Schünemann: Links-Rechts Auseinandersetzung immer brutaler
PMK 2010: Politisch motivierte Kriminalität nimmt weiter ab
HANNOVER. Der Niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hat am Montag die Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität 2010 vorgestellt. „Auch im vergangenen Jahr verzeichnen wir einen deutlichen Rückgang bei dieser Kriminalitätsform. Die konsequente Strafverfolgung und die intensive Präventionsarbeit insbesondere der Polizeibeamtinnen und –beamten haben zu dieser guten Entwicklung geführt“, sagte Schünemann.
Die Polizei verzeichnete 2010 insgesamt 2706 (2009: 3401) politische motivierte Straftaten. Dies ist ein Rückgang von 20,4 Prozent. Davon hatten 2238 (2009: 2798) einen extremistischen Hintergrund. Dies ist ein Minus von ebenfalls rund 20 Prozent. Der extremistischen Kriminalität werden Straftaten zugeordnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.
Auch die Zahl der politisch motivierten Gewaltdelikte ist für das Jahr 2010 rückläufig. Hier wurden insgesamt 260 Delikte registriert, dies entspricht einem Rückgang um 16,4 Prozent (311 Taten im Vorjahr). Die Anzahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 29,17 Prozent gesunken und erreicht im 10-Jahres-Vergleich einen neuen Tiefststand.
„Auch diese Entwicklung ist erfreulich allerdings ist eine hohe Gewaltbereitschaft bei der Tatausübung und damit eine höhere Zahl von Opfern zu beklagen. Die niedrige Hemmschwelle zur Gewaltanwendung zeigt sich u. a. in der gestiegenen Zahl der Opfer trotz des Rückgangs der Gewaltdelikte. Insbesondere in der Konfrontation zwischen Angehörigen der linken und der rechten Szene war eine hohe Gewaltbereitschaft festzustellen; schwerste Körperverletzungen wurden begangen“, so der Innenminister.
In den einzelnen Phänomenbereichen kam es zu folgender prozentualen Verteilung an den Gesamtstraftaten: Politisch motivierte Kriminalität -Rechts- 52,85 Prozent, Politisch motivierte Kriminalität -Links- 33,33 Prozent, Politisch motivierte Kriminalität -Ausländer- 6,54 Prozent, sonstige Politisch motivierte Kriminalität 7,28 Prozent. „Eindeutig feststellbar ist, dass der Anteil der linksmotivierten Straftaten in den letzen vier Jahren stetig zugenommen hat“, sagte Schünemann.
Politisch motivierte Ausländerkriminalität
Deutlicher Anstieg aufgrund strafbarer Aktivitäten von Angehörigen der PKK
Im Jahr 2010 wurden im Bereich der Politisch motivierten Ausländerkriminalität insgesamt 177 Straftaten (Vorjahr 124) polizeilich registriert. Dies ist ein Anstieg um ca. 42,7 Prozent.
Wie in der Vergangenheit wurde dieser Phänomenbereich in Niedersachsen und auch bundesweit von Straftaten durch Mitglieder türkischer/kurdischer Organisationen dominiert.
Die Zunahme der Fallzahlen basiert im Wesentlichen auf strafbaren Aktivitäten von Angehörigen der mit Betätigungsverbot belegten „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK).
In diesem Zusammenhang wurden von den 177 Taten im Bereich der Politisch motivierten Ausländerkriminalität im Jahr 2010 allein 150 Straftaten im Zusammenhang mit der PKK erfasst. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt in diesem Bereich bei den Verstößen gegen das Vereinsgesetz, u. a. im Zusammenhang mit Spendengeldsammlungen und mit der Zielrichtung der Aufrecht-erhaltung der Strukturen der PKK. Insbesondere im Rahmen von mehreren Durchsuchungsmaßnahmen in Hannover wurden 59 Verstöße gegen das Vereinsgesetz festgestellt.
