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Verbesserte Polizeipräsenz

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17.03.2011; Fragestunde Nr. 2


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dieter Möhrmann (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Nach der Antwort der Landesregierung im Februar-Plenum auf die Mündliche Anfrage Nr. 14 zur Frage der Polizeipräsenz in der Fläche obliegt „die Gewährleistung einer flächendeckenden Polizeipräsenz den Polizeiinspektionen und den ihnen zugeordneten Polizeikommissariaten“. Und weiter weist die Landesregierung darauf hin, dass das neue Konzept von Ende 2004 im Vergleich zur früheren Personalverteilung wesentlich stärker auf den Belastungs- und Strukturdaten des jeweiligen Zuständigkeitsbereiches basiere. Mit dieser Antwort wird die Verantwortung vom Innenministerium auf die untere Ebene der Polizei weitergereicht. Die laut Vorlage des Innenministeriums Nr. 261 vom 17. Februar 2011 (schon im November 2010 angefordert) für den Haushalts- und Finanzausschuss inzwischen aufgelaufenen 1 286 993 Mehrarbeitsstunden zum 31. Dezember 2010 werden ebenso nicht genannt wie die möglichen zusätzlichen Haushaltsbelastungen durch das Urteil des OVG Lüneburg zur Frage der Anrechnung von Mehrarbeitsstunden während des Castoreinsatzes in 2010.

Auf die Hinweise in der Anfrage zu den gestrichenen Angestelltenstellen, der Herabsetzung der Einstellung von Polizeianwärtern sowie der Reduzierung des Personalkostenbudgets der Polizei für 2011 um 3,58 Millionen Euro geht die Landesregierung in ihrer Antwort nicht ein.

Schuldig bleibt sie auch konkrete Belastungs- und Strukturdaten zu neu eingerichteten Rund-um-die-Uhr-Polizeidienststellen im Vergleich zu den als Beispiel nachgefragten Daten im Landkreis Soltau-Fallingbostel und hier konkret für den Standort Schneverdingen. Ursache für die erneut aufgeworfene Forderung nach einer Rund-um-die-Uhr-Präsenz war neben der Einbruchsserie im Jahr 2010 die erhebliche Körperverletzung von zwei elfjährigen Jungen an einem Freitagabend. Leider wird der Stand der

Ermittlungen nicht mitgeteilt, so dass für die Öffentlichkeit das Problem bleibt, dass sich die Aussagen der Väter der Jungen und der Polizei teilweise widersprechen.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Antwort gibt es auf die Frage in der Überschrift und die in der Vorbemerkung genannten Fakten?
  2. Wie stellt sich der Ermittlungsstand im konkreten Körperverletzungsfall der beiden elfjährigen Jungen dar, und welche widersprüchlichen Angaben von Zeugen und Angehörigen (siehe Antwort vom 18. Februar 2011) gibt es?
  3. Wie sehen die Belastungs- und Strukturdaten eines schon 2004 von der Stadt Schneverdingen vorgeschlagenen Zuständigkeitsbereichs Schneverdingen und Neuenkirchen im Vergleich zu den neu eingerichteten Rund-um-die-Uhr-Polizeidienststellen in Bad Salzdetfurth, Meine, Meinersen, Stolzenau, Wittingen, Damme und Rastede im Einzelnen aus?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1.:

Mehrarbeitsstunden sind im Bereich des Polizeidienstes eine grundsätzliche Folge der besonde-ren Aufgabenwahrnehmung und deshalb unvermeidbar. Dies gilt landesweit und ist besonders kennzeichnend beispielsweise bei der Arbeit von Sonderkommissionen zur Aufklärung schwerer Gewalt- und Wirtschaftsdelikte und bei Spezialeinheiten, aber vor allem auch bei geschlossenen Einsätzen der Polizei. Gerade in diesen Bereichen ist der Arbeitseinsatz durch das aktuelle Krimi-nalitäts- und Einsatzgeschehen bestimmt und deshalb häufig nicht im Rahmen der gesetzlichen Arbeitszeit planbar. Insoweit ist auch der Anfall von Mehrarbeitsstunden üblich und „dienstimmanent“.

Von 1980 bis 1994 wurde die Zahl der Mehrarbeitsstunden in der niedersächsischen Polizei erhoben; sie ging von rund 2 Millionen Stunden jährlich auf 1,7 Millionen Stunden am Ende des Berichtszeitraums zurück.

