Nds. Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen klar Logo

Überwachung des fließenden Verkehrs durch Straßenverkehrsbehörden

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.12.2010; Fragestunde Nr. 46


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Heinrich Aller (SPD); es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Öffentlich hat u. a. der Bürgermeister der Stadt Seelze den Runderlass der niedersächsischen Ministerien für Inneres und Sport (MI) und Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW) vom 7. Oktober 2010 kritisiert, durch den die Überwachung des fließenden Verkehrs durch Straßenverkehrsbehörden massiv erschwert würde.

Nach Aussagen der Stadtverwaltung Seelze muss nach der neuen Erlasslage „vor jeder Durchführung einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der örtlichen Unfalluntersuchung über die Auswahl der Messstellen, die Festlegung der Messzeiten und die Durchführung von Schwerpunkteinsätzen Einvernehmen mit der zuständigen Polizeiinspektion (…) erzielt werden“.

An dieser Neuregelung ist nicht nur verwaltungsseitig, sondern auch aus den Reihen der kommunalen Mandatsträger und Anlieger an neuralgischen Verkehrswegeabschnitten Kritik laut geworden. Behindert sehen sich vor allem diejenigen, die in der stationären und mobilen Überwachung des Straßenverkehrs einen wichtigen Beitrag sehen, öffentlich angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzungen im Interesse von mehr Verkehrssicherheit und Lärmschutz in Verbindung mit weiteren „geschwindigkeitsdämpfenden“ baulichen und verkehrslenkenden Maßnahmen durchzusetzen.

Durch den o. a. Erlass wird nun eine interkommunale Zusammenarbeit zwischen der Stadt Seelze und der Gemeinde Wennigsen erheblich behindert. Vor allem wird der spontane Einsatz der Messgeräte eingeschränkt und damit ein wichtiger Aspekt der vorbeugenden Optimierung der Verkehrssicherheit erschwert.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Gründe bzw. anderen Gründe als gegebenenfalls die „Anti-Abzock-Urteile“ in NRW haben die zuständigen Ressorts der niedersächsischen Landesregierung veranlasst, durch den maßgeblichen Erlass von MI und MW vom 7. Oktober 2010 die Überwachung des fließenden Verkehrs durch Straßenverkehrsbehörden erheblich zu erschweren?
  2. Welchen Stellenwert haben für die beiden Ministerien die dringenden Wünsche aus Bevölkerung und Kommunalpolitik, an unterschiedlichen neuralgischen Straßenabschnitten insbesondere anlassbezogene und spontane mobile Verkehrsüberwachung durch Straßenverkehrsbehörden unbürokratisch zuzulassen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen?
  3. Wie können die widerstreitenden Interessen zwischen Landes- und Kommunalbehörden kurzfristig so geregelt werden, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen wirkungsvoller überwacht werden können und den Sicherheitsbedürfnissen der Verkehrssteilnehmer besser Rechnung getragen werden kann?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Polizei und Straßenverkehrsbehörden wird durch die „Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs für die Straßenverkehrsbehörden“ geregelt, die im Jahre 1994 gemeinsam vom Niedersächsischen Innenministerium sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr erlassen worden sind. Die Richtlinien sehen vor, dass neben der Polizei, die grundsätzlich für die Überwachung des Straßenverkehrs zuständig ist, auch die Straßenverkehrsbehörden Geschwindigkeitsüberwachungen und die Überwachung der Einhaltung von Lichtsignalanlagen vornehmen können. Hinsichtlich der Geschwindigkeitsbegrenzung waren Bundesautobahnen jedoch von der Überwachung durch die Straßenverkehrsbehörden ausgenommen.

Mehrere Landkreise haben Anfang dieses Jahres den Wunsch geäußert, eine Geschwindigkeitsüberwachung auch auf Bundesautobahnen vornehmen zu können. Dies war der Anlass für die entsprechende Änderung der Richtlinien.

Hinsichtlich eines Einvernehmens über die Messstellen, Messzeiten und Durchführung von Schwerpunkteinsätzen zwischen der Polizei und den Straßenverkehrsbehörden sahen die Richtlinien vom 25.11.1994 vor, dass „auf Grundlage der Erkenntnisse aus der örtlichen Unfalluntersuchung … die Auswahl der Messstellen, die Festlegung der Messzeiten und die Durchführung von Schwerpunkteinsätzen zwischen den Straßenverkehrsbehörden und der Polizei auf örtlicher Ebene abzustimmen“ sind. Mit Erlass vom 18.05.1998 wurde gegenüber den Straßenverkehrsbehörden und den Polizeibehörden zu dieser Formulierung klargestellt, dass hierzu in jedem Fall vor Durchführung der Maßnahme Einigkeit mit der Polizei auf örtlicher Ebene erzielt werden muss.

