Polizeiliche Videoüberwachung in Oldenburg
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17.03.2011; Fragestunde Nr. 17
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Am 3. Mai 2010 wurde die umstrittene Videoüberwachung in Oldenburg im Bereich Lappan/Leffers-Eck in Betrieb genommen, obwohl sich der Rat mit einer Resolution gegen die Videoüberwachung ausgesprochen hatte und auch der Landesdatenschutzbeauftragte Kritik an der Überwachung geübt hatte. Zunächst erfolgten die Überwachung und Aufzeichnungen nur in der Zeit zwischen 17.00 Uhr und 7.00 Uhr. Nach der Terrorwarnung der Bundesregierung wurde die Überwachung ab etwa Mitte November 2010 auf den gesamten Tag ausgeweitet. Obwohl die erhöhte Terrorwarnung durch den Bundesinnenminister bereits wieder zurückgestuft wurde, wird in Oldenburg weiter rund um die Uhr überwacht. Dabei ist die Huntestadt weder als islamistische Hochburg noch als allgemein stark kriminalitätsbelastet bekannt. Eine Bewertung, wie viele Straftaten durch die Überwachung zu welchen Zeitpunkten bekannt geworden sind, ist bisher öffentlich nicht bekannt. Ungeklärt ist auch, wie stark die Kriminalität im überwachten Bereich zurückgehen muss, um die Kameras wieder abzubauen. Offenkundig ist es jungen Schülern in der Nacht zum 21. Februar 2011 unter ständiger Videobeobachtung (?) gelungen, ein lebensgroßes Bronzepferd „Donnerhall“ in dem überwachten Bereich mit Frischhaltefolie, zartrosa Wasserfarbe und weiteren Accessoires „neu einzukleiden“. Die Polizei geht zwar in der nachträglichen Bewertung nicht von einer Sachbeschädigung oder sonstigen Straftat aus, dennoch wird in Oldenburg mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass unter den digitalen Augen einer teuren Videoüberwachung kreative „Kunstagitationspropaganda“ (Kunstagitprop) stattfinden konnte. Die Oldenburger Öffentlichkeit, die viel Sympathie für die dadaistische Spontiaktion zeigt, fragt sich daher, ob die Kameras überhaupt einen Sinn haben.
Ich frage die Landesregierung:
- Wieso konnten die Schüler „Donnerhall“ „neu einkleiden“, obwohl der Bereich ständig videoüberwacht wird?
- Welche konkreten Erfolge hat die Videoüberwachung bisher gebracht, d. h. wie viele und welche Straftaten sind bekannt geworden oder wurden durch die Überwachung verhindert?
- Unter welchen Voraussetzungen (Rückgang der Straftaten etc.) hält es das Innenministerium für geboten, die Videoüberwachung zu deinstallieren oder im zeitlichen Rahmen wieder einzuschränken?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die polizeiliche Videoüberwachung in Oldenburg war bereits zweimal Gegenstand von Mündlichen Anfragen, zunächst in der Landtagssitzung vom 27. März 2009 als Frage Nr. 33 der Abge-ordneten Helge Limburg und Ralf Briese (GRÜNE) sowie als Mündliche Anfrage Nr. 29 des Abgeordneten Jürgen Krogmann (SPD) in der Landtagssitzung vom 21. Januar 2011.
Insofern verweise ich auf die Beantwortung beider Anfragen.
Zu der vorliegenden Anfrage hat mir die Polizeidirektion Oldenburg als verantwortliche Behörde berichtet. Dieser Bericht ist Grundlage meiner nachstehenden Ausführungen.