Die Pflicht der nachgeordneten Bereiche, zu Beginn eines Jahres die für das vergangene Jahr angeordneten Mehrarbeitsstunden dem MI zu berichten, entfiel im Jahr 1995. Die seit dieser Einstellung der Berichtspflichten vermuteten 1,6 bis 1,7 Millionen jährlichen Mehrarbeitsstunden sind durch eine im Jahr 2001 anlassbezogen durchgeführte Erhebung (1,6444 Millionen Stunden) bestätigt worden. Die mit Stand 31. Dezember 2010 durch die Behörden und Polizeiakademie dem MI gemeldeten Mehrarbeitsstunden ergeben in der Summe 1.286.993 Stunden. Darin sind auch Plusstunden enthalten, die im Rahmen gleitender Arbeitszeit oder innerhalb der Regelarbeitszeit an den jeweiligen Stichtagen auf den Arbeitszeitkonten hinterlegt waren. Der Ausgleich von Mehrarbeitsstunden erfolgt im Polizeidienst in der Regel durch Freizeit. Ein entsprechender Spielraum für die Freizeitgewährung ist vorhanden und zeigt, dass die Mehrarbeitsstunden keine permanente Belastung des Polizeivollzugsdienstes bedeuten.

Mehrarbeit unterliegt im polizeilichen Alltag immer den eingangs erwähnten Schwankungen. Die dadurch in der Folge entstehenden, lediglich temporären Belastungsspitzen haben regelmäßig keinen Personalmehrbedarf zur Folge oder wirken sich mittel- oder langfristig nicht nachteilig auf die polizeiliche Präsenz aus.

Es ist davon auszugehen, dass Mehrarbeit bei der Polizei auch in der Zukunft in dem genannten Umfang anfallen wird. Die in der Fragestellung enthaltene Formulierung des seit 2003 zunehmenden Aufwuchses von Mehrarbeitsstunden lässt sich anhand der gemeldeten Daten nicht feststellen. Vielmehr lassen die in 2001 und 2010 erhobenen Werte einen nachhaltigen Rückgang vermuten.

Bei dem Vergleich von Personalmengen ist zu beachten, dass die Anzahl der Personen keine relevante Mess- und Steuerungsgröße ist. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen steht, wobei deren Anteil und Umfang variieren bzw. permanenter Veränderung unterliegen.

Für den Bereich der Tarifbeschäftigten, zu dem auch die genannten ehemaligen Angestellten zählen, existieren, anders als zum Beispiel beim Bereich des Polizeivollzuges, keine Stellenpläne, so dass auch nicht von „gestrichenen“ Stellen gesprochen werden kann. Den Behörden wird seit dem Jahr 2007 für den Bereich der Tarifbeschäftigten ein verbindliches Personalkostenbudget und Beschäftigungsvolumen (in Vollzeiteinheiten) zur eigenverantwortlichen Bewirtschaftung zugewiesen; ihnen steht damit ein größerer Gestaltungsfreiraum auch im Hinblick auf die Zahl der Beschäftigten im Bereich der Polizeiinspektionen zur Verfügung. Dies führt bei den Behörden naturgemäß zu Schwankungen in der Anzahl der jeweilig vorhandenen Beschäftigten. Aufgabe des Ministeriums in diesem Bereich ist vorrangig, die Einhaltung der vorgegebenen Obergrenzen im Bereich der Vollzeiteinheiten und des Personalkostenbudgets zu überwachen.

Mit der Einführung dieser Verfahrensweise wurden, den Grundgedanken der Budgetierung folgend, sowohl Mittel als auch Möglichkeiten auf die konkret Personal bewirtschaftende Ebene der Polizei verlagert.

Im Übrigen ist hinsichtlich der Beschäftigtenzahl auch darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung zum Teil unmittelbare Auswirkungen auf den Polizeibereich und die dortigen Beschäftigten haben. Beispielhaft sind hier die Einrichtung des Zentralen Fahrdienstes Niedersachsen oder die Neuausrichtung der Liegenschafts-, Bau- und Gebäudeverwaltung Niedersachsen zu nennen.

