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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Aktivitäten der PKK in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18. September 2015; Fragestunde Nr. 28.

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Thomas Adasch, Angelika Jahns und Jens Nacke wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

In den letzten Wochen war den Medien zu entnehmen, dass der türkisch-kurdische Konflikt eskaliere, es wurden Anschläge gegen türkische Polizisten verübt, und es finden militärische Handlungen der Türkei gegen die PKK statt.

Diese Eskalation könnte Auswirkungen auf die Situation in Niedersachsen haben.

Vorbemerkung der Landesregierung

Im Nachgang zum Attentat in Suruc (TR) am 20. Juli 2015 und gegenseitiger Schuldzuweisungen zwischen der regierenden AKP und der PKK ist der bisherige Friedensprozess zwischen beiden Parteien aufgekündigt worden. Seitdem hat sich der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der PKK deutlich zugespitzt. Im Zuge intensiver Luftangriffe der türkischen Armee auf vermeintliche Stellungen der PKK in den Kandilgebirgen (Nordirak) und zahlreicher Anschläge der PKK auf türkische Polizei-/Militäreinrichtungen ist bereits eine Vielzahl von Menschen getötet worden.

Am Dienstag, den 8.September 2015 soll das türkische Militär erstmals mit Bodentruppen in den Nordirak eingedrungen sein, um zwei Rebellengruppen der PKK im bergigen Gebiet zu verfolgen. Ein türkischer Regierungsvertreter erklärte in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine befristete Maßnahme gehandelt habe, mit der beabsichtigt worden sei, die Flucht der Terroristen zu verhindern.

Bei einem weiteren Anschlag am Dienstag wurden 14 türkische Polizisten getötet. Der vermutlich von kurdischen Aufständischen gelegte Sprengsatz zerstörte einen Kleinbus, der die Beamten nach Dilucu an der Grenze zu Aserbaidschan bringen sollte, wie aus Sicherheitskreisen verlautete.

Seitdem kommt es in der Türkei fast täglich zu Ausschreitungen und Anschlägen zwischen innertürkischen Gruppierungen als Ausdruck zunehmender Feindseligkeit. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die versuchte Stürmung des Redaktionsgebäudes der türkischen Tageszeitung Hürriyet durch Anhänger der Regierungspartei AKP und die Attacke türkischer Nationalisten auf Büros der prokurdisch-linken Demokratischen Partei der Völker (HDP).

Korrespondierend mit den Ereignissen in der Türkei kam es auch in Europa und insbesondere in Deutschland zu entsprechenden Reaktionen der türkisch-/kurdischstämmigen Bevölkerung.

Bereits mit dem Anschlag in Suruc (TR) rief das PKK-nahe Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum Deutschland (NAV-DEM) alle Kurden und türkischen Demokraten in Deutschland dazu auf, angesichts des Anschlages in Suruc nicht zu schweigen und sofort auf die Straße zu gehen. In etwa 30 Städten im Bundesgebiet fanden überwiegend friedlich verlaufende Demonstrationen statt (siehe hierzu ebenfalls: Antwort zu Frage 1 – Niedersachsenbezüge). Bei einer Veranstaltung in Berlin mit ca. 1.100 Teilnehmern mussten beginnende Gewalttätigkeiten von der Polizei unterbunden werden. Es wurden insgesamt 13 Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet.

Am 25. Juli 2015 veröffentlichte die „Apoistische Jugendinitiative-Europa“ (PKK-Jugendorga-nisation) einen Aufruf, u.a. auf der Homepage von YXK (PKK-naher Verband der Studierenden aus Kurdistan), in dem kurdische Jugendliche dazu aufgerufen werden, auf die Straße zu gehen und militante Aktionen zu verwirklichen. Unter Bezugnahme auf die aktuellen Geschehnisse wurde u.a. ausgeführt: „Wir rufen alle in Europa lebenden kurdischen Jugendlichen, die sich „Kurden oder Kurdinnen“, würde- oder ehrenvoll nennen, zum aktiven Widerstand gegen die AKP und IS auf. Die Apoistische kurdische Jugend muss von nun an auf die Straßen, und dem Mörder-Pack die Luft verengen und ihnen das Leben zur Hölle machen. (…) Solange bis sich die Schergen der AKP oder des IS nur mit Angst auf die Straße trauen und ihre Vernichtungspolitik aufgeben, sollte kein einziger kurdischer Jugendlicher ruhig daheim sitzen und seine Zeit verschwenden. (…) Wir in Europa Lebenden müssen als Genossen und Militante / Aktivisten … APOs die hier lebenden Schurken zur Rechenschaft ziehen.“

