Ausbildung geduldeter Ausländerinnen und Ausländer
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.06.2012; Fragestunde Nr. 36
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Claus-Peter Poppe, Dr. Silke Lesemann und Klaus-Peter Bachmann (SPD)
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Im Rahmen der im Jahr 2008 beschlossenen zuwanderungspolitischen Maßnahmen des Aktionsprogramms zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland haben junge geduldete Ausländerinnen und Ausländer, die sich länger als ein Jahr in Deutschland aufhalten, seit dem 1. Januar 2009 grundsätzlich uneingeschränkten Zugang zu betrieblichen Berufsausbildungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Beschäftigungsverfahrensverordnung - BeschVerfV).
Trotzdem kann häufig die Ausbildung nicht aufgenommen werden, weil die Erlaubnis zur Ausbildung von den Ausländerbehörden auch dann versagt wird, wenn die Gründe, die einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, nicht von den Betroffenen selbst, sondern von ihren Eltern zu vertreten sind (§ 11 BeschVerfV).
Eine möglichst frühzeitige Ausbildung der betroffenen Jugendlichen ist im Interesse einer guten Integration sinnvoll. Wenn sich später herausstellt, dass der Aufenthalt nicht beendet werden kann, muss ansonsten die berufliche Qualifizierung - gegebenenfalls unter Einsatz von Fördermitteln - nachgeholt werden.
Gleichzeitig können die betroffenen Jugendlichen mit der Ausbildung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie durch ihre Anstrengungen zur Integration ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach der zum 1. Juli 2011 neu eingeführten Regelung für gut integrierte Jugendliche erhalten (§ 25a des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG).
Mit einem Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 4. April 2012 sind die Innenministerien der Bundesländer aufgefordert worden, bei den Ausländerbehörden darauf hinzuwirken, dass bei jugendlichen Geduldeten, die einen Ausbildungsplatz finden, von der Versagungsregelung des § 11 BeschVerfV nur noch Gebrauch gemacht wird, wenn der Jugendliche die Abschiebungshindernisse selbst zu vertreten hat.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wann und auf welche Weise sind die Ausländerbehörden in Niedersachsen von dieser Regelung unterrichtet worden?
2. Wie häufig wurde in den letzten Jahren von der Versagungsregelung des § 11 BeschVerfV Gebrauch gemacht?
3. Wie häufig wurde die Erlaubnis zur Ausbildung von den Ausländerbehörden versagt, wenn die Gründe, die einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, nicht von den Jugendlichen selbst, sondern von ihren Eltern zu vertreten sind?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Junge geduldete Ausländerinnen und Ausländer, die eine Ausbildung aufnehmen möchten, haben nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) generell uneingeschränkten Zugang zu betrieblichen Berufsausbildungen.
Gemäß § 11 BeschVerfV darf jedoch geduldeten Ausländern eine Beschäftigung u.a. dann nicht erlaubt werden, wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch Täuschung über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit oder durch falsche Angaben herbeiführt. Vor Eintritt ihrer Volljährigkeit haben sich Kinder und Jugendliche das Verhalten ihrer Eltern zurechnen zu lassen, so dass auch sie in diesen Fällen vom Beschäftigungsverbot erfasst werden. Das Prinzip der Repräsentationsverantwortlichkeit der Eltern in analoger Anwendung des § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zieht sich durch unser gesamtes Rechtssystem und muss daher grundsätzlich auch in diesen Fällen Beachtung finden.
Im Rahmen der Besprechung der Ausländerreferenten der Länder im März 2012 wurde vereinbart, dass minderjährige Jugendliche, die einen Ausbildungsvertrag vorlegen, zukünftig nicht mehr dem Beschäftigungsverbot des § 11 BeschVerfV unterliegen sollen. Diese Vereinbarung orientiert sich sowohl an den Interessen der integrationswilligen geduldeten Jugendlichen als auch an der insbesondere durch § 25a AufenthG zum Ausdruck gebrachten Intention des Gesetzgebers, die Integration Jugendlicher zu unterstützen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Innenminister und Innensenatoren der Länder mit Schreiben des BMAS vom 4. April 2012 ergänzend gebeten, gegenüber den Ausländerbehörden auch die arbeitsmarktpolitische Bedeutung dieser Vereinbarung zu betonen.
Die von den Ausländerreferenten in ihrer Besprechung im März 2012 getroffene Vereinbarung wird in Niedersachsen angewendet. Die Jugendlichen sind verpflichtet, nach Eintritt ihrer Volljährigkeit – spätestens jedoch nach Abschluss ihrer Ausbildung – ihre Identität vollständig unter Vorlage geeigneter Nachweise offenzulegen. Außerdem wird ihnen gegenüber aktenkundig klargestellt, dass ihr eigenes Fehlverhalten, wenn sie der Verpflichtung zur Identitätsaufklärung nicht nachkommen, sanktioniert werden wird.
Volljährigen Jugendlichen, die die Versagungsgründe des § 11 BeschVerfV in ihrer eigenen Person erfüllen, darf die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses weiterhin nicht erlaubt werden.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Der Bitte des BMAS folgend, wurde das Thema im Rahmen der jährlich mit den Ausländerbehörden stattfindenden Dienstbesprechungen, die in diesem Jahr am 17. und 24. April 2012 stattfanden, erörtert. Die Ausländerbehörden sind gebeten worden, zukünftig gemäß der in den Vorbemerkungen dargestellten Vorgehensweise zu verfahren.
Zu 2. und 3.:
Von den Ausländerbehörden in Niedersachsen werden die erfragten Angaben statistisch nicht erfasst. Entsprechende Zahlen liegen der Landesregierung daher nicht vor. Eine gesonderte Erhebung der Daten aus Anlass dieser Mündlichen Anfrage hätte eine manuelle Auswertung aller über drittstaatenangehörige Ausländerinnen und Ausländer, die einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gestellt haben, zu führenden Einzelakten bei den 53 kommunalen Ausländerbehörden in Niedersachsen erforderlich gemacht. Wegen des damit verbundenen Aufwandes bei den Ausländerbehörden ist von einer solchen gesonderten Datenerhebung durch Aktenauswertung abgesehen worden.