Beantwortung der mdl. Anfrage der CDU zur finanziellen Unterstützung für Städte und Gemeinden
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.06.2014; Fragestunde Nr. 26
Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten
Burkhard Jasper, Ansgar Focke und Bernd-Carsten Hiebing (CDU).
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Die Städte und Gemeinden Niedersachsens unternehmen große Anstrengungen, um die Wohnraumversorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten und zu verbessern. Der Niedersächsische Städtetag beklagte in einer Pressemitteilung vom 25. Februar 2014 aber: „Die Aufnahme von Flüchtlingen ist Bundes- und Ländersache, wird aber durch die Landkreise und kreisfreien Städte wahrgenommen. Für die Ausgaben zahlt ihnen das Land aktuell eine Kostenpauschale von rund 5 900 Euro pro Flüchtling, die Kosten liegen aber zum Teil mehrere Tausend Euro höher.“
Der Präsident des Niedersächsischen Städtetages und Oberbürgermeister von Lüneburg, Ulrich Mädge, sagte in der gleichen Pressemitteilung: „Wir wollen und wir müssen diesen Menschen helfen. Viele von ihnen aber sind schwer verletzt oder chronisch krank. Die Ausgaben dafür sind extrem hoch und überfordern viele Städte und Gemeinden“
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie berechnet sich aktuell die Kostenpauschale zur Übernahme der Kosten der Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen durch das Land?
2. Wie wird die Landesregierung darauf reagieren, dass nach Aussage des Niedersächsischen Städtetages die tatsächlichen Kosten der Unterbringung zum Teil um mehrere Tausend Euro höher liegen?
3. Wie hoch sind die Kostenerstattungen der anderen Bundesländer für die Unterbringung von Flüchtlingen?
Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Seit August 2012 ist ein signifikanter Anstieg der Zugangszahlen an Asylerstantragstellerinnen und -antragstellern festzustellen. Nach der Asylstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden im Jahr 2013 in Niedersachsen 10.225 Asylerstanträge gestellt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 5.941 Asylerstanträge. In der Zeit von Januar bis Mai 2014 wurden in Niedersachsen 5.455 Asylerstanträge verzeichnet. Das BAMF rechnet nach seiner jüngsten Prognose für das Jahr 2014 mit einem weiteren Anstieg der Erstanträge gegenüber dem Vorjahr. Danach wäre in Niedersachsen im Jahr 2014 von rund 16.400 Asylerstanträgen auszugehen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände hat angesichts der aktuellen Zugangssituation eine weitere Verschärfung der Situation vor Ort vorgetragen, die die Kommunen vor große finanzielle und organisatorische Herausforderungen bei der Unterbringung und Versorgung der Aufzunehmenden stelle.
Im Hinblick auf die stetig steigende Zahl der aufzunehmenden Ausländerinnen und Ausländer sowie der wachsenden Ausgaben für die Unterbringung und für die soziale Betreuung dieser Personen sehen, die Kommunalen Spitzenverbände die vom Land nach dem Aufnahmegesetz aktuell gewährte Kostenabgeltungspauschale als unzureichend an, da die tatsächlichen durchschnittlichen Ausgaben der kommunalen Kostenträger erheblich höher seien.
Nach dem Aufnahmegesetz zahlt das Land den Landkreisen, der Region Hannover und den kreisfreien Städten zur Abgeltung aller Kosten, die ihnen durch die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) entstehen, ab dem Abrechnungsjahr 2014 eine jährliche Pauschale in Höhe von 5.932 Euro pro Leistungsempfängerin/Leistungsempfänger. Die durch das Land gewährte jährliche Kostenabgeltungspauschale wurde zuletzt mit Verordnung ab 1. Januar 2013 von 4.826 EURO auf 5.036 EURO und ab 1. Januar 2014 auf 5.932 EURO erhöht und wird aktuell wieder darauf überprüft, ob eine Erhöhung zum 1. Januar 2015 erforderlich ist.
In diesem Zusammenhang hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport mit den Kommunalen Spitzenverbänden zur Erörterung eines möglichen Änderungsbedarfes für die bestehende Kostenabgeltungsregelung erste Gespräche geführt, bei welchen die Punkte der Sozialen Betreuung, Unterbringungssituation, Krankenhilfekosten sowie Leistungen des Pakets für Bildung und Teilhabe festgehalten wurden, die im Weiteren näher untersucht und betrachtet werden sollen.
Für Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden diese Pauschalen unbefristet gewährt.