Diese Hinweise aus dem Jahr 1998 wurden im Rahmen der aktuellen Erlassänderung lediglich in den veröffentlichten Erlass überführt; eine neue Regelung wurde damit nicht geschaffen. Der Begriff der „örtlich zuständigen Polizei“ wurde durch den der „zuständigen Polizeiinspektion“ konkretisiert. Die Polizeiinspektion ist die örtlich zuständige Polizei; die für Bundesautobahnen zuständigen Autobahnpolizeien sind ein Teil der Polizeiinspektion. Zudem wurde anstatt des Begriffs „Einigkeit“ der rechtstechnisch zutreffende Begriff des „Einvernehmens“ gewählt. Eine qualitative Änderung oder eine Erschwernis für die Überwachung des fließenden Straßen-verkehrs durch Straßenverkehrsbehörden ergeben sich hierdurch nicht.

Die Erlassänderung schafft hinsichtlich der Auswahl der Messstellen keine neuen Voraussetzungen. Vorrangiges Ziel der Verkehrsüberwachung war und ist die Verkehrsunfallprävention. Durch die Verkehrsüberwachung sollen Unfälle verhütet und Unfallfolgen gemindert sowie schädliche Umwelteinflüsse begrenzt werden. Auch sind Überwachungsmaßnahmen dort zu konzentrieren, wo sich häufig Unfälle ereignen (Unfallbrennpunkte) oder die Wahrschein-lichkeit besteht, dass sich Unfälle ereignen werden (Gefahrenpunkte). Damit sollen nicht nur ausschließlich Unfallschwerpunkte, sondern auch Messungen beispielweise vor Schulen oder in Tempo-30-Zonen, wo besondere Gefahrenquellen vorhanden sein können, erfasst werden. Darüber hinaus ist als nachrangiges Ziel der Verkehrsüberwachung die Begrenzung schädlicher Umwelteinflüsse genannt. Dadurch sind auch Messungen, die im Hinblick auf Geschwindigkeits-reduzierungen zugunsten des Lärmschutzes erfolgen, nicht von vornherein ausgeschlossen.

Das Einvernehmen stellt keine Erschwernis für Straßenverkehrsbehörden und Polizei gegenüber der bisherigen, von den Akteuren nach Erlasslage vorzunehmenden Praxis der Abstimmung dar. Das Einvernehmen ist mit der Polizeiinspektion herzustellen, weil diese die für die Verkehrsunfallanalyse – als Grundlage für die Bestimmung von Unfallbrennpunkten und Gefahrenpunkten – zuständige Organisationseinheit innerhalb der Polizei ist. Ob die Straßenverkehrsbehörde dabei an das vor Ort ansässige Polizeikommissariat herantritt, bleibt dieser unbenommen. In diesem Fall müsste dann die Polizeiinspektion polizeiintern einbezogen werden. Da die Überlegungen zur Durchführung von Überwachungsmaßnahmen organisatorisch bei den Straßenverkehrs-behörden in der Regel ohnehin einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen, wird die einzelne Maßnahme nicht verzögert und erschwert.

An die Form des Einvernehmens werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Die Formulierung „vor jeder Maßnahme“ schließt nicht aus, dass Straßenverkehrsbehörde und Polizei gemeinsam Konzepte erarbeiten oder mehrere Maßnahmen für einen längeren Zeitraum (z. B. halbjährlich oder jährlich) beschließen. Auch kurzfristige mobile Verkehrsüberwachungs-maßnahmen sind möglich.

Das Einvernehmen zwischen Polizei und Straßenverkehrsbehörde dient wie bisher dazu, mit Hilfe der Erkenntnisse aus der örtlichen Verkehrsunfalluntersuchung tatsächliche Unfallschwerpunkte und Gefahrenpunkte im Hinblick auf die Verkehrsunfallprävention als vorrangiges Ziel der Verkehrsüberwachung auszumachen. Über diese Erkenntnisse verfügen die Straßenverkehrsbehörden jedoch nicht, sondern die Polizei. Darüber hinaus wird die Akzeptanz von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen in der Bevölkerung erzielt, weil gewährleistet ist, dass Messungen dort durchgeführt werden, wo sie zum Zwecke der Verkehrssicherheit sinnvoll und notwendig sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1. und 2.:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 3.:

Die Überwachungsmaßnahmen haben sich an den Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit zu orientieren. Sowohl die Polizei als auch die Straßenverkehrsbehörden haben daher gleiche Interessen bei ihrer Überwachungstätigkeit zu verfolgen. Dass die Überwachung dementsprechend wirkungsvoll ausgeübt wird, belegen die stetig rückläufigen Unfallzahlen in Niedersachsen. Durch die mit dem Erlass seit 1994 sowohl der Polizei als auch den Straßenverkehrsbehörden eingeräumte Möglichkeit der Verkehrsüberwachung einschließlich der neuen durch Ergänzung des Erlasses in diesem Jahr geschaffenen verkehrsbehördlichen Geschwindigkeitsüberwachung auch auf Bundesautobahnen wird den Sicherheitsbedürfnissen der Verkehrsteilnehmer verstärkt Rechnung getragen.

Presseinformationen Bildrechte: Staatskanzlei

Presseinformationen

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.12.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln