Anpassung des niedersächsischen Katastrophenschutzes an veränderte klimatische Verhältnisse
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.04.2011; Mdl. Anfr. 7
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe führte eine Befragungsaktion in Zusammenarbeit mit der Bundesebene der Hilfsorganisationen, der Feuerwehren und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk durch, bei der 50,6 % der befragten Institutionen eine Veränderung der Einsatzzahlen hinsichtlich extremer Wetterereignisse feststellen konnten.
Ich frage die Landesregierung:
- Ist eine solche Veränderung der Einsatzzahlen wegen Extremwetterereignissen auch in Niedersachsen zu verzeichnen?
- Ist der niedersächsische Katastrophenschutz auf zunehmende Einsätze wegen Extremwetterereignissen vorbereitet?
- Wie schätzt die Landesregierung die zahlenmäßige Entwicklung solcher Einsätze für die Zukunft ein?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Zu 1. – 3.:
Eine Auswertung von Schadensereignissen und Katastrophenfällen in Niedersachsen innerhalb des letzten Jahrzehnts zeigt kein einheitliches Bild über Veränderungen von Unwettererscheinungen.
Die häufigsten Einsätze haben sich danach durch Hochwassersituationen ergeben. Dies betrifft immer wieder die größeren Flüsse in Niedersachsen, wie Elbe, Weser und gerade das Leineeinzugsgebiet. Gründe für diese Hochwasser sind allerdings unterschiedlich. Die schadens-reichsten Auswirkungen erreichten Winterhochwasser, die durch schnelle und intensive Schneeschmelze verbunden mit starken Regenfällen ausgelöst wurden. Hier ist insbesondere das Leineeinzugsgebiet betroffen. Die starken Zuflüsse aus dem Harz sorgen immer wieder für angespannte Lagen. Die Rückhaltemöglichkeiten, wie Talsperren oder das Hochwasserrück-haltebecken Salzderhelden, haben die schlimmsten Auswirkungen verhindert. Die Einzugs-bereiche von Weser und Elbe liegen außerhalb von Niedersachsen, so dass Einflüsse von Unwettererscheinungen aus anderen Bundsländern (Hessen und Thüringen) oder anderen Staaten (Tschechien) starke Auswirkungen in Niedersachsen haben können. Hier sind häufig außergewöhnliche Wetterlagen die Ursache, die sich auch im Sommerhalbjahr ereignen. Dies hat sich besonders in den Jahren 2002 und 2006 gezeigt, als die Elbe weit über ihre Ufer trat. In den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Lüneburg wurde der Katastrophenfall festgestellt. Allein 2006 wurden in diesen Bereichen etwa 18.000 Helferinnen und Helfer aus nahezu allen Einsatzorganisationen einschließlich der Bundeswehr eingesetzt. Auch aus Anlass von weite-ren Schadensereignissen, wie z. B. das Hochwasser nach Starkregenfällen im August 2010 in Stadt und Landkreis Osnabrück, waren unter Beteiligung der Katastrophenschutzbehörden ausreichend Hilfskräfte zeitgerecht vor Ort.
Die Einsätze im Zusammenhang mit Stürmen, Orkanen oder lokalen Windhosen beschäftigten zumindest kurzzeitig eine nicht unerhebliche Zahl von Kräften. Allerdings entziehen sich Groß-schadensereignisse durch Stürme und Orkane weitgehend aussagekräftigen Vorhersagen und Prognosen. Zu erwähnen ist der Orkan Kyrill, der im Januar 2007 mit Böen zwischen 110 und 140 km/h über Deutschland und Europa hinwegfegte. Viele kleine und mittlere Einsatzlagen wurden von den örtlichen Einsatzkräften bewältigt. Niedersachsen blieb von katastrophalen Auswirkungen verschont; die Schäden in anderen Bundesländern waren ungleich höher. In der Vergangenheit wurde ein Trend zur Zunahme der Sturmhäufigkeit in den Niedersächsischen Wäldern beobachtet. Der erfolgreich eingeleitete Waldumbau durch Misch- und Laubwaldvermehrung, standortgerechte Baumartenwahl, Kompensationskalkung und Waldbau auf Grund-lage der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft hat zu einer deutlichen Verbesserung des Pflege-zustandes, des Strukturreichtums und der Stabilität in den niedersächsischen Wäldern geführt.
Die Anzahl der Waldbrände und die Waldbrandfläche sind seit den niedersächsischen Großschadensereignissen Mitte der siebziger Jahre rückläufig. Dieser Trend ist unabhängig von einzelnen statistischen Schwankungen in trockeneren Jahren festzustellen. Die Gründe für diese positive Entwicklung sind vielschichtig und begründen sich einerseits in einer verbes-serten Waldbrandvorsorge als auch in einer effektiven frühzeitigen Waldbrandbekämpfung, durch die Großbrände und Folgebrände bisher verhindert werden konnten. Ein neu eingeführ-tes automatisiertes Waldbrandfrüherkennungssystem wird die Sicherheit vor Waldbränden weiter erhöhen.
Mit einer Zunahme der winterlichen Niederschläge aufgrund des Klimawandels bzw. der Anzahl der Winterstürme und von Tagen mit extrem hohen Windgeschwindigkeiten steigt das Risiko „grö-ßerer“ Schäden durch Extremwetterlagen. In diesem Zusammenhang können die Anforderungen an die zur Katastrophenbekämpfung erforderlichen Ressourcen steigen. Hierzu wird auch in Zu-kunft auf die Vielzahl der haupt- und ehrenamtlichen Kräfte in den Katastrophenschutzbehörden, Hilfsorganisationen einschließlich des THW, der Feuerwehren und der Bundeswehr zurückge-griffen werden müssen. Diese Menschen haben im Schadens- und Katastrophenfall durch ihren engagierten und uneigennützigen Einsatz Großes geleistet. Hierfür spricht ihnen die Landesre-gierung noch einmal ihren ausdrücklichen Dank aus.
Der Katastrophenschutz obliegt grundsätzlich den Landkreisen und kreisfreien Städten (Katastro-phenschutzbehörden). Das Land stellt für diese Aufgabe Rahmenbedingungen auf, die in veränderten Situationen auch angepasst werden müssen. Von besonderer Bedeutung sind die Unterstützung des Ehrenamtes sowie die Durchführung von Katastrophenschutzübungen. Die Katastrophenschutzbehörde trifft die für die Katastrophenbekämpfung in ihrem Bezirk erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen. Dazu untersucht die Katastrophenschutzbehörde unter anderem, welche Katastrophengefahren in ihrem Bezirk drohen. Die Bestandsaufnahme der möglichen Gefahrenquellen und ihre Auswertung sind Grundlage für die Vorbereitung der Katastrophenbekämpfung. Seit jeher sind auch die Gefahren von Unwettern Grundlagen für entsprechende Vorbereitungsplanungen.
Hinzuweisen ist auch auf die Tätigkeit der Regierungskommission „Klimaschutz“ unter der Federführung des Nds. Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz. Im Rahmen der Entwicklung von Handlungsstrategien für Niedersachsen werden dabei auch der Katastrophenschutz und Unwettererscheinungen (Orkane, Schneenotfälle, Sturmfluten etc.) in die Überlegungen ein-bezogen. Zurzeit beginnen die Arbeiten zur Weiterentwicklung der Niedersächsischen Anpassungsstrategie an den Klimawandel unter Federführung des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz. Eine umfassende Strategie der Landesregierung soll in Kooperation mit allen betroffenen Ressorts entwickelt werden.