Entgegen der Darstellung des Fragestellers beträgt die Einsparauflage gemäß der Vorlage des Finanzministeriums für die 95. Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen am 12.01.2011 für das Kapitel 0320 im Personalkostenbudget (0320-42201) 4,74 Millionen Euro und nicht 3,58 Millionen Euro. Unter Berücksichtigung dieser Einsparauflage sind die Mittel für Personalausgaben (Hauptgruppe 4) im Haushaltsplan 2011 gegenüber dem Haushaltsplan 2010 jedoch um insgesamt rund 4,5 Millionen Euro gestiegen.

Auch im Jahr 2010 hat die Landespolizei eine Vielzahl von Maßnahmen der Organisationsüberprüfung und -optimierung durchgeführt. Dafür kann beispielhaft die Organisationsanpassung im Bereich der Wasserschutzpolizei genannt werden.

Infolge der Veränderungen, insbesondere bei der Wasserschutzpolizei, konnte Vollzugspersonal in größerem Umfang anderen Tätigkeiten, insbesondere zugunsten der Präsenz in der Fläche, zugeführt werden. Dieses ermöglichte es, im Jahr 2010 ohne Einschränkungen für die Flächen-behörden auf die Einstellung von 100 Anwärterinnen und Anwärtern an der Polizeiakademie Niedersachsen zu verzichteten und somit zugleich einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts zu leisten.

Zu 2.:

Die Polizei in Schneverdingen hat zum Vorfall am 14.01.2011 drei möglicherweise als Tatverdächtige in Frage kommende Personen namentlich ermittelt. Der Ermittlungsvorgang wurde Anfang März 2011 an die sachleitende Staatsanwaltschaft Lüneburg abgegeben, der die strafrechtliche Bewertung des Sachverhalts und die Würdigung von Zeugenaussagen obliegt. Angesichts des noch laufenden Verfahrens können zum Stand der Ermittlungen keine weiteren Auskünfte erteilt werden.

Zu 3.:

Im Rahmen der Umorganisation der Polizei im Jahr 2004 wurden Funktionalität und Eigenständigkeit der Polizei gestärkt. Mit der Herauslösung der Polizei aus den ehemaligen Bezirksregierungen wurden sechs eigenständige und leistungsstarke Polizeidirektionen gebildet.

Im Rahmen dieser Eigenständigkeit erfolgt die Einrichtung eines Rund-um-die-Uhr-Dienstes durch die Polizeiinspektion in Abstimmung mit der Polizeidirektion unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Parametern. Sie hat sich vorrangig am tatsächlichen zeitlichen Bedarf vor Ort zu orientieren und erfolgt nicht ausschließlich auf der Grundlage der Belastungs- und Strukturdaten, die einen direkten "Eins-zu-eins"-Vergleich von Dienststellen ohnehin nur sehr eingeschränkt zulassen.

In der Gesamtschau der Belastungs- und Strukturdaten gibt es Bereiche oder zeitliche Abschnitte, bei denen ein möglicher gemeinsamer Bereich Schneverdingen/Neuenkirchen teilweise deutlich unter den übrigen Werten liegt, so zum Beispiel bei den Einwohnerzahlen. Daneben gibt es Aufgabenkreise oder Zeiträume, bei denen der Wert für Schneverdingen/Neuenkirchen in einem Ranking über dem Mittelwert der übrigen Dienststellen zu finden ist, so zum Beispiel bei der Polizeilichen Kriminalstatistik.

Im Rahmen einer derart umfassenden Betrachtung finden sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder kurz- und mittelfristige Steigerungen, die auf vielfältige Ursachen zurückzuführen sind und für sich regelmäßig weder einen dauerhaften Personalmehrbedarf noch eine Anpassung im organisatorischen Bereich begründen.

Für die Personalausstattung gilt es, neben den Belastungs- und Strukturdaten, insbesondere spezifische Problemstellungen, örtliche Besonderheiten und die Effizienz des Personaleinsatzes zu berücksichtigen. Diesen maßgeblichen Faktoren wird auch mit den umfangreichen Präsenzzeiten der Polizeistation in Schneverdingen umfassend Rechnung getragen.

