Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Eingemeindungen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.07.2014; Fragestunde Nr. 8 Innenminister Boris Pistorius beantwortet die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns, Frank Oesterhelweg, Rudolf Götz und Bernd-Carsten Hiebing (CDU)
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Die Stadt Wolfsburg und der Landkreis Helmstedt planten die Fusion zu einer Region. Hierzu wurden rechtliche Gutachten eingeholt und entsprechende Beschlüsse der kommunalen Vertretungen gefasst. Am 8. November 2013 teilte die Stadt Wolfsburg in einer Pressemitteilung mit, dass aus Sicht des Landes eine Fusion die Veränderung der regionalpolitischen Balance wahren müsste und in diesem Zusammenhang auch die Entwicklungsperspektiven des Oberzentrums Braunschweig berücksichtigt werden müssten.
Der Innenminister wollte in der Folgezeit eine „Moderationsrolle“ zur Neuordnung der kommunalen Strukturen übernehmen.
Am 3. Juli 2014 erklärte der Innenminister in einer Pressemitteilung nach weiteren Gesprächen: „Damit sind die Gespräche zwischen der Stadt Wolfsburg und dem Landkreises Helmstedt über eine Fusion beendet.“
Gescheitert sind die Gespräche laut Presseberichten daran, dass die Stadt Wolfsburg Nachbargemeinden aus dem Landkreis Helmstedt vor der Gründung eines Gemeindeverbundes eingemeinden wolle, wogegen sich der Landkreis Helmstedt gewendet hat (BZ Helmstedter Nachrichten vom 4. Juli 2014).
Die Braunschweiger Zeitung vom 3. Juli 2014 schreibt: „Der SPD-Fraktionschef im Helmstedter Kreistag, Hans Wehking, reagierte enttäuscht. ‚Das macht alles einen sehr unprofessionellen Eindruck. So wird diese Landesregierung wohl nur eine Episode bleiben.’ Innenminister Pistorius sei nun in der Pflicht zu erklären, wie es weitergehen solle.“
Am 10. Juli 2014 berichtet die Braunschweiger Zeitung: „Die rot-grüne Mehrheit im Helmstedter Kreistag wird in der Sitzung vom 16.07.2014 beantragen, die vor einigen Tagen nach einer Sitzung der Beteiligten für gescheitert erklärten Fusionsgespräche mit Wolfsburg fortzusetzen. Begründung: Das Ende der Gespräche könne nicht von den Verhandlungsführern verkündet werden. Vielmehr seien dafür Beschlüsse im Rat der Stadt Wolfsburg und im Helmstedter Kreistag erforderlich.“
Die Stadt Wolfsburg will nunmehr mit den Nachbargemeinden Königslutter, Velpke und Essenrode Gespräche über eine Eingemeindung führen.
Die Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel sollen nach den Wünschen des Innenministers miteinander über eine Fusion verhandeln. Der Kreistag des Landkreises Helmstedt und Vertreter des Landkreises Wolfenbüttel lehnen jedoch vorherige Eingemeindungen durch Wolfsburg ab.
Die Wolfsburger Nachrichten berichten am 10. Juli 2014 aus Königslutter: „Fusionsdebatte - Königslutter will zu Wolfsburg“.
Der Bürgermeister der Stadt Königslutter, Alexander Hoppe, sagte laut diesem Artikel: „Sollten Helmstedt und Wolfenbüttel fusionieren - muss dann wirklich jede Kommune mit?“
Die Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion von Königslutter forderte laut dem gleichen Bericht endlich eine offensivere Moderation in der Fusionsdebatte vom Land und weiter: „Der Innenminister hat die Gespräche für beendet erklärt, jetzt muss er auch konkretisieren, wo die Probleme liegen und wie wir sie lösen können.“
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie geht es mit dem Landkreis Helmstedt weiter?
2. Sollten die Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel nach Ansicht der Landesregierung nur in ihren jetzigen Grenzen fusionieren, oder würde die Landesregierung eine vorherige Eingemeindung von Königslutter, Velpke oder Essenrode durch Wolfsburg unterstützen?
