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Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 01.07.2011; Fragestunde Nr.2

Privatisierung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Anfrage der Abgeordneten Enno Hagenah, Ralf Briese und Helge Limburg zum Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Innenminister Schünemann hat angekündigt, die Kampfmittelbeseitigung in Niedersachsen zu privatisieren. Es geht nach seinen Worten um Einsparungen und Entlastungen der öffentlichen Verwaltung. Auf diesem Weg könne das Land 25 Stellen streichen.

Kritiker von Gewerkschaften und Kommunen halten dagegen, dass die Kampfmittelbeseitigung seit jeher eine hoheitliche Aufgabe des Staates sei. Die bisherige hohe Kompetenz sei bei der Abgabe der Aufgabe an Private sei nicht in jedem Fall wie bisher zu garantieren, und wertvolles Fachwissen ginge womöglich dem Land verloren. Ein Vergleich der niedersächsischen Situation mit den bisher einzigen Bundesländern Bayern und Thüringen, in denen eine vergleichbare Privatisierung seit Jahren umgesetzt ist, sei wegen der dort viel geringeren Kriegsaltlasten nicht angemessen. Es sei ein Versuch des Landes, so der Städtetag, Kosten der Allgemeinheit auf einige besonders betroffene Kommunen abzuwälzen.

Außerdem müsse das Land nach Auffassung von Beobachtern neue Aufsichtsstrukturen zur Beaufsichtigung des privatisierten Kampfmittelräumdienstes schaffen, die neue Kosten verursachen würden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche jährlichen finanziellen Mehrbelastungen erwartet die Landesregierung insbesondere für die durch die vergangenen Kriegswirren besonders stark betroffenen Ballungsräume in Niedersachsen?

2. Wie will die Landesregierung einem drohenden Qualitäts- und damit einhergehenden Sicherheitsverlust bei der Bombenräumung durch eine Privatisierung entgegenwirken?

3. Welche zusätzlichen Strukturen wird die Landesregierung mit welchem Personal zur Aufsicht einer privatisierten Kampfmittelbeseitigung neu schaffen, und wie hohe Mehrkosten erwartet sie?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Die Verpflichtung zur Kampfmittelräumung als Gefahrenabwehr obliegt nach Art. 30 GG grundsätzlich dem Land Niedersachsen. Das Land Niedersachsen hat die Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr auf die Kommunen als zuständige Gefahrenabwehrbehörden, zuletzt mit Verabschiedung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) vom 19.01.2005 übertragen.

Die Gefahrenabwehrbehörde verpflichtet bei Kampfmittelfunden den Grundstückseigentümer als Zustandsverantwortlichen zur Gefahrenbeseitigung. Die Gefahrenabwehrbehörde - bzw. nach Erlass der Beseitigungsverfügung grundsätzlich der Grundstückseigentümer - hat die Kosten der Maßnahme zu tragen.

Der Niedersächsische Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) wird im Wege der Amtshilfe für die Gefahrenabwehrbehörde unterstützend tätig. Die dem KBD im Rahmen der Amtshilfe entstandenen Auslagensind nach den gesetzlichen Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz grundsätzlich erstattungspflichtig.

Mit Erlass des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 08.12.1995 wurde festgelegt, dass das Land aus Billigkeitsgründen den Teil der bei der Beseitigung von Kampfmitteln anfallenden Kosten, der der Abwehr einer unmittelbaren Gefahr dient übernimmt. Das Land trägt daher die Kosten der tatsächlichen Bergung, der Entschärfung, des Transports und der Vernichtung eines Kampfmittels. Dazu gehören nicht ggf. erforderliche Vor- und Nebenarbeiten, insbesondere nicht das Abräumen von Gegenständen oberhalb des Erdreichs.

Staatliche Verwaltung ist ständig gehalten, die Aufgabenwahrnehmung zu überprüfen und zu optimieren, um Aufgaben effizienter wahrnehmen zu können. Dazu gehört auch die Überprüfung der Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen und kommunalen Handlungsebenen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst soll daher wie folgt neu strukturiert werden:

1. Der KBD wird zum 01.01.2012 an das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen (LGLN) angegliedert.

2. Sowohl die systematische Auswertung der Luftbilder zum Auffinden von Bomben als auch die Auswertung für einzelne Grundstücke auf Antrag soll damit künftig vom LGLN wahrgenommen werden. Im Bereich der Luftbildauswertung sollen Aufgaben behördlicherseits dort gebündelt werden, wo Synergieeffekte zu erzielen sind.

Hierbei ist es auch Ziel, bei der Luftbildauswertung auf Antrag im Vorfeld von Baumaßnahmen zu kostendeckenden Gebühren zu kommen.

