Auslandseinsätze Niedersächsischer Polizeibeamter
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.06.2012; Fragestunde Nr. 25
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Helge Limburg (GRÜNE)
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Seit vielen Jahren werden auch niedersächsische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Ausland eingesetzt. Angesichts der zunehmenden Gewalt auch gegen deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte z. B. in Afghanistan fordert die GdP ein Landesentsendegesetz, welches die Entsendung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ins Ausland regelt. Auch in anderen Bundesländern wird zurzeit über ein Landesentsendegesetz nachgedacht, bzw. es wird im Parlament beraten. Verfassungs- und Verwaltungsrechtler halten es für erforderlich, den Auslandseinsatz der Polizei durch ein förmliches (parlamentarisches) Gesetz zu regeln.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie viele niedersächsische Polizeibeamte befinden sich derzeit wo, wie lange und mit welchen Aufgaben in internationalen Auslandseinsätzen?
2. Auf welchen rechtlichen bzw. gesetzlichen Grundlagen werden niedersächsische Beamte bisher ins Ausland entsandt, und wer übernimmt die Kosten im Zusammenhang mit der Entsendung?
3. Plant die Landesregierung ein Polizeientsendegesetz, und, wenn ja, in welchem Zeitfenster beabsichtigt sie, das Gesetz einzubringen, das den Zustimmungsvorbehalt des Landtages regelt, wenn nein, mit welcher Begründung wird kein Polizeientsendegesetz zeitnah seitens der Landesregierung auf den Weg gebracht?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Mit der Beteiligung deutscher Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten an internationalen Friedensmissionen wird eine wichtige außenpolitische Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen.
Niedersachsen beteiligt sich seit 1994 an internationalen Polizeimissionen sowie an bilateralen Polizeiprojekten der Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Die niedersächsische Polizei leistet hier gemeinsam mit den anderen Ländern und dem Bund einen bedeutsamen Beitrag, etwa für den Aufbau demokratischer und rechtstaatlicher Strukturen oder einer lokalen Polizei in den jeweiligen Einsatzgebieten. Die in diesen Missionen erfolgreiche und hoch angesehene Arbeit niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten unterliegt dabei erheblichen Anforderungen. Der Einsatz niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Rahmen von Friedensmissionen erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der Freiwilligkeit.
1994 hat die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) die ständige Bund-/ Länder-Arbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“ (AG IPM) eingerichtet. Sie ist Beratungs- und Entscheidungsgremium in allen Fragen der Vorbereitung, Beteiligung und Durchführung von Auslandsmissionen, soweit nicht gesetzliche Regelungen oder andere Zuständigkeiten entgegenstehen. Die AG IPM hat bundeseinheitliche Standards und Rahmenrichtlinien für den Einsatz deutscher Polizeibeamtinnen und -beamten im Rahmen internationaler Friedensmissionen (Leitlinien) abgestimmt, in der im Wesentlichen die zahlreichen Details der Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung eines Auslandseinsatzes geregelt sind.
Die Personalgestellung für polizeiliche Auslandsmissionen erfolgt auf der Grundlage der vorgenannten Leitlinien der AG IPM. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich mit bis zu 910 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten an internationalen Friedensmissionen. Diese werden gegenwärtig bis zum 450. Beamten bzw. bis zur 450. Beamtin zu einem Drittel durch den Bund und zu zwei Dritteln durch die Länder, ab dem 451. Beamten bzw. der 451. Beamtin zu gleichen Teilen gestellt. Die Beiträge der Bundesländer berechnen sich grundsätzlich nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ in der jeweils geltenden Fassung.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Aktuell (Stand 13.06.2012) beteiligen sich 22 niedersächsische Polizeibeamte (davon eine Beamtin) wie folgt an internationalen Polizeimissionen:
Afghanistan: 17, 1 Beamter bei der europäischen Polizeimission in Afghanistan (EUPOL Afghanistan), 15 Beamte und eine Beamtin bei GPPT(German Police Project Team)/bilateral Afghanistan; Abordnungszeitraum: zwischen 6 und 12 Monate; Verwendung: Trainer/Trainerin und Polizeiberater.
EUMM Georgien (European Union Monitoring Mission Georgien): 2 Beamte; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Watchkeeper (Sachbearbeiter in der Einsatzleitstelle) bzw. Monitoring.
EULEX Kosovo (European Union Rule of Law Mission in Kosovo): 1 Beamter; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Monitoring.
