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Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.09.2011; Fragestunde Nr.33

Funkzellenabfragen und „stille SMS“ in Niedersachsen


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE)

Der Abgeordnete hatte gefragt:

In der Antwort auf die Anfrage der Fraktion die LINKE zur Funkzellenabfragen in Niedersachsen (Drs. 16/3876) hat die Landesregierung geantwortet, dass dieses Instrument bei Demonstrationen und anderen Großereignissen in Niedersachsen bisher nicht eingesetzt worden sei. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie oft dieses Ermittlungsinstrument in Niedersachsen überhaupt in Anspruch genommen worden ist, um Straftaten von erheblicher Bedeutung aufzuklären. Ein weiteres Ermittlungsinstrument, das auch durch die sächsische Polizei angewendet worden ist, ist die „stille SMS“; mit der das Handy eines Verdächtigen geortet werden kann. Nach den umstrittenen Auswertungen von mehreren Millionen Datensätzen durch die sächsische Polizei gibt es die Forderung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder nach einer Anhebung bzw. Präzisierung der Eingriffsschwelle für die Funkzellenabfrage. Der sächsische Justizminister Mertens hat hierfür Eckpunkte vorgelegt und plant eine Bundesratsinitiative.

Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen, in welchem Umfang und wo wurden das Instrument der Funkzellenauswertungen und der „stillen SMS“ in Niedersachsen in den letzten fünf Jahren genutzt?

2. Aufgrund welcher konkreten Voraussetzungen und Straftatbestände wurden die Abfragen mit welchen Ergebnissen durchgeführt?

3. Wie bewertet die Landesregierung den Fall aus Dresden und den Vorschlag, die Strafprozessordnung im Bereich der Funkzellenabfrage enger zu fassen, und wie wird sie sich dazu im Bundesrat verhalten?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Der Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, die häufig der Banden-, Schwerst- oder Organisierten Kriminalität zugerechnet werden, misst die Landesregierung eine große Bedeutung bei. Hierzu werden unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen verschiedenste Ermittlungsinstrumente eingesetzt, auch Funkzellenabfragen und das Versenden von „stillen SMS“. Die gesetzliche Grundlage für eine Funkzellenabfrage ergibt sich aus § 100 g StPO, der hohe Anforderungen an die Anordnung einer Funkzellenabfrage stellt. Die Maßnahme ist nur zur Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zulässig und darf nur erfolgen, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (§ 100 g Abs. 2 Satz 2 StPO). Das bedeutet, dass andere Erfolg versprechende und weniger schwerwiegende Ermittlungsmaßnahmen bereits durchgeführt worden sein müssen und dass die Anlasstat und der ihr zugrunde liegende Verdacht umso gravierender sein muss, je größer die Zahl Unbeteiligter ist. Die Einhaltung dieser Voraussetzungen ist verfahrensrechtlich durch einen Richtervorbehalt abgesichert. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort der Niedersächsischen Landesregierung vom 22.08.2011 zu der Kleinen Anfrage der Abg. Pia-Beate Zimmermann (Die Linke) „Funkzellenauswertung im Land Niedersachsen“ (Drs.16/3876). Das Versenden von „stillen SMS“ dient der technischen Unterstützung von Observations- und Fahndungsmaßnahmen im Rahmen von Ermittlungsverfahren zu Straftaten von erheblicher Bedeutung. Es handelt sich um ein Hilfsmittel zur Erzeugung von Telekommunikationsverkehrsdaten, auf die zur Strafverfolgung im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung unter den Voraussetzungen der §§ 100a, 100g StPO zugegriffen werden darf. Beim Versand von „stillen SMS“ werden SMS ohne Inhalt an ein Mobilfunktelefon gesandt, ohne dass deren Empfang auf dem angewählten Mobilfunktelefon angezeigt wird. Über die hierdurch beim Provider erzeugten Verbindungsdaten kann die Funkzelle, in der sich zum Zeitpunkt der Maßnahme die betroffene Mobilfunkkarte eingebucht hat, und damit der ungefähre Standort des Mobilfunktelefons festgestellt werden. Sowohl Funkzellenabfragen als auch „stille SMS“ dürfen als Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100 b StPO nur durch das Amtsgericht und in Eilfällen durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Die Polizei verfügt in diesen Fällen über keine eigene Anordnungskompetenz.

Zur Beantwortung der Anfrage hat das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) in Abstimmung mit den Polizeibehörden berichtet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Für den angefragten Zeitraum der vergangenen fünf Jahre liegen keine Statistiken zu der Anzahl von Funkzellenabfragen oder -auswertungen vor. Nähere Informationen zu Funkzellenabfragen in den letzten fünf Jahren könnten nur durch sehr aufwändige Erhebungen in allen Ermittlungsakten zu Straftaten von erheblicher Bedeutung erfolgen.

Zum Instrument der „stillen SMS“ liegen ebenfalls keine statistischen Daten vor. Die niedersächsischen Polizeidienststellen können über mehrere Polizeibehörden „stille SMS“ über sog. SMS-Server versenden. Insofern könnten zum Einsatz von „stillen SMS“ nähere statistische Informationen nur durch aufwändige Erhebungen in allen relevanten, teilweise sehr umfänglichen Ermittlungsakten erfolgen. Selbst aus den in diesen Ermittlungsakten enthaltenen justiziellen Anordnungen würde die genaue Anzahl der gesendeten „stillen SMS“ nicht hervorgehen.

Zu Frage 2:

Zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine Funkzellenabfrage sowie einer Standortermittlung von Mobiltelefonen unter Einsatz von „stillen SMS“ siehe Vorbemerkung.

Zu Frage 3:

Bei der in Dresden durchgeführten Funkzellenabfrage handelt es sich um eine Maßnahme der sächsischen Behörden. Solche werden von der niedersächsischen Landesregierung nicht kommentiert.

Die sächsische Landesregierung hat einen "Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der nichtindividualisierten Verkehrsdatenerhebung" als Tagesordnungspunkt für die kommende Sitzung des Bundesrates am 23. September 2011 angemeldet. Der Gesetzentwurf wird anschließend in den zuständigen Fachausschüssen des Bundesrates zu beraten sein. Auf der Grundlage dieser Beratungen wird die Landesregierung den Gesetzesentwurf bewerten und sich entsprechend im Bundesrat verhalten.
Presseinformation

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erstellt am:
19.09.2011

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