Islamistischer Extremismus/Terrorismus
Gefährdungsspitzen 2010 in Deutschland
Auch im Jahr 2010 bewegte sich die Anzahl von Strafverfahren im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus/Extremismus in Niedersachsen auf einem niedrigen Niveau. Gleichwohl stellt dieses Phänomen nach wie vor einen Schwerpunkt der Arbeit der Polizei dar. Insbesondere den Maßnahmen der Gefahrenabwehr kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Gegen Ende des Jahres 2010 lagen mehrere schlüssige Ereignisstränge vor, die auf geplante Anschläge und terroristische Aktivitäten in Deutschland hindeuteten. Aufgrund dieser Bedrohungssituation wurden auch in Niedersachsen umfangreiche und zielgerichtete Maßnahmen eingeleitet.
Durch die Sicherstellung von zwei Paketbomben in Flugzeugen in Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten und einen Anschlag am Frankfurter Flughafen auf US-Soldaten macht noch einmal deutlich, dass Deutsche Interessen im In- und Ausland auch weiterhin einer intensivierten Gefährdung durch den internationalen islamistischen Terrorismus unterliegen.
Politisch motivierte Kriminalität –Rechts-
Erneuter Rückgang der Politisch motivierten Kriminalität -Rechts-
Die Gesamtzahl der rechtsmotivierten Straftaten betrug im Jahre 2010 in Niedersachsen 1430 Delikte und erreichte damit den zweitniedrigsten Stand seit Einführung des neuen Meldedienstes im Jahr 2001. Gegenüber dem Vorjahr, in dem 1840 Straftaten registriert wurden, ist ein deutlicher Rückgang um 22,3 Prozent zu konstatieren.
Die sogenannten Propagandadelikte bilden dabei mit 959 Taten weiterhin den größten Anteil (ca. 67 Prozent) an den Gesamtstraftaten. Über die Hälfte dieser Delikte wurden vorrangig im öffentlichen Verkehrsraum in Form von Schmier-/Sprühaktionen oder verbalen Attacken verübt.
Der Rückgang der Straftaten lässt sich insbesondere auf den erhöhten Repressionsdruck im Rahmen zielgerichteter polizeilicher Maßnahmen sowie die konsequente Umsetzung krimimalpräventiver Maßnahmen zurückführen. Auch konnten durch polizeiliche Maßnahmen bei größeren Versammlungen, wie z. B. in Hildesheim oder in Bad Nenndorf, Straftaten verhindert werden.
Anzahl der rechten Gewaltdelikte sinkt auf Tiefststand
Die Anzahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte ist mit 85 Fällen im Vergleich zum Vorjahr (2009: 120) deutlich um 29,17 Prozent gesunken und erreicht im 10-Jahres-Vergleich einen neuen Tiefststand. Darunter befanden sich 74 Körperverletzungsdelikte (Anteil von ca. 87 Prozent an Gewaltdelikten). Nach wie vor stand ein hoher Anteil der Täter (28 Prozent) bei Tatausführung unter Alkoholeinfluss.
Fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten sind erfreulicherweise von 39 auf 28 Delikte zurückgegangen. Vornehmlich wurden die Gewaltdelikte im Rahmen der Rechts-/Linkskonfron-tation begangen. Durch Angehörige der rechten Szene wurden auch schwere Straftaten begangen. So wurde beispielsweise sogar Opfern gezielt aufgelauert, um sie bewaffnet mit Schlagwerkzeugen anzugreifen. Darüber hinaus drangen in einem Fall rechtsmotivierte Gewalttäter überfallartig in eine Wohnung ein und fügten den Opfern mittels Reizgas und Schlagringen Verletzungen zu.
Um dem starken Anstieg der politisch motivierten Kriminalität im Brennpunkt Tostedt entgegen zu wirken, wurden eine Ermittlungsgruppe der Polizei eingerichtet, präventive Aktivitäten intensiviert und ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet und umgesetzt. So konnte die Gewaltkrimi-nalität im Jahresverlauf 2010 erheblich eingedämmt werden.
Politisch motivierte Kriminalität -Links-
Rückgang linksmotivierter Straftaten im Jahr 2010
Im Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität -Links- wurden für das Jahr 2010 in Niedersachsen 902 Straftaten registriert. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr (1101 Delikte) einem Rückgang um ca. 18 Prozent.