UNMIL Liberia (United Nations Mission in Liberia): 1 Beamter; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Polizeiberater und zuständig für logistische Abwicklungen (Durchführung von Projekten).
UNMISS Sudan (United Nations Mission in the Republic of South Sudan): 1 Beamter; Abordnungszeitraum: 12 Monate; Verwendung: Kontingentsleiter.
Zu 2.:
Die Entsendung der Polizeikontingente erfolgt zentral durch das Bundesministerium des Innern (BMI). Alle mit der Entsendung im Zusammenhang stehenden Maßnahmen werden durch die Geschäftsstelle der AG IPM im BMI vorbereitet und durchgeführt. Die Länder ordnen dazu ihre Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten nach § 14 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) in den Geschäftsbereich des BMI, an das Bundespolizeipräsidium, ab. Die aufnehmende Behörde im Geschäftsbereich des BMI weist dann die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten gemäß § 29 Bundesbeamtengesetz (BBG) dem für den Einsatz verantwortlichen zwischen- oder überstaatlichen Mandatgeber zur Dienstverrichtung zu.
Nach § 8 Bundespolizeigesetz (BPolG) kann die Bundespolizei u.a. zur Mitwirkung an polizeilichen oder anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen auf Ersuchen und unter Verantwortung der Vereinten Nationen, einer regionalen Abmachung oder Einrichtung gemäß Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen (z.B. OSZE), der die Bundesrepublik Deutschland angehört, der Europäischen Union oder der Westeuropäischen Union im Ausland verwendet werden. Diese für die Bundespolizei geschaffene einfachgesetzliche Rechtsgrundlage findet infolge der Abordnung der Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten der Länder in den Geschäftsbereich des BMI für das gesamte deutsche Kontingent Anwendung. Darüber hinaus ist für das bilaterale Polizeiprojekt in Afghanistan zudem das „Sitz- und Statusabkommen mit Afghanistan“ im Rahmen des § 65 Abs. 2 BPolG einschlägig.
Die in Zusammenhang mit der Teilnahme von deutschen Polizeivollzugsbeamtinnen und
-beamten an internationalen Friedensmissionen zu berücksichtigenden Kosten verteilen sich auf Bund und Länder nach Maßgabe der in der AG IPM abgestimmten Leitlinien grundsätzlich wie folgt:
Personalkosten
Bund:
- Auslandsbedingte Personalmehrkosten (Auslandsbesoldung, Aus- und Inlandsreisekosten)
Länder:
Inlandsbesoldung
Heilfürsorge/Beihilfe
Medizinische Kosten im Inland (einschließlich Vor- und Nachuntersuchungen)
- beamtenrechtliche Versorgung
Sachkosten
Bund:
- zusätzliche Ausstattung
- Betreuung und Inspektionsreisen der Geschäftsstelle und der/des Vorsitzenden der AG IPM und des Kriseninterventionsteams des BMI
- Nationale Betreuungskomponente
- Transportkosten der erforderlichen Ausstattung
Länder:
- allgemeine Ausstattung
- Auswahlverfahren
- Sachkosten der erforderlichen Personaldokumente
Kosten für Fortbildung, Vor- und Nachbereitung
Bund:
- Reisekosten
- Internationale Lehrgänge
- Externe Trainerfortbildung
- Informations- und Evaluierungsreisen der Trainingszentren
Länder:
- Interne Fortbildungen
Die Sachkosten der Trainingszentren werden von den Trägern der Trainingszentren, d.h. dem Bund und den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg), im Rahmen der Kostenverzichtsvereinbarung zwischen Bund und Ländern getragen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Wesentlichen der Bund die Mehrkosten, die aufgrund von Auslandseinsätzen niedersächsischer Polizeivollzugsbeamtinnen und
-beamter anfallen, trägt.
Zu 3.:
Die unter 2. dargestellte Verfahrensweise, die im Wesentlichen seit 1994 praktiziert wird, hat sich in der Praxis bewährt und als in rechtlicher Hinsicht ausreichend erwiesen. Die Landesregierung sieht daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Bedarf für eine weiterführende gesetzliche Regelung, zum Beispiel in Form eines so genannten „Entsendegesetzes“. Eine ähnliche gesetzliche Regelung gibt es auch in den anderen Bundesländern bisher nicht und sie wird dort nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen ebenfalls nicht als erforderlich angesehen.