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Polizeiliche Videoüberwachung in Oldenburg

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21.01.2011; Fragestunde Nr. 29


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Jürgen Krogmann (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Anfang Mai 2010 wurde die polizeiliche Videoüberwachung am Lappan und am Leffers-Eck in der Oldenburger Innenstadt in Betrieb genommen. Damit sollte an einem Kriminalitätsbrennpunkt der Zunahme nächtlicher schwerer Gewalttaten entgegengewirkt werden. In der anschließenden Berichterstattung wurde u. a. in der Nordwest-Zeitung (4. Mai) darauf hingewiesen, dass am Tage „zwischen 07.00 und 17.00 Uhr die Polizei eigenen Angaben zufolge nicht aufzeichnet. Die Gesichter der Menschen auf den Bildern würden in der Zeit auch nur verpixelt.“

Seit Mitte November wird laut Presseberichten aufgrund der Terrorwarnung des Bundeskrimi­nalamtes die Videoüberwachung auch von 07.00 bis 17.00 Uhr durchgeführt. Die zeitliche Beschränkung von Entpixelung und Aufzeichnung ist seit diesem Zeitpunkt aufgehoben.

Anlässlich eines Informationsbesuches bei der Oldenburger Polizei wurde dies noch einmal bestätigt. Dass nach Wegfall der Terrorwarnung, also dem angegebenen Grund für diese Verschärfung der Überwachung, automatisch eine unmittelbare Rückkehr zur bisherigen Verfahrensweise erfolgen würde, wurde vom anwesenden Vertreter der Polizeidirektion nicht bestätigt.

Da die Videoüberwachung in Oldenburg durchaus umstritten ist und bereits Kritik auch seitens des niedersächsische Datenschutzbeauftragten laut wurde, steht zu befürchten, dass das Vertrauen in der Bevölkerung in den öffentlichen Datenschutz im Allgemeinen und die Akzeptanz für derartige Polizeimaßnahmen im Besonderen leiden können.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie will die Landesregierung dem Eindruck entgegentreten, dass nur sechs Monate nach Installation die Polizeidirektion Oldenburg nun die Terrorwarnung dazu nutzt, auch nach deren Zurücknahme dauerhaft die Videoüberwachung (Entpixelung und Aufzeichnung auch in der Zeit von 07.00 bis 17.00 Uhr) vorzunehmen?
  2. Welche geänderte polizeiliche Lageeinschätzung führte dazu, dass offenbar nun, anders als noch im Mai 2010, eine Videoüberwachung auch am Tage gerechtfertigt erscheint, wie lässt diese sich an den Zahlen der Kriminalstatistik belegen?
  3. Ist der Eindruck richtig, dass es in dieser Frage zwischen der örtlichen Polizeiinspektion und der Polizeidirektion unterschiedliche Auffassungen gibt?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu der vorliegenden Anfrage hat mir die Polizeidirektion Oldenburg als verantwortliche Behörde berichtet. Dieser Bericht ist Grundlage meiner nachstehenden Ausführungen. Zudem war die polizeiliche Videoüberwachung in Oldenburg bereits Gegenstand der Mündlichen Anfrage Nr. 33 der Abgeordneten Helge Limburg und Ralf Briese (GRÜNE) in der Landtagssitzung vom 27.03.2009, auf die ich insofern verweise (LT-Drucksache 16/1025 und Stenografischer Bericht, ausgegeben am 28. April 2009, Anlage 31).

Die niedersächsische Landesregierung hat bereits im September 2006 die sukzessive Ausweitung der Videoüberwachung in Niedersachsen beschlossen und damit frühzeitig auf die veränderte internationale und nationale Sicherheitslage unmittelbar reagiert. Sie befindet sich damit im Einklang mit einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren aus dem November 2006. Sie hält demzufolge die Videoüberwachung öffentlicher Räume als Teil gezielter Einsatzkonzeptionen für geeignet, Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verhüten und zu verfolgen. Damit können gezielt Kriminalitätsbrennpunkte entschärft, das Sicherheitsgefühl gesteigert und die Abschreckungswirkung auf potenzielle Straftäter an den überwachten Orten erhöht werden. Im Übrigen steigt durch das gewonnene Bildmaterial die Möglichkeit zur Aufklärung von Straftaten.

