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Rechtsextremistische Aktivitäten in der Gemeinde Oyten

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2011; Fragestunde Nr. 56


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kreszentia Flauger (LINKE); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Laut einem Bericht des Weser-Kuriers vom 27. Januar 2011 sind seit Mitte 2008 in der Gemeinde Oyten, Landkreis Verden, verstärkt neonazistische Aktivitäten zu registrieren. Das dokumentiert sich in rassistischen und antisemitischen Schmierereien, aber auch in gewaltsamen Übergriffen. Dabei spielen offensichtlich enge Kontakte zur Neonaziszene in Bremen eine Rolle.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie viele Gewaltstraftaten und wie viele sonstige Straftaten mit rechtsextremistischem, antisemitischem bzw. rassistischem Hintergrund wurden von der Polizei in der Gemeinde Oyten in den Jahren 2008, 2009 und 2010 registriert (bitte nach Jahren und Art der Straftat getrennt aufführen)?
  2. Wie viele Personen rechnet die Landesregierung der Neonaziszene in Oyten welchen neonazistischen Strukturen zu, und wie bewertet sie die Kontakte zur Neonaziszene in Bremen?
  3. Was wird gegen die neonazistischen Umtriebe in der Gemeinde Oyten unternommen, und in welcher konkreten Form wird die Gemeinde von Institutionen des Landes Niedersachsen dabei unterstützt?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Gemäß der Berichterstattung der zuständigen Polizeidirektion Oldenburg hat die Polizei im Jahr 2010 für die Gemeinde Oyten einen Anstieg von politisch motivierten Straftaten in den Phänomenbereichen -Rechts- und -Links- verzeichnet. Überwiegend handelte es sich dabei um Sachbeschädigungen, häufig in Form von Farbschmierereien.

Im Rahmen von Konfrontationen von Angehörigen der örtlichen rechten und linken Szene kam es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen und einer öffentlichkeitswirksamen „Outing-Aktion“ im Januar 2011, bei der ein Angehöriger der örtlichen rechten Szene durch eine Flyer- und Plakataktion als „Nazi“ bezeichnet wurde.Die beteiligten Personen gehören zum Teil verfeindeten Gruppierungen der Fußball-Szene an.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Anzahl der polizeilich bekannt gewordenen politisch motivierten Straftaten im Phänomenbereich - Rechts - in der Gemeinde Oyten in den Jahren 2008, 2009 und 2010 (Stand: 31.01.2011):


Jahr 2008 gesamt

2 (davon 2 extremistische Straftaten)

davon Gewaltdelikte

0

davon Propagandadelikte

2 (davon eine antisemitische Straftat)

davon sonstige Politisch motivierte Straftaten

0

Jahr 2009 gesamt

4 (davon 4 extremistische Straftaten)

davon Gewaltdelikte

0

davon Propagandadelikte

2

davon sonstige Politisch motivierte Straftaten

2 (davon eine antisemitische Straftat)

Jahr 2010 gesamt

18 (davon 17 extremistische Straftaten)

davon Gewaltdelikte

1 (davon eine rassistische Straftat)

davon Propagandadelikte

14 (davon eine antisemitische Straftat)

davon sonstige Politisch motivierte Straftaten

3

Zu 2.:

Nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden existieren derzeit in der Gemeinde Oyten keine gefestigten neonazistischen Strukturen. Der örtlichen Polizei ist aktuell ein loser Zusammenschluss von ca. 15 Jugendlichen/Heranwachsenden bekannt, die der rechten Szene zugerechnet werden können. Es ist bekannt, dass zumindest zwei Personen im letzten Jahr auch an überörtlichen demonstrativen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene teilgenommen haben und in diesem Zusammenhang auch Kontakt zu Szeneangehörigen aus Bremen hatten. Aufgrund der geografischen Lage Oytens ist nicht ausgeschlossen, dass es darüber hinaus weitere persönliche Beziehungen zu Szeneangehörigen aus Bremen gibt. Konkrete Erkenntnisse liegen hierzu jedoch nicht vor.

Zu 3.:

Die niedersächsische Polizei bekämpft alle Formen der Politisch motivierten Kriminalität unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten landesweit konsequent und nachhaltig. Sie geht dabei insbesondere entschlossen gegen politisch motivierte Gewalttäter vor. Darüber hinaus trifft sie auch alle erforderlichen präventiven Maßnahmen zur Verhütung dieser Straftaten.