Der PKK-Jugendverbund Komalen Ciwan rief derweil zum Volksaufstand („Serhildan“) in Europa auf und erklärte, dass jedem Angriff der Türkei begegnet werden müsse. „Für jeden ermordeten Jugendlichen müssen sich mehrere tausend Jugendliche massenhaft zu den Guerillas in die Berge begeben. Für alle verhafteten Jugendlichen müssen im Gegenzug gegen die Exekutive der AKP, die Polizisten und Soldaten, die härtesten Maßnahmen ergriffen werden.“

1. Wie haben sich das Verhalten und die Anhängerschaft der PKK in Niedersachsen durch das Aufflammen des türkisch-kurdischen Konflikts geändert?

In Niedersachsen ist es, wie im gesamten Bundesgebiet, zu einem Anstieg der Aktions- und Mobilisierungsbereitschaft unter den hier vor Ort befindlichen PKK-Anhängern/-Sympathisan-ten gekommen. So fanden u. a. in Hannover, Göttingen, Hildesheim und Oldenburg diverse Versammlungen PKK-naher Gruppierungen, mit bis zu 450 Teilnehmern statt, die in der Regel einen friedlichen Verlauf nahmen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die kurzfristige Besetzung des Flughafens Hannover-Langenhagen am 27. Juli 2015, an der u. a. Anhänger der PKK Jugendorganisation Ciwanen Azad Hannover-Niedersachsen teilnahmen.

Darüber hinaus kam es auch zu vereinzelten, gewalttätigen Affekttaten gegenüber türkischen Einrichtungen bzw. salafistischen und auch türkisch-nationalistischen Anhängern von PKK-nahen, aber auch von kurdischstämmigen Personen, denen kein eindeutiger PKK-Bezug nachgewiesen werden kann.

In Oldenburg etwa beschimpften drei unbekannte Täter eine als Salafist ausgemachte Person mit den Worten: „Wir sind Kurden (PKK), du bleibst nicht hier, glaub uns, du musst sofort unsere Siedlung verlassen oder wir bringen dich um“ und schlugen anschließend auf ihn ein.

Am 30. Juli 2015 kam es zu einer Sachbeschädigung des Türkischen Generalkonsulates in Hannover, indem drei unbekannte Täter das Objekt mit Farbgefüllten Flaschen bewarfen.

Ein Bekenntnis zu dieser Tat wurde auf der Internetseite „indymedia.org“ veröffentlicht und endete mit den Worten „Bijî Berxwedana PKK“ (freie Übersetzung: „Hoch lebe der Widerstand der PKK“).

In Hannover kam es zu zwei Angriffen auf Lies!-Stände, an denen Salafisten kostenlose Koranexemplare verteilten. Während des ersten Zwischenfalls sprachen ca. 100 kurdische Personen, im Anschluss an eine Versammlung, verbale Drohungen gegenüber dem Lies!-Stand aus und versuchten anschließend diesen zu „stürmen“. Hierbei kam es zu einem körperlichen Angriff einer unbekannten männlichen Person aus der Gruppe heraus zum Nachteil einer Lies!-Stand betreuenden Person (leichte Verletzungen). Weitere Übergriffe der emotional extrem aufgebrachten Personengruppe konnten durch die Polizei verhindert werden. Etwa eine Woche später kam es zu einem erneuten Angriff, als eine männliche (kurdischstämmige) Person mit einem Schreckschussrevolver auf die Lies!-Stand betreibenden Personen zielte und zwei Schüsse abgab; verletzt wurde hierbei niemand. Der Beschuldigte konnte kurze Zeit später durch die Polizei festgenommen werden.

