Unabhängiges Bleiberecht für jugendliche Ausländer
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.04.2011; Mdl. Anfr. 42
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Das neue Bleiberecht wurde vom Bundestag abschließend beraten. Der neue § 25 a AufenthG sieht nunmehr vor, dass ausländische Jugendliche ein von ihren Eltern unabhängiges Bleiberecht erhalten können. Voraussetzung eines eigenständigen Bleiberechts ist, dass die Jugendlichen gut in die deutsche Gesellschaft integriert sind und über nachgewiesene Deutschkenntnisse verfügen. Sie müssen zwischen 15 und 21 Jahren alt und vor ihrem 14. Lebensjahr nach Deutschland eingereist sein. Des Weiteren müssen sie mindestens sechs Jahre in Deutschland verbracht und mindestens sechs Jahre eine deutsche Schule besucht bzw. einen deutschen Schulabschluss absolviert haben.
Wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29. März 2011 zu entnehmen war, hat sich der von Innenminister Uwe Schünemann unterbreitete Vorschlag in der Gesetzesberatung durchgesetzt. Des Weiteren können auch die Eltern der berechtigten Jugendlichen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, sofern sie ihren Lebensunterhalt selbstständig bestreiten und ihre Ausreise nicht mutwillig verhindert haben. Jedenfalls besteht nach dem neuen Aufenthaltsrecht ein Abschiebeschutz für die Eltern, solange ihre Kinder minderjährig sind.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie beurteilt die Landesregierung die Änderungen im Ausländerrecht?
- Welche Auswirkungen werden die Änderungen nach Ansicht der Landesregierung auf Niedersachsen haben?
- Haben die Änderungen im Ausländerrecht Auswirkungen auf laufende Verfahren der Härtfallkommission?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Mit der Erweiterung des Aufenthaltsgesetzes um einen neuen § 25a für gut integrierte geduldete ausländische Jugendliche und Heranwachsende hat der Gesetzgeber erstmals die in Deutschland aufgewachsenen junge Ausländerinnen und Ausländer im Blick. Die Gesetzesänderung geht auf eine Initiative Niedersachsens aus dem Jahr 2006 zurück. Wenn junge Ausländerinnen und Ausländer ihren bisherigen Aufenthalt genutzt und gute Integrationsleistungen erbracht haben, sollen sie trotz bestehender Ausreiseverpflichtung und unabhängig vom Integrationsverhalten der Eltern ein eigenständiges humanitäres Aufenthaltsrecht erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass den Jugendlichen insbesondere aufgrund ihrer bisherigen schulischen Leistungen eine positive Zukunftsperspektive in Deutschland bescheinigt werden kann.
Die Gesetzesänderung enthält auch eine Regelung zugunsten der sorgeberechtigten Eltern sowie der jüngeren Geschwister von begünstigten minderjährigen Jugendlichen. Deren Aufenthalt wird in einem ersten Schritt bis zum Eintritt der Volljährigkeit des begünstigten Jugendlichen geduldet. In einem zweiten Schritt kommt die Erteilung eines Aufenthaltsrechts an die Eltern in Betracht, wenn diese den Lebensunterhalt für sich und die Familie sicher stellen und auch ihre Identität durch Vorlage gültiger Heimatpässe geklärt haben.
Im Vorgriff auf die gesetzliche Neuregelung wurden die Ausländerbehörden bereits mit Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport aus Dezember 2010 gebeten, von aufent-haltsbeendenden Maßnahmen bei den voraussichtlich von der gesetzlichen Neuregelung begünstigten Jugendlichen abzusehen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1 :
Die gesetzliche Neuregelung für geduldete ausländische Jugendliche und Heranwachsende bietet den begünstigten ausländischen Jugendlichen und Heranwachsenden eine Perspektive für einen dauerhaften Verbleib in Deutschland. Es ist somit zu erwarten, dass sich diese Regelung auch positiv auf nachfolgende Generationen auswirken wird.
Darüber hinaus entspricht die Regelung auch der Intention des Gesetzgebers, der in § 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Ausdruck gebracht hat, dass es das Ziel des Gesetzes ist, die Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern unter Berücksichtigung unserer Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie unserer wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen zu erreichen. Die Erweiterung des Aufenthaltsgesetzes um ein Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende entspricht dieser gesetzlichen Zielsetzung. Es besteht die Erwartung, dass sich die Jugendlichen, die in Deutschland aufgewachsen sind und die deutsche Bildungseinrichtungen erfolgreich besucht haben, dauerhaft in die hiesige Gesellschaft integrieren werden und damit einen Gewinn für die Aufnahmegesellschaft darstellen.
Zu 2.:
Die Erweiterung des Aufenthaltsgesetzes um § 25a wird nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit Auswirkungen haben. Mit der Regelung erhalten die Ausländerbehörden ein Instrument, gut integrierten Kindern unabhängig vom Fehlverhalten ihrer Eltern ein Aufenthaltsrecht zu erteilen. Für Kinder und Jugendliche, bei denen aufgrund ihres Alters eine entsprechende Prognose gestellt werden kann, wird eine Abkoppelung vom aufenthaltsrechtlichen Werdegang der Eltern bereits seit längerer Zeit für sinnvoll angesehen.
Zu 3.:
Nachdem der Bundesrat am 17.12.2010 den Beschluss gefasst hatte, dem Bundestag vorzuschlagen, in das Aufenthaltsgesetz eine neuen § 25a einzufügen, um gut integrierten geduldeten ausländischen Jugendlichen und Heranwachsenden ein eigenständiges Aufenthaltsrecht einzuräumen, wurden die laufenden Eingaben bei der Härtefallkommission daraufhin überprüft, ob es sich um potentiell von der Neuregelung zu begünstigende Familien handelt. Die Eingaben von Familien, die voraussichtlich von der gesetzlichen Neuregelung begünstigt werden, wurden zunächst zurückgestellt. Es handelt sich um insgesamt 44 Eingaben.