Die Auswahl eines Standortes für eine polizeiliche Videoüberwachung ist das Ergebnis einer individuellen Analyse der Sicherheitslage. Dabei werden neben der allgemeinen Kriminalitätslage auch weitere sicherheitsrelevante Aspekte, wie z.B. die Gefährdung von Personen und Objekten durch Straftaten aus politischen oder terroristischen Motiven berücksichtigt.

Mittels einer derartigen Analyse identifizierte die Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland den Bereich Lappan/Leffers-Eck am Rande der Oldenburger Innenstadt als einen Brennpunkt allgemeiner Kriminalität. In diesem Raum wurden in den Jahren 2005 bis 2009 im jährlichen Durchschnitt 294 Straftaten bekannt, davon 24 Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 2 Nr. 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG). Dabei handelt es sich um Straftaten, die die öffentliche Sicherheit in einem besonderen Maße beeinträchtigen, z.B. Gewalt- und Raubdelikte sowie schwere Körperverletzung.

Da bei fast 80 Prozent dieser Straftaten von erheblicher Bedeutung der Tatzeitpunkt im Zeitraum zwischen 17.00 und 07.00 Uhr lag, erfolgte die Videoüberwachung mit Aufzeichnung seit ihrer Inbetriebnahme am 3. Mai 2010 während dieser Zeiten.

Zum jetzigen Zeitpunkt liegen Zahlen zur Kriminalität für das gesamte Jahr 2010 noch nicht vor. In den ersten neun Monaten des Jahres sind der Polizei in dem videoüberwachten Bereich 187 Straftaten bekannt geworden, davon neun von erheblicher Bedeutung. Eine belastbare Bewertung der Wirkung dieser Maßnahme erfordert einen längeren Betrachtungszeitraum; eine solche Überprüfung ist im jährlichen Rhythmus vorgesehen.

Nachdem die Bundesrepublik Deutschland sich bereits seit geraumer Zeit mit einer abstrakt hohen Gefährdungslage durch den internationalen islamistischen Terrorismus konfrontiert sah, verzeichneten die Sicherheitsbehörden seit der Mitte des Jahres 2010 verstärkt Hinweise, wonach die Terrororganisation Al-Qaida längerfristig plane, Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland zu begehen. Die abgestimmten und lageangepassten Sicherheitsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden der Länder sowie des Bundes tragen dieser Lage Rechnung. Zu den für alle Bürgerinnen und Bürger sichtbaren Maßnahmen gehören auch eine verstärkte polizeiliche Präsenz sowie Videoüberwachung von potenziellen Anschlagsobjekten. Zu diesen zählen u.a. Orte, die typische westliche Lebensgewohnheiten symbolisieren und darstellen, insbesondere sehr belebte Orte wie Einkaufszentren und Knotenpunkte des öffentlichen Verkehrs.

Der videoüberwachte Bereich liegt in einem stark frequentierten Teil der Oldenburger Innenstadt und stellt den zentralen Zugang zur Bushalte- und -umsteigestelle Lappan dar. Zudem liegen zwei Filialen von in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Fast-Food-Ketten in diesem Bereich. Eine Bewertung der veränderten Gefährdungslage aufgrund der o.a. Hinweise führte in der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland zu dem Entschluss, die Videoüberwachung bis auf Weiteres auf den gesamten Tag auszuweiten.

Im Sinne einer optimalen Aufgabenerfüllung und unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen wird bei einer Änderung der Einschätzung zur Terrorgefahr der Umfang der Videoüberwachung einer erneuten Prüfung unterzogen. Diese wird auf der Grundlage von aktueller Lagebewertung und unter Berücksichtigung des Datenschutzes vorgenommen werden.

Die Polizei des Landes Niedersachsen nimmt die ihr per Gesetz übertragenen Aufgaben wahr, Gefahren abzuwehren und Straftaten aufklären und zu verfolgen, um so die Bürgerinnen und Bürger vor Schaden zu bewahren. Dazu nutzt sie alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, u.a. auch die Überwachung öffentlicher Räume mittels Videotechnik. Diese Auffassung ist in der niedersächsischen Polizei unstreitig. Über die konkrete einzelne Maßnahme wird nach sorgfältiger Erhebung und Analyse der Entscheidungsgrundlage entschieden.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1. und 2.:

Polizeiliche Videoüberwachung in Niedersachsen wird gemäß den Voraussetzungen des § 32 Absatz 3 Nds.SOG durchgeführt.

Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.

Zu 3.:

Siehe Vorbemerkungen.

Presseinformation

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erstellt am:
21.01.2011

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