der intensiven Prüfung. Osterode ist einer dieser Standorte.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
1. Wie weit ist die Einrichtung und Inbetriebnahme der geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Osterode fortgeschritten?
Im Zuge des Aufbaus einer Erstaufnahmeeinrichtung in Osterode am Harz sind in den zurückliegenden Wochen und Monaten mit allen Beteiligten auf der Fachebene die Herausforderungen des Projektes thematisiert worden. Dabei zeigte sich auch trotz einer Vielzahl von schwierigen Fragen übereinstimmend der Wille aller Beteiligten, eine Lösung für den Standort zu schaffen, die den hohen Anforderungen des Landes an Liegenschaften und Vertragspartner bei der Aufnahme von Flüchtlingen genügt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Fragestellungen und mögliche Lösungsoptionen erörtert worden.
Das Land Niedersachsen befindet sich aktuell in Verhandlungen mit dem Eigentümer der Princess of Finkenwerder GmbH & Co. KG. Derzeit laufen die Prüfungsprozesse. Konkrete Ergebnisse liegen noch nicht vor.
2. Welche Konflikte (Aufforderung zur „Rechtsbeugung“) gibt es mit dem Landkreis Osterode wegen notwendiger Genehmigungen für die Erstaufnahmeeinrichtung in Osterode?
Im Zuge des Aufbaus einer Erstaufnahmeeinrichtung in Osterode am Harz sind mit dem LK Osterode als zuständiger unterer Bauaufsichtsbehörde mehrfach bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Fragestellungen und mögliche Lösungsoptionen erörtert worden.
Entgegen den von dort erhobenen Vorwürfen ist der LK Osterode dabei allerdings zu keinem Zeitpunkt zu rechtswidrigem und menschengefährdendem Verhalten und damit zur Rechtsbeugung aufgefordert worden. Der Landesregierung ist es überaus wichtig, daß bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden alle diesbezüglich erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden, um eine Gefährdung von Menschenleben von vornherein auszuschließen.
3. Was ist der Landesregierung über die Princess of Finkenwerder GmbH & Co.KG und insbesondere zu deren Verbindung zu „Greenzone Consulting“ bekannt?
Die Princess of Finkenwerder GmbH & Co. KG ist ein Unternehmen, das sich auf die Realisierung neuer Konzepte für Kasernen und Konversionsflächen spezialisiert hat. Der Aufbau und Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und Asylbegehrende in einer ehemaligen Kaserne stellt für das Unternehmen ein Pilotprojekt dar, das in enger Abstimmung und Kooperation mit dem Niedersächsischen Innenministerium, der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen und verschiedenen Partnern vor Ort realisiert werden soll.
Geschäftsbeziehungen zwischen der Princess of Finkenwerder GmbH & Co. KG und der angesprochenen Fa. „Greenzone Consulting“ existieren nach hiesigen Erkenntnissen nicht.