In der Vergangenheit wurden viele Straftaten der linksmotivierten Kriminalität im Rahmen von Versammlungen begangen. Im Jahr 2010 fanden nur wenige Veranstaltungen statt. Mit Ausnahme des Castor-Transportes gab es auch keine bedeutenden Großereignisse in Niedersachsen, wie z.B. Gipfeltreffen oder (Bundestags-) Wahlen.
Linke Gewaltdelikte rückläufig
Bei 138 der linksmotivierten Straftaten handelt es sich um Fälle von Gewaltkriminalität. Im Vorjahr waren noch 178 Gewaltdelikte in diesem Phänomenbereich zu verzeichnen. Dies ist ein Rückgang um ca. 22,5 Prozent.
Allerdings wurden im Jahr 2010 auch zwei versuchte Tötungsdelikte registriert. Dabei handelt es sich um einen Brandanschlag auf zwei mit Polizeibeamten besetzte Fahrzeuge im Rahmen des Castor-Einsatzes. Die Polizeifahrzeuge wurden in Brand gesetzt und die Insassen durch Steinwürfe am Verlassen der Fahrzeuge gehindert. In dem anderen Fall wurde bei der Anfahrt zu einer Kundgebung ein Fahrzeug besetzt mit Angehörigen der rechten Szene durch eine Gruppe von etwa 20-30 Personen des linken Spektrums blockiert. Eine Person der linken Gruppe warf zielgerichtet einen Pflasterstein durch die Fahrzeugscheibe, wodurch ein Insasse des Fahrzeugs schwerste Kopfverletzungen erlitt.
Im Jahr 2010 wurden im Phänomenbereich -Links- zehn politisch motivierte Brandanschläge festgestellt. Ein Rückgang dieser Fallzahlen um zehn Delikte im Vergleich zum Jahr 2009 ist neben den vielfältigen polizeilichen Maßnahmen auch auf die Reduzierung bestimmter Aktionsschwerpunkte der linken Szene, wie z. B. die Anti-DHL-Kampagne, die Proteste gegen das geplante Tierversuchslabor der Firma Boehringer in Hannover sowie Aktionen der „Militanten Zelle (Gruppe)“ in Göttingen zurückzuführen.
Insgesamt spielt der Einfluss von Alkohol bei der Begehung von linksextremistischen Gewaltdelikten eine eher untergeordnete Rolle. Nur ca. 5,7 Prozent der Täter waren bei Tatausführung alkoholisiert.
Opfer rechter und linker Gewalt in Niedersachsen
Trotz sinkender Gewalttaten mehr Opfer von linker und rechter Gewalt
Die Anzahl der Gewaltdelikte im Jahr 2010 war in beiden Phänomenbereichen rückläufig. Die linksmotivierten Gewalttaten nahmen um 40 Delikte ab, die rechtsmotivierten um 35 Taten. Trotzdem ist bei der Zahl der Opfer von linker und rechter Gewalt ein Anstieg festzustellen. Die Anzahl der von linker Gewalt Betroffenen nahm von 71 auf 97 zu. Die Zahl der Opfer rechter Gewalt stieg von 99 auf 104 an. Dies spricht für eine hohe Gewaltbereitschaft bei der Tatausführung.
Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der linken und rechten Szene
Rückgang der Straftaten in beiden Phänomenbereichen; Linksmotivierte Gewaltdelikte gegen Rechts nehmen zu
Die Anzahl der Straftaten die aufgrund von Konflikten zwischen Personen aus der linken und rechten Szene begangen wurden ist rückläufig.
Linksmotivierte Straftaten gegen Angehörige der rechten Szene, nahmen von 248 auf 137 ab. Auffällig ist dabei, dass entgegen dieses deutlichen Trends die Anzahl an Gewaltdelikten von 30 auf 37 Gewalttaten zunahm.
Die rechtsmotivierten Straftaten gegen Angehörige der linken Szene nahmen ebenfalls ab, von 108 im Jahr 2009 auf 75 im Jahr 2010. Damit ging auch ein geringer Rückgang der Gewaltdelikte von 39 auf 35 Taten einher.