Durch die örtlich zuständige Polizeiinspektion Verden/Osterholz wurden die zunehmenden Konflikte zwischen den Angehörigen der örtlichen rechten und linken Szene und die damit einhergehende Straftatensteigerung bereits frühzeitig erkannt, so dass unmittelbar ein geeignetes Bekämpfungskonzept erstellt werden konnte. Dieses Konzept umfasst ein umfangreiches Maßnahmenpaket und sieht eine Schwerpunktbildung zur Verhinderung der insbesondere strafrechtlich relevanten Aktivitäten vor.

Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages klärt der Niedersächsische Verfassungsschutz seit Jahren die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen auf und erfüllt somit auch präventive Aufgaben bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Im Rahmen einer länderübergreifenden Zusammenarbeit besteht seit Jahren eine enge Kooperation mit den anderen Sicherheitsbehörden, Präventionsreinrichtungen und Institutionen der politischen Bildung, so auch mit dem Land Bremen.

Die vom Niedersächsischen Verfassungsschutz konzipierte und seit 2005 kontinuierlich gebuchte Wanderausstellung “Verfassungsschutz gegen Extremismus – Unsere Demokratie schützen“ wurde auch im Landkreis Verden und dem Bremer Umland an verschiedenen Standorten präsentiert. So erfolgte die erstmalige Präsentation der Ausstellung im Dezember 2005 in Dörverden; weitere Ausstellungsorte der letzten Jahre in dieser Region waren u.a. Bremen, Delmenhorst, Ganderkesee, Stuhr, Syke und Walsrode.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit intensiviert der Niedersächsische Verfassungsschutz bereits seit Anfang 2004 insbesondere an niedersächsischen Schulen und Bildungseinrichtungen Vortrags- und Informationsveranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus. Die fortlaufenden Vortragsveranstaltungen über aktuelle Entwicklungen und Erscheinungsformen der rechtsextremistischen Szene dienen der Sensibilisierung von Multiplikatoren, Eltern und Schülern. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes haben in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren beispielsweise an Schulveranstaltungen und Projekttagen in Verden und der Region teilgenommen. Zudem werden auf Nachfrage Workshops und Fortbildungen für Multiplikatoren, wie Pädagogen, Sozialarbeiter und Jugendleiter durchgeführt.

Zudem bietet der Niedersächsische Verfassungsschutz seit Beginn des Jahres jugendgerechte Publikationen an, die über den Extremismus aufklären und für den Umgang mit ihm sensibilisieren sollen. In Kooperation mit dem Land Nordrhein-Westfalen wurde der dort bereits erfolgreich für die Arbeit mit Jugendlichen angebotene „Andi-Comic“ übernommen und auf niedersächsische Besonderheiten angepasst. Der Comic kann als Unterrichtsmaterial von Lehrkräften in der Sekundarstufe I genutzt werden und wird bereits stark nachgefragt.

Ein weiteres Beratungsangebot für Kommunen ist mit dem seit 2007 in das Konzept des Niedersächsischen Verfassungsschutzes „Förderung von Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremismus in den Kommunen“ eingebundenen Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund gegeben. Er arbeitet eng mit dem Fachbereich Rechtsextremismus und den Bereichen Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes zusammen und koordiniert die Aktivitäten und das Beratungsangebot auf staatlicher und kommunaler Ebene.

Mit den geschilderten Aktivitäten leistet der Niedersächsische Verfassungsschutz im Rahmen seines präventiven Gesamtkonzeptes - auch im Landkreis Verden - einen wichtigen Beitrag bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Auch der Landespräventionsrat Niedersachsen unterstützt und berät die Gemeinde Oyten bei der Planung und Umsetzung von zielgerichteten und nachhaltig orientierten Maßnahmen und Projekten durch seine Landeskoordinierungsstelle.

Am 24.08.2010 wurde auf Anregung der Landeskoordinierungsstelle der Runde Tisch für Demokratie Oyten eingerichtet. Dem vorausgegangen war eine Informationsveranstaltung durch das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Abstimmung mit der Landeskoordinierungsstelle im Rathaus Oyten. Das Beratungsnetzwerk Niedersachsen gegen Rechtsextremismus, dem eine Reihe sachkundiger Vertreterinnen und Vertreter fachlich kompetenter Dienststellen, Einrichtungen und Organisationen angehören, wurde im Jahr 2007 eingerichtet. Der Runde Tisch wird auch in Zukunft durch die Landeskoordinierungsstelle beraten und unterstützt. In diesem Rahmen wurden bereits konkrete Maßnahmen und Projekte abgestimmt. Diese sollen in den kommenden Monaten kontinuierlich umgesetzt werden.




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erstellt am:
18.02.2011

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