Für Personen im Rahmen von gesteuerten Aufnahmeprogrammen (wie Resettlement, zweier Bundeskontingente von jeweils 5.000 syrischen Flüchtlingen) zahlt das Land die vorgenannten Pauschalen pro Leistungsempfänger/in nach dem SGB XII (im Fall nicht vorliegender Erwerbsfähigkeit) für längstens zwei Jahre.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die derzeit geltende Kostenabgeltungspauschale in Höhe von 5.932 EURO wurde auf der Basis der vorherigen Kostenabgeltungspauschale unter Berücksichtigung allgemein messbarer tatsächlicher Preis- und Kostenentwicklungen seit der letzten Festsetzung bis zum Kalenderjahr 2012 ermittelt. Dabei wurden folgende Bestandteile der Pauschale herangezogen:
Regelsätze für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs
Kostenentwicklungen der Ausgaben der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach der amtlichen Statistik des Verbraucherindexes und der Leistungen bei Krankheit entsprechend den tatsächlichen Aufwendungen nach der amtlichen Asylbewerberleistungsstatistik
Verwaltungs- und Arbeitsplatzkosten nach dem jüngsten Runderlass des MF
Zusammensetzung der zu berücksichtigenden Personen sowohl nach dem Verhältnis der Altersstrukturen als auch nach den jeweiligen Anteilen an Grundleistungsempfänger/innen nach dem AsylbLG und Leistungsempfänger/innen analog des SGB XII
Anteil für Leistungen des Pakets für Bildung und Teilhabe
Auf der Grundlage der Verhältnisse des Kalenderjahres 2012 – soweit bis zum Festsetzungszeitpunkt bekannt - errechnet sich die Pauschale wie folgt:
2 094,78 Euro |
Grundleistungen einschließlich Taschengeld nach § 3 AsylbLG –Anpassung des AsylbLG entsprechend SGB XII – nach BVerfG Urt vom 18. Juli 2012 zum 1. Januar 2012 für alle Leistungsempfänger/innen |
+ 1 143,92 Euro |
Leistungen für SGB XII - auch entsprechend - unter Berücksichtigung der Regelsätze zum 1. Januar 2012 |
+ 2 285,96 Euro |
alle übrige Ausgaben, z. B. Unterkunft, Heizung, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie Hilfe zur Pflege, unter Annahme und Berücksichtung einer Ausgabenentwicklung vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von + 4,27 vom Hundert – und Unterkunft , Heizung und unter Berücksichtigung einer Ausgabenentwicklung vom 1. Januar 2012 bis zum 30. September 2012 |
+ 25,24 Euro |
Leistungen nach § 34 Abs. 3 SGB XII (alt § 28 a SGB XII) |
+ 42,40 Euro |
Zusätzliche Leistungen für Paket Bildung und Teilhabe |
+ 339,71 Euro |
Berücksichtigung der Personal- und Sachkosten nach RdErl. des MF vom 13. Juni 2012 - 12-00 33.33/2012 - VORIS 64000 einer E 09-Stelle bei einer Kennzahl von 1/200 |
= 5 932,01 Euro |
Ergebnis. |
Zu 2.:
Wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt, hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport mit den Kommunalen Spitzenverbänden zur Erörterung eines möglichen Änderungsbedarfes für die bestehende Kostenabgeltungsregelung erste Gespräche geführt.
Zu den nach dem Gespräch mit den Kommunalen Spitzenverbänden näher zu untersuchenden Aspekten sind unterschiedliche Recherchen und Auswertungen von Statistiken und Daten notwendig. So liegt die aktuelle Asylbewerberleistungsstatistik erst seit dem 27.05.2014 vor. Darüber hinaus sind die Entwicklungen der aktuell politischen Diskussionen und Überlegungen – wie zum Beispiel zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen - aufgrund möglicher Auswirkungen auf die Kostenabgeltungsregelungen in die Betrachtungen und weiteren Verlauf der Prüfung eines Änderungsbedarfes des Aufnahmegesetzes mit einzubeziehen.
Unabhängig des Fortgangs der Prüfung eines Änderungserfordernisses des Aufnahmegesetzes wird – wie gesetzlich vorgesehen – die Ausgabenentwicklung und die Anpassung der jährlichen Kostenabgeltungspauschale durch Verordnung zum 01.01.2015 nach § 4 Abs. 5 AufnG geprüft.
Zu 3.:
Die Kostenabgeltungsregelungen sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt und stellen sich nach dem Ergebnis einer Länderumfrage zum Stand Mai 2013 wie in der Anlage dar.