Die hier exemplarisch aufgeführten Sachverhalte verdeutlichen die aufgeheizte Stimmung innerhalb der Anhängerschaft der PKK in Niedersachsen, aber auch unter kurdischstämmigen Personen, die keinen direkten PKK-Bezug aufweisen. Ein neuerlicher Eintrag des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan (XYK) vom 9. September 2015 bei Facebook, in dem u.a. zu einer Demonstration in Hannover aufgerufen wird, unterstreicht diese Einschätzung: „Organisiert Proteste vor türkischen Konsulaten, faschistischen Vereinen, macht Aktionen des zivilen Ungehorsams, veröffentlicht Namen von Faschisten und ihren Vereinen. Verteidigt die Ideen der HDP und baut sie selbst mit auf!“.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Situation in Niedersachsen bzw. im Bundesgebiet maßgeblich mit der Entwicklung im türkisch-syrischen Grenzgebiet korreliert. Sollten die Angriffe der Türkei gegen die PKK fortgesetzt werden, werden voraussichtlich nicht nur die Demonstrationen von PKK-Anhängern anhalten, sondern auch militante Aktionen gegen türkische Einrichtungen wahrscheinlicher. Insbesondere jugendliche PKK-Anhänger sind, auch zu gewaltsamen Aktionsformen bereit. Diese können sich neben türkischen Einrichtungen auch auf Personen des türkisch-nationalistischen bzw. salafistischen Spektrums sowie gegen Einsatzkräfte der Polizei richten.

2. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland der PKK laut dem Landesverfassungsschutzbericht 2014 vor allem als Rückzugsraum dient, aus dem heraus Propaganda betrieben wird (Seite 133): Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über konkrete Werbehandlungen der PKK in Niedersachsen, z. B. durch Infostände oder Internetauftritte?

Das Internet hat sich mittlerweile auch für die PKK und insbesondere für die Anhänger ihrer Jugendorganisation „Komalên Ciwan“ bzw. „Ciwanen Azad“ zu einem zentralen Kommunikationsmedium entwickelt. Im Rahmen der Vernetzungs- und Mobilisierungsbemühungen kommt vor allem den diversen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter und Kommunikationsmöglichkeiten – neben klassischen Internetpräsenzen, Homepages und anderen dort verfügbaren Diensten – eine stets wachsende Bedeutung, insbesondere bei jungen PKK-Anhängern, zu. Die Organisation nutzt das Internet als Kommunikationsplattform und als offenes Medium zur propagandistischen Agitation, Mobilisierung und Rekrutierung. Fast alle Teilorganisationen der PKK pflegen eine oder mehrere eigene Internetpräsenzen. So werden dort gezielt Veranstaltungshinweise gepostet bzw. wird zur Teilnahme an Aktionen mobilisiert.

Inzwischen betreiben einige Teilorganisationen der „Komalên Ciwan“ eigene Gruppen auf Facebook, in denen zeitnah Informationen und Meinungen ausgetauscht werden. Dies geschieht sowohl in offenen als auch nur für entsprechend legitimierte Anhänger zugänglichen Gruppen.

Die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets werden darüber hinaus auch zur Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner genutzt. Hierbei wendet sich die PKK in erster Linie gegen türkische Nationalisten, Salafisten, aber auch gegen den türkischen Staat selbst. Türkische Nationalisten betrachten insbesondere die PKK und deren Anhänger als ideologisch begründete Feinde. So kommt es regelmäßig – zumeist in sozialen Netzwerken im Internet – zu Beschimpfungen und gegenseitigen Provokationen zwischen jugendlichen Anhängern beider Gruppierungen. Die Anonymität des Internets verführt die Nutzer dabei oftmals zu verbalen Attacken und Drohungen.

Polizeiliche Erkenntnisse zu konkreten Werbehandlungen der PKK bestehen auf Grund von Feststellungen aus bereits abgeschlossenen und noch andauernden Ermittlungsverfahren des GBA wegen der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Inland gegen potentielle Mitglieder, Unterstützer bzw. sog. Gebietsverantwortliche der PKK. In den vergangenen Jahren sind dahingehend teilweise mehrjährige Haftstrafen ausgesprochen worden.

Die PKK nutzt ihre hierarchischen Strukturen, um in der Regel über legale, eingetragene Vereine getarnt, ideologische Propaganda zu verbreiten. Dazu werden mit Hilfe von Sympathisanten und Unterstützern insbesondere Infostände, Kundgebungen oder Hausbesuche durchgeführt sowie auch elektronische Medien in Anspruch genommen.

3. Wie bewertet die Landesregierung Forderungen nach einer Legalisierung der PKK in Deutschland?

Die Aufhebung des vom Bundesminister des Inneren im Jahr 1993 erlassenen Betätigungsverbotes gegen die PKK sowie die Streichung von der EU-Terrorliste wäre zunächst auf Bundes- bzw. Europaebene zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist auf die Beantwortung der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (BT-Drs. 18/3267 vom 20. November 2014) hinzuweisen, in der die gegenwärtigen Erkenntnisse zur Fortführung des Betätigungsverbotes gegenüber der PKK aufgeführt werden.

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erstellt am:
18.09.2015

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