Die Polizeistation ist zu den folgenden Zeiten besetzt:

Montag bis Freitag jeweils von 07.00 bis 21.00 Uhr

Samstag 08.00 bis Sonntag 04.00 Uhr

Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr

sowie bei besonderen Anlässen oder Einsatzlagen auch darüber hinaus.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Polizeiinspektion Soltau/Falling-bostel mit den Standorten Soltau, Munster, Walsrode und Bad Fallingbostel (ESD BAB) über vier Rund-um-die-Uhr-Dienste verfügt. Darüber hinaus wird zwischen dem Einsatz- und Streifendienst am Standort der Polizeiinspektion in Soltau und der Polizeistation Schneverdingen eine so genannte Verbundregelung praktiziert, die bei der Nichtbesetzung der Polizeistation eine lageangepasste polizeiliche Präsenz in Schneverdingen gewährleistet.

Im Übrigen werden die Polizistinnen und Polizisten der Einsatz- und Streifendienste nicht auf Einsatzanlässe warten, sondern ihre Aufgaben im Rahmen einer Präsenz im Einsatzraum wahrnehmen. Insoweit sind Entfernungsangaben ein rein theoretischer Wert, der für die Einsatzbewältigung unbedeutend ist.

Durch die zuständigen Polizeidirektionen wurden Belastungs- und Strukturdaten zugeliefert. Dabei wurden Werte zu den Bereichen "Fläche, Einwohner", "Polizeiliche Kriminalstatistik" und "Verkehrsunfälle" der jeweils fünfjährigen Vergleichszeiträume von 2000 bis 2004 und von 2006 bis 2010 erhoben. Nachfolgend werden die Vergleichsdaten der Jahre von 2006 bis 2010 kurz beschrieben.

Für den Bereich der über die Jahre unverändert zu betreuenden Fläche liegen Schneverdingen/ Neuenkirchen mit insgesamt 331 Quadratkilometern (km2) deutlich hinter dem Polizeikommissariat Stolzenau mit 682 km2 zurück. Der geringste zu betreuende Zuständigkeitsbereicht entfällt mit 188 km2 auf das Polizeikommissariat Meine.

2010 lebten 54.078 Einwohner im Bereich des Polizeikommissariats Bad Salzdetfurth; im Bereich Schneverdingen/Neuenkirchen sind es 24.588 Einwohner. Der niedrigste Wert der übrigen Dienststellen entfällt mit 30.990 auf die Polizeistation Damme; der Mittelwert der Bereiche außer Schneverdingen/Neuenkirchen liegt bei 39.989 Einwohnern (auf Basis der Mittelwerte der Einwohnerzahlen in einem Fünfjahresvergleich von 2006 bis 2010).

Im Verhältnis der Einwohner zur Fläche leben beim Polizeikommissariat Wittingen 52 Einwohner pro km2, während es beim Polizeikommissariat Meine 2010 insgesamt 207 Einwohner waren. Auf Schneverdingen/Neuenkirchen entfallen 75 Einwohner; dieser Wert liegt deutlich unter dem Mittelwert von 117 Einwohnern pro km2 bei den übrigen Dienststellen (auf Basis der Mittelwerte der Einwohnerzahlen in einem Fünfjahresvergleich von 2006 bis 2010). Bei der Betrachtung der Polizeilichen Kriminalstatistik der Jahre von 2006 bis 2010 und der dazugehörigen Mittelwerte ergibt sich ein Mittelwert von 1.665 Straftaten für Schneverdingen/Neuenkirchen, der damit über dem Mittelwert aller übrigen Bereiche von 1.375 Straftaten pro Jahr liegt. Der höchste Mittelwert mit 2.003 Delikten ergibt sich für das Polizeikommissariat Bad Salzdetfurth, der niedrigste Wert mit 841 ist der Polizeistation Rastede zuzuordnen.

In einer letzten Gegenüberstellung wurden die Verkehrsunfälle bilanziert, auch hier wurden die Mittelwerte auf Basis der Daten von 2006 bis 2010 verglichen. Bei der Gesamtheit der Verkehrsunfälle für die Jahre von 2006 bis 2010 liegen Schneverdingen/Neuenkirchen bei 632 Unfällen; der Mittelwert aller übrigen Dienststellen beträgt 757 Verkehrsunfälle. Der Höchstwert mit 1.126 Unfällen entfällt auf das Polizeikommissariat Bad Salzdetfurth; der niedrigste Wert mit 377 Verkehrsunfällen ergibt sich für die Polizeistation Rastede.



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erstellt am:
18.03.2011

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