Die geplante Integration der Auswertung der alliierten Luftbilder auf Bombenblindgänger in den Geschäftsbereich des LGLN ermöglicht die Nutzung vorhandener Fachkompetenz. Das Landesamt leistet dem KBD bereits jetzt technische Unterstützung für das „Auskunftssystem Kampfmittelräumkataster“. Die Bündelung dieser Ressourcen soll zu einer beschleunigten systematischen Auswertung der „Bombenbilder“ führen. Optimierungen werden auch bei der Bearbeitung von Einzelanfragen erwartet.

3. Mit der Neustrukturierung des KBD sollen im Bereich der Gefahrenerforschungs-maßnahmen wie z.B. Einmessung von Blindgängerverdachtspunkten, Sondierungsmaßnahmen, Freilegung von Verdachtspunkten und Vor- und Nebenarbeiten für Blindgängerbergungen alle Aufgaben durch gewerbliche Fachfirmen wahrgenommen werden, die im übrigen auch bisher schon auf diesem Gebiet tätig sind. Die Kosten für diese Gefahrenerforschungsmaßnahmen wurden bisher im Vorfeld von Baumaßnahmen im Wesentlichen von den Grundstückseigentümern und als Folge der sogenannten systematischen Luftbildauswertung im Rahmen des Landessonderprogramms vom Land übernommen. Hier wollen wir künftig zu einer klareren Aufgaben- und Kostenverantwortung kommen. Das Land wird die Gemeinden bei ihrer Aufgabenwahrnehmung als zuständige Gefahrenabwehrbehörden beratend aber auch künftig unterstützen.

4. Die Entschärfung, der Transport und die Zwischenlagerung von Kampfmitteln werden vom Land weiter mit eigenem Personal übernommen. Auch die Vernichtung der Kampfmittel durch Fachfirmen wird seitens des Landes weiterhin kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Zu möglichen jährlichen finanziellen Mehrbelastungen für die besonders stark betroffenen Ballungsräume wie z.B. Hannover und Braunschweig kann keine Aussage getroffen werden, da die Kostenbelastung naturgemäß vor allem von der tatsächlichen Anzahl an Kampfmittelfunden abhängt.

Zu Frage 2:

Durch die geplante Neustrukturierung der Aufgabe „Kampfmittelbeseitigung“ unter Berücksichtigung der genannten Eckpunkte wird das anerkannt hohe Niveau der Kampfmittelbeseitigung in Niedersachsen auch bei einer stärkeren Einbeziehung gewerblicher Firmen beibehalten. Dies wird vor allem dadurch sichergestellt, dass die Entschärfung und der Transport von Kampfmitteln nach wie vor durch eigenes staatliches Fachpersonal erfolgen werden. Eine durchgehende Verfügbarkeit von professionellen Fachkräften zur Entschärfung von Kampfmitteln bleibt in Niedersachsen ebenso wie die Beratungskompetenz für betroffene Behörden auch weiterhin gewährleistet.

Zudem wird die notwendige fachliche Aufsicht in Bezug auf das Sprengstoffrecht über die gewerblichen Fachfirmen über die Gewerbeaufsichtsämter gewährleistet.

Zu Frage 3:

In Niedersachsen übernehmen bereits jetzt private Firmen diverse Gefahrenerforschungs-maßnahmen, wie die Einmessung von Blindgängerverdachtspunkten, Sondierungsmaßnahmen, Freilegung von Verdachtspunkten und Vor- und Nebenarbeiten für Blindgängerbergungen sowie die Vernichtung von Kampfmitteln.

Die Durchführung der Kampfmittelbeseitigung durch private, gewerbliche Unternehmen unterliegt – im Gegensatz zu den auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung tätigen Dienststellen der Länder – den Anforderungen des Sprengstoffgesetzes. Das bedeutet, dass solche Unternehmen eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis benötigen. Diese Erlaubnis ist an die Voraussetzung bestimmter Zuverlässigkeitskriterien geknüpft. Zur Durchführung von dem Sprengstoffgesetz unterliegenden Tätigkeiten hat der Erlaubnisinhaber sicherzustellen, dass nur fachkundige Personen diese Tätigkeiten ausüben.

Der sprengstoffrechtliche Nachweis der Fachkunde erfolgt über sog. Befähigungsscheine, die personenbezogen ausgestellt werden und an bestimmte Voraussetzungen der persönlichen Eignung und fachlichen Qualifikation geknüpft sind.

Das Sprengstoffgesetz und seine Verordnungen bilden daher einen geeigneten und bewährten Rahmen für die staatliche Überwachung von Betrieben, die mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen.

Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Frage 2.

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erstellt am:
01.07.2011

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