3. Würden die diskutierten Eingemeindungen durch die Stadt Wolfsburg die regionalpolitische Balance wahren und die Entwicklungsperspektiven des Oberzentrums Braunschweig berücksichtigen, oder bedarf es eines Ausgleiches für die Stadt Braunschweig dazu?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Fusionsabsichten der Stadt Wolfsburg und des Landkreises Helmstedt sowie die diesbezügliche Moderatorentätigkeit des Niedersächsischen Ministers für Inneres und Sport Boris Pistorius waren bereits Gegenstand einer früheren Mündlichen Anfrage (Nr. 38) der Abgeordneten Angelika Jahns (CDU) im Mai-Plenum. Auf die diesbezügliche Antwort der Niedersächsischen Landesregierung in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.05.2014 (LT-Drs. 17/1535 S. 57 f.) wird zunächst verwiesen. Die Antwort endete mit dem Hinweis, dass die Gespräche der Beteiligten im Juni d.J. fortgesetzt werden sollen.
In der darauf folgenden Besprechung am 2. Juli 2014 konnten sich die Beteiligten nicht auf ein verfassungsrechtskonformes Fusionsmodell einigen. Aus Sicht des Oberbürgermeisters der Stadt Wolfsburg müssen auch im Falle einer Regionsbildung mit dem Landkreis Helmstedt Eingemeindungen hieran interessierter Nachbarkommunen in die Stadt Wolfsburg zulässig sein. Nur so würden sich auch die eigenen Entwicklungschancen der Stadt Wolfsburg innerhalb der neu zu bildenden Region deutlich verbessern. Zusätzliche Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg begegnen nach Maßgabe des von den beteiligten Kommunen selbst in Auftrag gegebenen Gutachtens der Professoren Mehde und Hagebölling allerdings erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die von der Landesregierung geteilt werden. Die Vertreter des Landkreises Helmstedt sprachen sich am 2. Juli 2014 erneut gegen die Möglichkeit von Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg vor einer Regionsbildung oder ohne eine gleichzeitige Regionsbildung aus. Angesichts dieser, verfassungsrechtlich nicht zu vereinbarenden Standpunkte von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt hat Minister Pistorius seine Moderatorentätigkeit zur möglichen Bildung einer Region Wolfsburg-Helmstedt am 2. Juli 2014 für beendet erklärt. Er empfahl dem Landkreis Helmstedt, schnellstmöglich Alternativen zu prüfen, wie insbesondere eine mögliche Fusion mit dem Landkreis Wolfenbüttel. Zudem hat der Innenminister angeboten, den Landkreis Helmstedt bei den notwendigen Veränderungen weiterhin zu unterstützen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Der Landkreis Helmstedt steht auf Grund seiner strukturellen und finanzwirtschaftlichen Probleme vor notwendigen Veränderungen. Durch die Fusionsgespräche mit der Stadt Wolfsburg haben die für den Landkreis Helmstedt handelnden Amtsträger und Mandatsinhaber ihre diesbezügliche Verantwortung wahrgenommen. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass alle genannten Personen auch in Zukunft ihrer Verantwortung für die weitere Entwicklung des Landkreises gerecht werden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
Zu 2.:
Sollten die Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel, wie vom Minister für Inneres und Sport empfohlen, die Möglichkeit eines Zusammenschlusses prüfen, so könnte im Zusammenhang hiermit - gfs. unter Einschluss der Stadt Wolfsburg, der Stadt Braunschweig (s. zu 3.) sowie der in die Stadt Wolfsburg eingemeindungswilligen Kommunen des Landkreises Helmstedt - auch über mögliche Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg gesprochen werden. Diejenigen spezifischen verfassungsrechtlichen Vorbehalte, die gegen Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg im Rahmen einer Regionsbildung durch die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Helmstedt bestehen, gäbe es im Falle eines möglichen Zusammenschlusses der Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel nicht. Ungeachtet dessen darf nach Artikel 59 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung jede Auflösung, Vereinigung oder Neubildung von Gemeinden oder Landkreisen nur aus „Gründen des Gemeinwohls“ erfolgen. In die diesbezüglich erforderliche Abwägung sind nicht nur die Vor- oder Nachteile für die fusionierenden Kommunen selbst sondern gfs. auch die Belange anderer Kommunen, insbesondere benachbarter Kommunen, einzustellen. Beides setzt die vorherige exakte Ermittlung und Bewertung dieser Belange auf der Grundlage eines ganz konkreten Vorhabens voraus. Diesem für jede Gebietsänderung erforderlichen, umfassenden Ermittlungs-, Bewertungs- und Abwägungsprozess kann die Landesregierung nicht vorgreifen.
Zu 3.:
Wie zur Frage 2 bereits ausgeführt, bedürfen Gebietsänderungen von Verfassungs wegen immer einer Abwägung, in die auch die Belange und Interessen hiervon berührter Nachbarkommunen einzubeziehen sind. Das gälte im Fall möglicher Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg also auch für die Belange und Interessen des benachbarten Oberzentrums Braunschweig. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 2 verwiesen.