Rockerkriminalität in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.05.2011; Fragestunde Nr. 51
Die Abgeordnete hatte gefragt:
In der letzten Zeit häufen sich Berichte darüber, dass Rivalitäten sogenannter Motorradklubs wie Gremium MC, Hells Angels oder Red Devils zunehmen. Dabei geht es um die Aufteilung von Einflussgebieten. Bei der damit im Zusammenhang stehenden Kriminalität handelt es sich um Drogen- und Waffenhandel, Erpressung, Menschenhandel und schwere Körperverletzung. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 19. April 2011 warnt Oldenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Thurau vor einem blutigen Rockerkrieg im Nordwesten Niedersachsens und wird wie folgt zitiert: „Wir steuern auf eine Entwicklung zu, die sehr gefährlich ist.“ Eine Zuspitzung der Auseinandersetzung der Rockerklubs beim Kampf um Macht und Einfluss räumte die Landesregierung bereits vor über einem Jahr ein. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Hans-Christian Biallas und Angelika Jahns teilte die Regierung am 18. März 2010 im Landtag mit: „Dem Landeskriminalamt Niedersachsen liegen Hinweise darüber vor, dass die Expansion des Red Devils MC auf Betreiben des Hells Angels MC Hannover erfolgt ist, der dadurch seinen Gebietsanspruch in Niedersachsen unterstreichen will. Das birgt insoweit Konfliktpotenzial, als andere Motorradklubs ihre für sich reklamierten Einflussbereiche beeinträchtigt sehen.“ Aufgrund dieser beschriebenen Expansion schloss die Landesregierung schon damals Auseinandersetzungen nicht aus.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Auseinandersetzung der sogenannten Rockerklubs, und welche Maßnahmen hat sie ergriffen, um die bereits vor einem Jahr prognostizierte Zuspitzung der Auseinandersetzung zu unterbinden?
- Wie bewertet in diesem Zusammenhang die Landesregierung die Rolle des Chefs der Hells Angels MC Hannover, Frank Hanebuth, und Straftaten welcher Art werden ihm seit dem Jahr 2000 zur Last gelegt?
- In welcher Form wird die Landesregierung aktiv, um auf Bundesebene ein bundeseinheitliches Vorgehen gegen Rockerklubs und -kriminalität in Gang zu setzen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Zunächst wird auf die Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 32 der Abgeordneten der CDU Hans-Christian Biallas und Angelika Jahns (67. Plenarsitzung des Nds. Landtages am 18.03.2011), der Kleinen Anfragen des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen/FDP (LT Drs. 16/2115) und der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann/LINKE (LT-Drs. 16/2928) durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hingewiesen, in denen bereits weitreichend zu den grundsätzlichen Geschäftsgebahren und Expandierungbestrebungen konkurrierender Rockergruppierungen Stellung genommen wurde.
Die Landesregierung reagierte bereits 2005 mit Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 29.07.2005 auf die sich damals abzeichnende Expansion von Rockergruppierungen durch die „Rahmenkonzeption zur Intensivierung der Bekämpfung der schweren und Organisierten Kriminalität im Umfeld von Motorradclubs (Rockerkriminalität) in Niedersachsen“. Damit einhergehend ist im Dezernat 35 (Zentralstelle Organisierte Kriminalität) des Landeskriminalamtes Niedersachsen eine Ermittlungsgruppe eingerichtet worden, die neben der Erstellung und Fortschreibung eines Landeslagebildes auch schwerpunktmäßig Ermittlungen in straf- und gefahrenabwehrrechtlichen Einzelverfahren führt. Darüber hinaus gewährleistet sie als Zentralstelle das Informationsmanagement in diesem Phänomenbereich, wobei die allgemeine Informationsgewinnung zu den Motorradclubs und die gezielte Informationsbeschaffung im Deliktsbereich „Rockerkriminalität“ vorrangig den Polizeidienststellen in der Fläche des Landes Niedersachsen obliegen. Hierzu werden in jeder Polizeiinspektion szenekundige Beamte für Rockerkriminalität eingesetzt.
Durch eine Bund-Länder-Projektgruppe unter Beteiligung niedersächsischer Vertreter wurde eine ganzheitliche und länderübergreifende strategisch-taktische Rahmenkonzeption „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität“ entwickelt, die mit Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 02.03.2011 für die niedersächsische Polizei für verbindlich erklärt wurde. Die Rahmenkonzeption bietet der Intensivierung des Informationsaustausches und der Abstimmung von Einsatzmaßnahmen bei länderübergreifenden Lagen sowie der Einbindung anderer Behörden mit Sicherheitsaufgaben eine gute Grundlage, die länderspezifischen Einsatzkonzeptionen zu harmonisieren und dem Phänomenbereich mit abgestimmten Maßnahmen zu begegnen.
Dies vorangestellt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat die aktuellen Auseinandersetzungen von Mitgliedern der Rockergruppierungen u. a. in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen intensiv verfolgt. An diesen Auseinandersetzungen waren nach hiesigem Kenntnisstand keine Personen aus niedersächsischen Rockergruppierungen unmittelbar beteiligt.
In Niedersachsen hat es in den letzten Monaten einen Vorfall im Raum Northeim gegeben. Mitglieder des Red Devils MC haben gegenüber einem anderen Motorradclub verlangt, dass dieser Club künftig die Red Devils unterstützt. Diese Unterstützung wurde abgelehnt; diese Haltung hat bislang keine unmittelbaren Konsequenzen durch Drohungen oder Angriffe nach sich gezogen.
Insoweit kann in Niedersachsen aktuell nicht von einer Eskalation der Rockerkriminalität gesprochen werden. Die Bewertung, dass es bei den Streitigkeiten um die von den Gruppen jeweils reklamierten Einflussbereiche zu gewalttätigen Auseinandersetzungen auch in Niedersachsen kommen kann, wird angesichts der Entwicklung im Bundesgebiet aufrecht gehalten.
Auf Grund dieser Einschätzung hat die niedersächsische Polizei die intensivierte Bekämpfung der Rockerkriminalität fortgesetzt und entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung und Unterbindung gewaltsamer Auseinandersetzung konsequent durchgeführt.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
Zu 2.:
Die Rockergruppierung Red Devils MC präsentiert sich als offizieller Unterstützer des Hells Angels MC. Folglich steht der Red Devils MC auch unter dem Einfluss des Hells Angels MC und erfüllt dessen Vorgaben. Diese Vorgaben erhalten die Charter des Red Devils MC von den Führungsriegen der für sie örtlich zuständigen Hells Angels Charter. In Niedersachsen ist für die Mehrzahl der Red Devils MC das Charter der Hells Angels Hannover verantwortlich. Demzufolge spielt der Anführer der Hells Angels Hannover eine maßgebliche Rolle bei der Einflussnahme auf die niedersächsischen Charter der Red Devils MC.
Eine Mitteilung über Straftaten kann unter Hinweis auf das niedersächsische Datenschutzgesetz nicht erfolgen.
Zu 3.:
Das Land Niedersachsen hat die Rockerkriminalität bereits sehr früh in den bundesweiten polizeilichen Gremien durch seine Vertreter thematisiert. Durch diese Gremienbefassung sind mittlerweile vier Bund-Länder-Projektgruppen eingesetzt worden, die detaillierte bundesweite Konzepte für die Bekämpfung der Rockerkriminalität erarbeitet haben. In diesen Projektgruppen hat das Landeskriminalamt Niedersachsen maßgeblich mitgearbeitet.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.