Danach ist das in der Mündlichen Anfrage dargestellte Ereignis nicht in der Nacht zum 21. Februar, sondern am 6. Februar, bei der Polizeidirektion Oldenburg dokumentiert. Ich gehe davon aus, dass sich die Anfrage auf diesen Sachverhalt bezieht.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Videoüberwachung des Bereichs Lappan/Leffers Eck in Oldenburg erfolgt mittels zweier Kameras. Diese befinden sich hinsichtlich ihrer Brennweite und Ausrichtung grundsätzlich in einer vordefinierten Grundposition. Eine gezielte Beobachtung bestimmter Bereiche durch eine manuelle Steuerung der Kamera erfolgt dann, wenn sich aus der Beobachtung der übertragenen Bilder oder durch Hinweise an die Polizei konkrete Anhaltspunkte auf eine Gefahrensituation an einem bestimmten Objekt oder einem bestimmten Ort innerhalb des Überwachungsbereiches ergeben. So wird die Situation weiter aufgeklärt, parallel werden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr veranlasst.
Die Kamerabilder werden auf Monitore in der Lage- und Führungszentrale der Polizeidirektion Oldenburg sowie in der Wache des Einsatz- und Streifendienstes der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland übertragen und dort von Beamtinnen und Beamten im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung beobachtet.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
Zu 2.:
Die Videoüberwachung in der Oldenburger Innenstadt ist seit dem 3. Mai 2010 in Betrieb.
In den Jahren 2005 bis 2009 sind der Polizei im jährlichen Durchschnitt 294 Straftaten in dem videoüberwachten Bereich bekannt geworden, davon 24 Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 2 Nr. 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ord-nung (Nds.SOG). Dabei handelt es sich um Straftaten, die die öffentliche Sicherheit in einem besonderen Maße beeinträchtigen, z.B. Gewalt- und Raubdelikte.
Im Jahr 2010 sind in diesem Bereich 229 Straftaten bekannt geworden, davon 11 von erheblicher Bedeutung. Eine belastbare Bewertung der Wirkung dieser Maßnahme erfordert allerdings einen längeren Betrachtungszeitraum; eine solche Überprüfung ist im jährlichen Rhythmus vorgesehen.
In wie viel Fällen Personen aufgrund der Videoüberwachung eine geplante Straftat nicht durchgeführt haben, ist nicht bekannt.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
Zu 3.:
Für die Videoüberwachung im Bereich Lappan/Leffers Eck in Oldenburg ist die Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt /Ammerland verantwortlich. Diese wird ergänzend zu der jährlichen Überprüfung bei einer Änderung der Einschätzung zur Kriminalitäts- und Gefahrenlage unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen den Umfang der Videoüberwachung einer erneuten Prüfung unter-ziehen.
Das zeitlich enge Zusammenfallen von gefährdungsrelevanten Hinweisen auf Anschlagsplanungen islamistisch motivierter terroristischer Gruppierungen oder Personen in Europa führte ab Mitte November 2010 zu einer Erhöhung der bereits intensivierten Gefährdungslage in Form einer „Gefährdungsspitze“, die u.a. zusätzliche Präventivmaßnahmen der Polizeien der Länder und der Bundespolizei erforderlich machten. Die in der Folgezeit gewonnenen Erkenntnisse relativierten die temporäre Gefährdungsspitze, so dass im Februar 2011 eine allmähliche Verringerung der am 17. November 2010 bundesweit eingeleiteten außenwirksamen Maßnahmen möglich wurde.
Den Bundessicherheitsbehörden liegen nach wie vor eine Vielzahl von weiteren Einzelhinweisen vor, die schon für sich betrachtet als ernst zu nehmend bewertet werden müssen und in ihrer Gesamtheit als herausragend im Vergleich zu den seit Jahren permanent eingehenden Gefährdungssachverhalten betrachtet werden. Dementsprechend gehen die Bundessicherheitsbehörden weiterhin von einer „intensivierten Gefährdungslage“ aus. Ein Beispiel dafür stellt der islamistisch motivierte Anschlag auf die US-amerikanischen Soldaten am 02.03.2011 in Frankfurt/M. dar.
Die aktuelle Gefährdungslage erfordert auch weiter eine flexible und lageangepasste Kombination von offenen und verdeckten Maßnahmen der Landes- und Bundessicherheitsbehörden. Dazu gehört auch die Überwachung anlassbezogen gefährdeter Bereiche durch Videokameras.
Im Übrigen siehe Beantwortung zur Frage 2. und Vorbemerkungen.